Über Sebastian Köhler

Publizistikkprofessor, TV-Producer und Online-Journalist sowie Kommunikationsberater in Berlin

1.    „The sun always shines on TV“, hieß es bei den Pop-Norwegern von „Aha“ schon vor 25 Jahren. Und heute: Das Fernsehen ist doch wieder auf dem stark steigenden Ast, zumindest quantitativ. Noch nie hat „media control“ seit 1992 höhere Werte gemessen und vermarktet als 2010. Jeder Deutsche ab drei Jahren hat demzufolge eine tägliche Verweildauer vor der „Glotze“ von 223 Minuten – das sind elf mehr als 2009. Dabei führen Sachsen-Anhalt (276) und Thüringen (274), während Bayern und Hessen hinten liegen (je 199 Minuten pro Nase). Die stärksten Zuwächse gab es bei den jungen Mittelalten (30-39 Jahre), um 15 auf 217 Minuten. Am meisten schauen aber weiterhin die über 50-Jährigen, nämlich 290 Minuten. So oder so dürfte das Fernsehen als Massenmedium nicht so schnell aussterben. (Quelle: kressdienst vom 4.1.2011)
2.    Auch die TV-Nachrichten nicht, wenn es denn „Nachrichten“ sind: „RTL aktuell“ war im vergangenen Jahr die beliebteste Nachrichtensendung bei den jungen Zuschauern (14- 49-Jahre). Die um 18.45 Uhr beginnenden RTL-Hauptnews erreichten im Schnitt 1,53 Mio Gucker und damit einen Marktanteil von 19,9%. Die „Tagesschau“ im Ersten kam bei der begehrtesten Zielgruppe 2010 auf 1,26 Mio Zuschauer und einen Marktanteil von 12,0%. Rang 3 in der Jahreswertung bei der jungen Zielgruppe belegten die Sat.1-Nachrichen (0,82 Mio.; MA: 8,0%). Beim Gesamtpublikum bleibt freilich die „Tagesschau“ meistgesehene Hauptnachrichtensendung, mit durchschnittlich 5,34 Mio Zuschauern (MA: 18,9 %). RTL konnte sich 2010 mit den von Chefredakteur Peter Kloeppel moderierten Hauptnachrichten gegen die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ durchsetzen: „RTL Aktuell“ sahen durchschnittlich 3,91 Mio Zuschauer (Marktanteil: 18,2%), „heute“ schalteten durchschnittlich 3,75 Mio (MA: 16,6%) ein. (Quelle:“http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/108068-nachrichten-jahrescharts-die-jungen-gucken-kloeppels-rtl-aktuell.html“).
3.    Zum Kaleidoskop (Sprachkritik): Hier mein Mail-Wechsel mit der Redaktion der Tagesschau in Hamburg zum Thema „Wer kann was entschuldigen?“ vom 21.12. Wir hatten in der Reuters-Redaktion auch gerade darüber diskutiert – Thema war die journalistische Vermittlung des Verhaltens der Bahn-Spitze:

Liebe Kollegen, da wir es hier in der Redaktion auch gerade besprachen: 
Die Bahnspitze KANN sich nicht entschuldigen. Es liegt auf Seiten der Kunden, das Verhalten der Bahn zu entschuldigen – oder eben auch nicht. 
  
Die Bahnspitze kann und sollte – und das sagen die Kollegen ja mittlerweile auch per Zugfunk – um Entschuldigung bitten. 
Was meinen Sie? 
Mit freundlichen Grüßen: 
Sebastian Köhler 
Producer, GERMANY

Die Antwort der Tagesschau-Redaktion kam postwendend:
Sehr geehrter Herr Köhler, 

vielen Dank für den Hinweis. Wir werden den Fehler sofort beheben. 

Wir wünschen Ihnen schöne Feiertage! 

Mit freundlichen Grüßen 
Britta Reinke 
Redaktion tagesschau.de

Geht doch – wenn wir alle lernfähig bleiben.

In diesem Sinne ein gutes Jahr 2011! Bleiben wir dran!

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  1. „Embedded Journalism“ (also: in einen Krieg auf der Seite einer kriegführenden Partei eingebetteten Journalismus) konnten wir ja schon kennen, vor allem durch Zusammenarbeiten von US-Militär und US-Medien aus dem Irak-Krieg seit 2003. Jetzt scheint auch der deutsche Politik- und Medienbetrieb etwas Neues beitragen zu wollen – „Embedded Talk“, denn was Johannes B. Kerner dort (oder auch anderenorts) macht, hat ja mit Journalismus ganz furchtbar viel zu tun. Stichwort Stichwortgeber. In dem Falle nicht (mehr) bezahlt aus Rundfunk-Gebühren, sondern anscheinend für Sat.1 direkt aus Steuergeldern, nämlich anscheinend aus dem PR-Etat des Verteidigungsministeriums. Zu sehen dann am Donnerstagabend bei den Privatfunkern von Sat1 – ich bin gespannt auf die sicher wie immer kritischen, ja investigativen Fragen von Herrn Kerner.
  2. Allerdings – was in dieser Woche vom Hindukusch zu sehen und zu hören sein sollte, aus dem Tross des deutschen „Prinzenpaares“ (Holger Schmale in Berliner Zeitung 14.12., Seite 3) Karl-Theodor und Stephanie zu Guttenberg, veranlasste selbst den konservativen Medienberater Michael Spreng (Ex-Chef der BamS) zu der Einschätzung: „Man kann das Gute auch zu laut tun“. Hier mal absehen davon, dass sich – wie schon seit Jahren – deutlich mehr als die Hälfte der Deutschen laut Umfragen weiterhin gegen den Einsatz deutscher Soldaten im Afghanistan-Krieg äußert (und auch daher dieses „Gute“ nicht unproblematisch ist): Guttenberg gilt Spreng nach dieser neuen Kampagne als „Überverkäufer“. (http://www.fr-online.de/politik/spezials/einsatz-in-afghanistan/-kulisse-fuer-die-guttenberg-show-/-/1477334/4920080/-/index.html). Und da hätten sich mit den Herren zu Guttenberg und Kerner ja zwei Profis dieser Art fern der Heimat gefunden – eine schöne Weihnachtsgeschichte.
  3. Forschers Zeigefinger: Wissenschaftler der Harvard-Uni haben ermittelt, dass starke Nutzung multimedialer Netzangebote wie bei Facebook oder YouTube die Konzentration verschlechtert. Jugendliche gewöhnten sich schnell an wechselnde Impulse – deshalb falle es ihnen schwer, ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache wie das Lesen eines Buches zu richten. Gefunden im Bereich von Henrik Bortels in der MAZ;-)(http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11951274/7249995/; 29.11.2010, 13.21 Uhr)
  4. Der Deutsche Presserat als Verantwortlicher für den Pressekodex hat 2010 deutlich mehr Rügen ausgesprochen als im Vorjahr: 36 öffentliche und sieben nicht-öffentliche Rügen. Auch die Zahl der Beschwerden ist laut Geschäftsführer Lutz Tillmanns deutlich gestiegen, von rund 1300 auf etwa 1700. Ein Grund sei die verstärkte Nutzung des Netzverkehrs, auch über soziale Netzwerke. Die meisten Beschwerden richteten sich gegen Boulevard-Medien. Häufig werde das Trennungsgebot von redaktionellem Inhalt und Werbung verletzt (Ziffer 7 des Pressekodex). (http://www.presserat.info/inhalt/dokumentation/pressemitteilungen/pm/article/leser-kann-werbung-nicht-erkennen/11.html, 14.12.2010, 13.32 Uhr)
  5. Die dpa-Meldung (BLZ, 10.12.2010., S.10) trägt die Überschrift: „Lohnplus in Deutschland unter EU-Durchschnitt“. Was erwarten wir angesichts dieser Schlagzeile? Sicher nicht, dass es dann im Text heißt: „Deutschland (ist) mit Abstand Schlusslicht in der Europäischen Union, teilte das Statistische Bundesamt mit“. Egal, wer diese beschönigende Überschrift erfunden hat, ob die Statistiker, die Agentur oder die Zeitung – sie bleibt so verzerrend, dass sie falsch wirkt. Und hätte redigiert werden sollen. Die offiziellen Fakten der Statistik: Im EU-Durchschnitt stiegen die Löhne zwischen 2000 und 2010 um 37,4 Prozent, in Deutschland hingegen nur um 22,4 Prozent.
  6. In einem spannenden Beitrag über den Zustand der Leipziger Uni-Journalistik schreibt „Spiegel Online/Unispiegel“ unter der Überschrift „Immer mitten in die Presse“ (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,733108,00.html, mit Dank an Michael Reksulak für den Hinweis):

    „Aus der Ferne wirkt es wundersam, wie man in der Kommunikationswissenschaft untereinander kommuniziert – oder besser: übereinander. (Der kritisierte Prof., SeK) Machill hätte sich zügig direkt an den Studenten wenden können; der hätte sich zügig direkt für die Urheberrechtsverletzung entschuldigen können. Darauf haben beide verzichtet.“

    Nicht verzichten möchte ich hier bei aller inhaltlichen Brisanz dieser Story auf 100 Gramm Sprachkritik: Wer kann etwas entschuldigen – der Schuldige oder der Geschädigte? Wofür steht die abkürzende deutsche mündliche Wendung „Entschuldigung!“? Und damit bitte ich alle Nutzerinnen und Nutzer dieses Blogs, meine etwaige Beckmesserei zu entschuldigen! Frohes Fest!

1.    In Sachen „WikiLeaks“ hält die ja auch gebeutelte FDP die liberale Fahne doch relativ hoch und hängt sie nicht in den (atlantischen) Wind: Ihr rechtspolitischer Sprecher im Bundestag, Christian Ahrendt, sagte der „Financial Times“ am 8.12. (http://www.ftd.de/politik/deutschland/wikileaks-enthuellungen-fdp-wirft-usa-internet-zensur-vor/50203092.html), es sei falsch, WikiLeaks mundtot zu machen. Er warf der US-Regierung Zensur vor. Das Problem liege nicht bei der Enthüllungsplattform, sondern beim Staat, der seine Unterlagen schützen müsse. So weit, so gut. Aber ich frage mich, ob das als Bewerbung für die Neu-Besetzung des FDP-Büroleiter-Postens bei Guido Westerwelle reichen mag. Helmut Metzner musste ja gehen, weil ihm vorgeworfen wurde, anderenorts zu sehr auf offene Ohren orientiert gewesen zu sein. Okay, es waren angeblich die von US-Diplomaten. Da hätte Metzner im Sinne freier Information ja auch gleich zu WikiLeaks gehen können.
2.    Nach dem schweren Unfall bei „Wetten, dass …“ musste sich ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut auch kritischen Fragen stellen. Die Medienjournalistin Ulrike Simon wollte wissen (BLZ 7.12.2010, S.30): „Ist es nicht doch so, dass der Druck, mit diesen Konkurrenzshows (wie „Supertalent“ oder „Schlag den Raab“, SK) mithalten zu wollen, Einfluss auf die Auswahl der Wetten hatte?“ Bellut antwortete auf diese zuspitzende, geschlossene Frage nicht mit „Ja“ oder „Nein“, sondern kam auf seinen Eingangssatz zurück: Man habe nicht wegen Quotenmaximierung „die Wetten verschärft“. Dennoch lesenswert, wie die Interviewerin immer wieder aus der Distanz nachhakt und so das Bestmögliche an Nachrichtenwert erzielt.
3.    „Google“ will seine Marktpositionen ausbauen und erforscht dafür die Nutzergewohnheiten auch und gerade in sozialen Netzwerken wie Facebook. Wie Patrick Beuth herausfand (BLZ, 8.12.2010,. S.26), hat Google-Mitarbeiter Paul Adams auf der Seite „slideshare.net“ eine Präsentation mit dem Titel „The Real Life Social Network“ veröffentlicht. Ein Kernpunkt ist, dass Nutzer ihre Entscheidungen, was sie tun (und dabei vor allem, was sie konsumieren), zunehmend davon abhängig machen, was ihre Facebook-Freunde entscheiden. Schaut man sich die Folien an (http://www.slideshare.net/padday/the-real-life-social-network-v2), wird klarer, dass und wie Betreiber von Internet-Firmen wie Google, Facebook oder Twitter uns Nutzer dazu bewegen wollen, ein Maximum an Daten und Aktivitäten auf deren Seiten heimisch werden zu lassen. Finde ich nach wie vor eher unheimlich. Die HMKW-Facebookseite natürlich ausgenommen 😉
4.    Herr Ostler bemerkte am 2.12. auf Zeit-Online: „Im Meditationsverfahren hat die Bahn immerhin nun angekündigt…“, (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-12/stuttgart-21-proteste-stresstest?page=2). Darüber könnte man nun sicher jahrelang meditieren, während Geißlers Vermittlung, also Mediation, einige Wochen dauerte. Wenn schon bei der guten, alten „Zeit“ (wenn auch „online“) Fremdwörter Glückssache sind, was sind das für „Zeiten“?

  1. Nach Anschlagswarnungen und Wiki-Lecks dürfte uns die Debatte erhalten bleiben: Siegfried Kauder (CDU), der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses (das ist nicht das Gegenteil von Linksausschuss), kam erstmals so richtig in die Schlagzeilen mit seinem Vorschlag, die Pressefreiheit einzuschränken. Er hatte am 23.11. gefordert, die Medien müssten „verpflichtet“ werden, „sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch“ sei. Kauder regte gesetzliche Regelungen dafür an (oder die Einführung einer Selbstverpflichtung der Medien), über bestimmte Ereignisse nicht zu berichten. Glück für Wikileaks, könnte man da sagen, dass die Internetplattform nicht in Deutschland basiert ist (BLZ 24.11.2010, S.5)
  2. Kulturstaatsminister Bernd Neumann scheint sich nicht nur um die Zukunft der Verlage, sondern auch um die der Journalisten zu sorgen: In einem „Eckpunktepapier“ ( SZ 29.11., S.15) für ein künftiges Leistungsschutzrecht im Internet fordert er nicht nur bessere Rahmenbedingungen für die Presseverlage (die ja zum Teil, siehe Springer-Verlag, derzeit sogar auf geschäftlichen Rekordkursen sind), sondern auch für Journalisten als den Urhebern von Inhalten. Da deren Einkommen momentan kaum auf Rekordkurs sind – fair genug wäre eine solche Beteiligung für die Journalisten.
  3. Bezahlzeitung in den neuen Medien – während die New York Times für 2011 ein neues Modell von „Paid Content“ per „Paywall“ versuchen will, scheint Rupert Murdochs Konzern auf dem Weg zu einer Art Tageszeitung fürs iPad – zu lesen exklusiv dort. „The Daily“ soll wöchentlich 99 Cent kosten. Wenn, dann dürfte sich Murdoch ein solches Experiment gegen die Gratis-Kulturen leisten können – „seine alten Medien machen ja noch genügend Profit“, schreibt Jörg Hantzschel (SZ, 23.11.2010, S.17).
  4. Der Schweizer Verleger Michael Ringier (u.a. Cicero) fordert hingegen Rück-Besinnung: „Wir erreichen Millionen, weil wir Inhalte verkaufen, die wir den Journalisten verdanken.“ In diese Inhalte und deren Urheber zu investieren, statt in den „Schrott im Netz“, hält er für die Zukunft: Man müsse den Journalismus „mit den ältesten Regeln des Handwerks achten“ und zugleich „mit den neuesten Technologien fördern“ (BLZ 21.11., S.37)
  5. Die Berliner Zeitung schreibt auf Seite 1 vom 29.11.: „Wikileaks zeigt Amerikas Bild von der Welt“. Wessen Bild?

  1. Es scheint wie eine Neuauflage von Ödipussi – der Sohn-Vater-Konflikt in einem der mächtigsten deutschen Verlagshäuser, nämlich Neven DuMont Schauberg (Köln); zwischen Senior-Chef Alfred Neven DuMont (83 Jahre alt) und Sohn Konstantin (41). Zum Verlag gehören neben Express und Stadt-Anzeiger in Köln sowie der Mitteldeutschen Zeitung in Halle seit einiger Zeitunter anderem auch die linksliberalen Tageszeitungen Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung. Seit Wochen brachte sich der Junior mit „schrägen Internetmeldungen“ und gerne auch per „BILD“ kommunizierter Interviews (SZ vom 23.11., S.17) ins Gerede, in denen weder der eigene Konzern noch der eigene Vater übermäßig geschont wurden. Der Aufsichtsrat beurlaubte den jungen  Neven  DuMont daraufhin als Konzernvorstand. Dass der Springer-Verlag dem Nachwuchsverleger aus dem Konkurrenzhaus in dieser Phase eine Plattform bietet, überrascht wenig – ebenso, dass nun die Kölner Gruppe sowohl juristisch als auch per Presserat gegen Springer vorgehen wollte. Version DuMont Köln: Springer blase eine „interne Personalie“ zur Staatsaffäre auf. Version Springer Berlin: „absurd“. Und man sieht mal wieder – Geld allein macht auch nicht glücklich.
  2. Horst Pöttker, Journalismus-Professor an der Dortmunder Uni, will für Journalisten im Interesse ihrer öffentlichen Aufgabe die professionelle Autonomie gestärkt sehen. Dazu müsse aber klar werden, dass Journalismus nicht unbeteiligter Beobachter der Gesellschaft ist, sondern „als strukturelle Bedingung realer Gegebenheiten wirkt“ (vgl. Publizistik, Heft 2/2010, S.107ff.). Ebenso wirken reale Gegebenheiten (wie Produktionsverhältnisse, politische Ordnungen etc.) als strukturelle Bedingungen von Journalismus. Journalismus sollte daher nach professioneller Unabhängigkeit streben, aber nicht als unbeteiligte Fremdbeobachtung, sondern, so mein Konzept, als teilnehmende Selbst- und Fremdbeobachtungen im Plural der Perspektivenwechsel (vgl. philosophische Anthropologien von Helmuth Plessner oder Hans-Peter Krüger). Journalismus ist beteiligt am sonstigen gesellschaftlichen Verkehr. Daher müssen auch Pöttker zufolge Journalisten abwägen zwischen eher gesinnungsethischer Publikationsorientierung und mehr verantwortungsethischer Folgenorientierung – mit Blick auf die Gesellschaft.
  3. Der Jurist und Medienrechtsexperte Christian Zappe rät Journalisten (vgl. Zeitschrift Fachjournalist, Heft 4/2010, S.22ff.), sie mögen in jedem Falle die Persönlichkeitsrechte und die Urheberrechte Dritter beachten und ihre eigene journalistische Sorgfaltspflicht wahrnehmen. Das betrifft angesichts unterschiedlicher Rechtsspruch-Praxis in Deutschland gerade die „Verbreiterhaftung“, die der Bundesgerichtshof entwickelt hat – denn prinzipiell sind für den Inhalt von publizistischen Beiträgen alle Personen mitverantwortlich, die an deren Entstehung und Veröffentlichung mitgewirkt haben. Ein Beispiel dafür ist der legendäre Streit 2002 um die Haarfarbe des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder. Dieser setzte seinerzeit vor dem Hamburger Landgericht eine Unterlassungsverfügung gegen die Nachrichtenagentur ddp durch, die mit Zitaten aus der Friseur- und Imageberater-Zunft dem Gerücht Nahrung gegeben hatte (es „verbreitet“ hatte), Schröder lasse sich die Haare färben.
  4. Die Zeitung „Die Welt“ vom 23.11. schrieb wie viele andere mit Blick auf die Massenpanik in Kambodscha: „Ministerpräsident Hun Sen entschuldigte sich beim Volk für die größte Tragödie …“ (http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article11169161/Massenpanik-groesste-Tragoedie-seit-Pol-Pot.html, 24.11.2010, 13.21 Uhr). Bei aller asiatischen Höflichkeit des Premiers – das geht einfach nicht. Schon rein sprachlich. Was ginge?

1.) Frauen scheinen soziale Netzwerke wie vor allem Facebook und Youtube deutlich mehr als Männer zu nutzen. Laut dapd ergab eine Studie von Tomorrow Focus Media mit 1099 Teilnehmern im Oktober 2010, dass knapp 70 Prozent aller Netzwerker Nutzerinnen sind. Weniger überraschend, dass die Nutzerschaft überwiegend jung ist – die Unter-30-Jährigen machen mehr als 60 Prozent aus. Sagen die Befragten (vgl. BLZ 16.11.2010, S.30).

2.) Der Axel-Springer-Verlag, der sich laut Kress-Mediendienst 2010 auf wirtschaftlichem Rekordkurs befindet, will neue Messungen der Nutzerzahlen zur besseren Festlegung der Anzeigenpreise. Vorstandschef Mathias Döpfner sagte, ihn interessiere die „multimediale Reichweite einer Marke und ihrer Inhalte auf allen Plattformen.“ Darüber verhandele Springer mit der IVW, der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern. Springer strebe an, 2017 die Hälfte seiner Umsätze im digitalen Bereich zu erwirtschaften (vgl. BLZ 9.11.2010, S.26).

3.) Volker Lilienthal, seit 2009 Augstein-Stiftungsprofessor an der Universität Hamburg und einer der angesehensten investigativen Journalisten in Deutschland, sieht die wichtige „rezeptive“ Seite des Journalismus unter Druck (vgl. Freitag, 2.9.2010, S.15): Journalisten sollten zunächst fragen und zuhören, also mit verschiedenen relevanten Quellen reden können. Diese rezeptiven Anteile werden laut Lilienthal immer mehr verkürzt – „weil Mitarbeiter fehlen und weil das Produzieren wichtiger wird“. So müssen mittlerweile viele Journalisten gleich (in des Wortes doppelter Bedeutung) für mehrere Plattformen oder Kanäle produzieren. Andererseits wirken neben diesen vor allem betriebswirtschaftlichen Veränderungen auch technologische: Galten die Journalisten früher klar als Gate-Keeper, als Torwächter der gesellschaftlichen Themensetzung (des „Agenda Setting“), hat sich dieses Hierarchieverhältnis mit Blick auf das Publikum „umgedreht“ (so Lilienthal) oder doch zumindest eingeebnet (SeK). Allerdings springt auch Volker Lilienthal zu kurz, wenn er meint, unsere „Wertehierarchie“ stimme nun insofern nicht mehr, als wir Nutzer erwarteten, „dass journalistische Produkte, die Gehirnschmalz verlangen, bevor sie gut und genießbar sind, im Internet umsonst zu haben sein sollen.“

Denn journalistische Beiträge sind seit langem (spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts) durch ihren widersprüchlichen Doppelcharakter als Kulturgut und als Ware bestimmbar (worauf unter anderem Medienökonomen wie Klaus-Dieter Altmeppen oder Marie-Luise Kiefer hinweisen). Und deshalb sind journalistische Beiträge schon lange wesentlich „Werbeträger“. Das dürfte auch im Internet leidlich funktionieren, wenn zum Beispiel vor den von „Reuters“ für die Online-Seite der „Financial Times Deutschland“ produzierten aktuellen journalistischen AV-Bericht seitens der FTD ein Werbespot für eine Versicherung geschaltet wird. Das Problem liegt damit historisch und systematisch tiefer als auf der aktuellen Ebene technischer Digitalisierung – es geht um die Frage, ob Journalismus in demokratisch verfassten Gesellschaften primär selbst Zweck oder aber primär Mittel zu anderen Zwecken (Erwerb und Erhalt von Geld/Macht/Ansehen etc.) sein soll. Ökonomisierung und Digitalisierung machen diese Widersprüche sichtbarer, lassen sie drängender erscheinen als zu früheren Zeiten, da deutsche Tageszeitungen gut damit leben konnten, etwa zwei Drittel ihres Umsatzes durch Werbeflächenverkauf und nur den Rest durch Verkauf ihrer Inhalte an Leserinnen und Leser zu erzielen. Damit waren diese journalistischen Medien eben auch (zu etwa Dritteln) abhängig von der werbetreibenden Wirtschaft. Dass sich dies ändert, kann durchaus als Chance für unabhängigeren Journalismus begriffen werden: Wenn wir den Kulturgut-Aspekt des Journalismus – im Vergleich zum Waren-Aspekt – auf vielfältige Weise (wieder) stärken könnten.

4.) Die Info-Radio-Moderatorin (vom RBB) Sabine Porn sagte am 14.11. im Rahmen einer Diskussion zu Wirtschaftsfragen zu ihren Gesprächspartnern: „Lassen Sie uns nach Indien schauen, weil dort steht das Problem ganz massiv.“ Lassen Sie uns noch mal durchatmen und das ins Deutsche übersetzen, weil das ist wichtig! Weil der Fehler wird häufig gemacht!

  1. „Es wird zurechtgebogen und zurechtgestutzt, was der Gesinnung der eigenen Vorgesetzten nicht entspricht“. Das sagte der Tagesspiegel-Journalist und Wirtschaftsexperte Harald Schumann am Rande der Verleihung des Berliner Journalistenpreises „Der Lange Atem“ auch mit Blick auf sein früheres Medium, den „Spiegel“. Die mangelnde innere Pressefreiheit der Medien in Deutschland, also im Verhältnis der Journalisten zu den Eigentümern oder Vorgesetzten, sei ein gewaltiges Problem, das Aufklärung verhindere (http://jvbb-online.de/Preisverleihung-2010.2695.0.html vom 8.11.10, vgl. BLZ 5.11.10, S.30)
  2. Das Soziale Netzwerk MySpace wird nach eigenen Angaben zur Unterhaltungsplattform (Musik, Video). Experten sehen darin das Eingeständnis, dass der Rivale Facebook das Rennen um die Nutzerzahl gewonnen hat – dort ging man im Oktober 2010 von mehr als 500 Millionen Nutzern aus, bei MySpace von gut 110 Millionen. Studien in den USA weisen auf eine eher hellhäutige Facebook-Klientel mit höherer formaler Bildung hin, während sich bei MySpace mehr die Unterprivilegierten aus Minderheiten (Afroamericans, Hispanics) zu treffen scheinen. MySpace gehört dem umstrittenen Medien-Großunternehmer Rupert Murdoch und will seine Angebote nun auch mit denen von Facebook, Twitter und YouTube synchronisieren (vgl. BLZ vom 28.10.2010, S.34)
  3. Facebook ist klarer Weltmarktführer bei den sozialen Netzwerken, geriet aber jüngst wieder in die Schlagzeilen wegen etwaiger Sicherheitslücken: Offenbar können über Facebook auch Mail-Kontakte von Menschen herausgefunden werden, die bei dem Onlinedienst gar nicht angemeldet sind – Voraussetzung scheint nur die Kenntnis und Verwendung einer bestimmten Mailadresse, woraufhin Facebook zahlreiche Mailkontakte dieser Adresse preisgebe. Darauf wies die FAS bereits am 17.10.2010 hin. Die Ministerinnen für Verbraucherschutz und Justiz, Ilse Aigner (CSU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), kritisierten solche Praktiken (vgl. auch BLZ 18.10.2010, S.30). Insgesamt ist Facebook laut Medienwissenschaftlern wie Mathias Mertens ein Komplex aus bekannten Formen (Mail, Chat, Blog, Forum, Newsletter), die neu kombiniert werden und Aufmerksamkeit wecken (vgl. Freitag vom 7.10.2010, S.15). Netzwerke werden hier nicht aufgebaut, sondern aus schon bestehenden „realen“ Netzwerken eher „abgebaut“ – also in neuer Form übertragen ins Netz (Schulkameraden, Nachbarn, Freunde, Kollegen aus Vergangenheit und Gegenwart). Wesentliches Moment bei Facebook ist der schon von Denis Diderots Theater-Gemeinschaften bekannte „Treppenwitz“, also die verzögerte Schlagfertigkeit: Der witzige Kommentar ist die „Währung“ bei Facebook, welche gegenseitige Kenntnis der Teilnehmer voraussetzt. Die frühere Treppe Diderots im Anschluss an den Salon ist nun zeitlich verlängert, fast schon endlos geworden. Druckreife spielt hier kaum noch eine Rolle, es geht um Anschlussfähigkeit und Reaktionsfreude.
  4. Die beiden großen privatrechtlichen TV-Sendergruppen in Deutschland, RTL und ProSiebenSat.1, wollten ihre geplante gemeinsame Internetplattform „durch Werbung finanzieren“ (Reuters in BLZ, 27.10.2010, S.30), sprich: mittels journalistischer oder anderweitig unterhaltsamer Angebote Publika generieren, die an die Werbe-Industrie verkauft werden sollen. Dies ist das klassische massenmediale Modell von Medienunternehmen (Printmedien, privat-rechtliche Rundfunksender), in dem Journalismus nicht primärer Zweck ist, sondern vor allem ein Mittel, um zahlungskräftige und aufmerksame Konsumenten für Werbebotschaften zu versammeln. Tauschwert schlägt Gebrauchswert – was an konkreten (zum Beispiel journalistischen) inhaltlichen Angeboten erscheint, ist nicht so wichtig: Hauptsache, es wirkt und weckt die Aufmerksamkeit der werberelevanten Zielgruppe insbesondere der 14- bis 49-Jährigen. Das Bundeskartellamt wollte nach Hinweisen der EU-Kommission genau prüfen, ob der Wettbewerb auf den Märkten für Internet-Fernsehen und Internet-Werbung beeinträchtigt würde, käme es zur Gründung dieser Plattform, die kostenlos verschiedenste Sendungen und Formate bis zu sieben Tage nach der TV-Ausstrahlung anbieten wollte. Die Zeitschriftenverleger wiederum monierten (vgl. BLZ 3.11.2010), dass die Öffentlich-Rechtlichen online expandierten und damit die Pressevielfalt gefährdeten, gerade auf Basis der neuen Haushaltsabgabe. Den Anstalten ARD, ZDF und Deutschlandradio seien „Markt und Marktpreise egal“ (sic!). Dem ließe sich im Sinne der Vielfalt sicher entgegenhalten, dass „Markt und Marktpreise“ weder „egal“ noch „alles“ sein sollten.
  5. Im RBB-Inforadio lautete am 6.11.10 ein Satz der Meldung zum Castor-Transport: „Die Polizei rechnet mit einem friedlichen Verlauf der Proteste.“ Besser hätte es in der Pressemitteilung der Polizei als Schlagzeile – pardon: hier muss es „Überschrift“ heißen – auch nicht lauten können. Doch wie können wir den Sachverhalt journalistisch möglichst professionell ausdrücken? Und warum ist das wichtig?

  1. Der Fernseh-Sender RTL ist weiter auf quantitativem Erfolgskurs: Der Oktober 2010 wird dank Formaten wie „Supertalent“ und „Bauer sucht Frau“ als bisher erfolgreichster Monat in die Annalen des Kölner Senders eingehen. RTL darf sich bei der von der Werbeindustrie so genannten „werberelevanten“ Zielgruppe (14 bis 49 Jahre) über einen historischen Rekord-Marktanteil von 19,3% freuen. Im Jahrestrend bewegt sich der Sender derweil auf 18% zu, die er 2003 zuletzt übersprungen hatte. 2009 hatte es nur für 16,9% gereicht. Auch im Gesamtpublikum gibt RTL im Oktober den Ton an. Mit 14,8 % verweist RTL hier das ZDF (12,4%) und das Erste der ARD (11,9%) auf die Plätze. Sollten die Kölner ihren Höhenflug fortsetzen, könnten sie auch im Jahres-Gesamttrend erstmals seit 2003 wieder die öffentlich-rechtliche Konkurrenz schlagen. (Quelle: http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/107058-der-tv-markt-im-oktober-rtl-erreicht-historischen-marktanteilsrekord.html vom 1.11.2010, 8.58 Uhr)
  2. Die Bundesregierung hat ihren Gesetzesentwurf zum Thema „Journalisten und Geheimnisverrat“ einen Schritt voran- und nun in den Bundestag gebracht: Laut Bundestagspressestelle soll durch dieses Gesetz die Beihilfe zum Verrat von Dienstgeheimnissen nicht mehr strafbar sein, sofern sich Journalisten – gleichsam passiv – auf die „Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung“ des Geheimnisses oder der Nachricht beschränkten. Das Strafgesetzbuch soll in §353 anscheinend im Nachgang der Cicero-Affäre 2005 (als Staatsanwälte wegen des Verdachtes des Geheimnisverrates aus dem Bundeskriminalamt eine Zeitschriften-Redaktion durchsuchen ließen) und in Reaktion auf ein BVG-Urteil von 2007 nun zugunsten der Pressefreiheit verändert werden (Quelle KNA vom 28.10.2010, vgl. BLZ 29.10.2010, S.30).
  3. Der Deutsche Presserat rechnete für 2010 mit einem neuen Beschwerde-Rekord von 1600 Einsendungen (2009 waren es 1268). Das sagte Rats-Sprecher Bernd Hilder (Chefredakteur Leipziger Volkszeitung) laut dapd vom 28.10.2010. Am häufigsten waren Beschwerden wegen der Darstellung von Katastrophen-Opfern. Soziale Netzwerke wie Facebook, MySpace oder Twitter geraten von zwei Seiten in die Debatte: Nutzer senden sich Links für Online-Beschwerden zu, was laut Hilder einen Teil des Anstiegs erklärt. Andererseits nutzen Journalisten solche Netzwerke, um Fotos und andere Daten von Opfern zu finden und dann zu veröffentlichen. Das findet Hilder „bedenklich“. Allerdings bewegt sich die Zahl der Rügen (die strengste Form der Kritik nach Hinweisen und Missbilligungen) auf dem Niveau von 2009: Bisher gab es 2010 21 öffentliche und 7 nicht-öffentliche Rügen.
  4. Die Agentur dapd (vgl. BLZ vom 1.11.2010, S.17) meldete mit Blick auf eine anstehende Arbeitszeitangleichung im öffentlichen Dienst im Ost- und im Westteil Berlins, die unterschiedlichen Regelungen seien dann „überwunden“. Fakt ist: alle in Ost und West sollen bald im Schnitt 39 Stunden Vollzeit arbeiten. Allerdings hatten die im Osten bisher 40 Stunden, die im Westen bisher 38,5 Stunden zu arbeiten. Geht es also sachlicher, professioneller als mit „überwunden“? Was schwingt mit (was konnotiert) bei „überwinden“?

  1. Die Internet-Enthüllungsplattform „Wikileaks“ scheint unter Druck: Im August ermittelte die Polizei in Schweden gegen den Mit-Gründer Julian Assange wegen des Verdachtes sexueller Belästigung. Im September verließ der „zweite“ Mann von Wikileaks die Plattform, der bis dahin als „Daniel Schmitt“ bekannte Deutsche Daniel Domscheit-Berg, weitere Netzaktivisten folgten. Der Vorwurf des Deutschen: Assange benehme sich „wie eine Art Kaiser oder Sklavenhändler.“ Inhaltlich ging es vermutlich um Streit wegen einer für den 18.10.2010 geplanten weiteren großen Veröffentlichung von bislang geheimem US-Militärmaterial aus dem Irak-Krieg.(vgl. SZ vom 29.9., S.15, BLZ vom 30.9.2010, S.38). Kritiker warfen Assange vor, so viel Material in so kurzer Zeit kaum genau sichten zu können – und damit Menschenleben zu gefährden. Domscheit-Berg äußerte sich kurz darauf zur Problematik des Informantenschutzes: „Whistleblower“ sind Hinweisgeber, die auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machen wollen. In Deutschland existierte 2010 anders als in den USA oder GB kein gesetzlicher Schutz für Whistleblower. 2008 hatte es einen Gesetz-Entwurf zum besseren Informantenschutz gegeben, nach den Gammelfleischskandalen in Bayern. Doch nur bei Betreuung durch Journalisten gilt in Deutschland der Informantenschutz – so entsteht Abhängigkeit. Der Ex-Wikileaks-Mann Domscheit-Berg fordert deshalb: „Dem Whistleblower sollen alle Möglichkeiten offenstehen, und dafür braucht er einen gesetzlichen Schutz.“ Allerdings sind auch Internet-Plattformen wie Wikileaks auf mediale Aufmerksamkeit angewiesen. Deshalb sollen laut Domscheit-Berg viele, dezentral organisierte Gruppen von Plattformen das besser und weniger einseitig ermöglichen als bisher allein Wikileaks (vgl. BLZ 4.10.2010, S. 34)
  2. Auf dem Nachrichtenagenturen-Markt in Deutschland bewegt sich viel. Seit September versteht sich die neue, fusionierte Agentur DAPD als Vollanbieter (einschließlich AV und Sport), und ebenfalls ab September 2010 ist die dpa in Berlin ansässig, im Springer-Haus. dpa-Chef Wolfgang Büchner findet angesichts der Digitalisierung die persönliche Kommunikation wichtig, den Zuruf über den Tisch, den Blick über die Schulter („Schau dir das mal an“). Die persönliche Präsenz helfe gerade bei Breaking News, schnell und gut zu vermitteln (Loveparade). Ziel sei, die Kunden bei erstklassigen, unverwechselbaren und wirtschaftlich erfolgreichen Angeboten zu unterstützen: Man müsse in Themen (Trends und Tendenzen) und nicht in Terminen denken. Erklärstücke und Verbraucherservice werden immer wichtiger. Da sich die Informationen weiter beschleunigen, müsse professionell überprüft werden (vgl. BLZ 15.9.2010, S.30).
  3. Claudia Mast (Uni Hohenheim) hat nach 2002 und 2006 nun 2010 zum dritten Mal Printchefredakteure in Deutschland befragt: Dass das Internet die größte Herausforderung sei, meinten 10-49-66 Prozent. Nur noch 40 Prozent meinten 2010, es solle eine Sonntagsausgabe geben. 25 Prozent glauben nicht an eine Druck-Zukunft für die nächsten zehn bis 20 Jahre, 47 Prozent hingegen doch. Mast betont die Orientierungsfunktion des Printjournalismus und das Problem, ob die Leser tatsächlich nur Konsumenten sein wollen und nicht auch Staatsbürger oder Entscheider. Sie sieht angesichts der Ökonomisierung einen Drei-Klassenjournalismus: Redakteure und Autoren in den Redaktionen sowie „das Heer an freien Journalisten, die um Aufträge ringen“ (BLZ 20.9.2010, S.30)
  4. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 1.10. auf der Seite Eins ihrer Deutschland-Ausgabe neben einem Foto zu „Stuttgart 21“ unter der Überschrift „Gewalt in Stuttgart“: „(…) Die Polizei rechnete mit weiteren Ausschreitungen (…).“ Das liest sich wie brav mit Copy und Paste aus einer Presserklärung der Polizei übernommen. Hat aber leider wenig mit Journalismus zu tun. Wie ließe es sich journalistisch professioneller formulieren?

  1. Die Rundfunkgebühr ist tot, es lebe die Haushaltsabgabe: Am 15.12.2010 soll nach der Ratifizierung durch die 16 deutschen Landesparlamente der neue Rundfunkänderungssstaatsvertra<wbr></wbr>g unterschrieben werden, mit dem wichtigsten Punkt: Ab 2013, ab der neuen Gebührenperiode, wird eine Haushaltsabgabe die bisherige Rundfunkgebühr ablösen. Das Modell soll laut den Regierungschefs der Länder aufkommensneutral sein, sowohl für die Sender als auch für die mehr als 40 Millionen registrierten normalen Nutzer. Der Beitrag bleibt daher monatlich der gleiche wie bisher, 17,98 Euro, nun allerdings pro Haushalt und nicht mehr pro vorhandener empfangsbereiter Geräte. Protest kommt vor allem von Unternehmerverbänden, denn die befürchten erklärtermaßen eine Verdoppelung ihres Anteils, der bisher bei etwa sechs Prozent des Gebührenkuchens liegt. Denn neu ist, dass künftig Unternehmer mehr zahlen sollen, und zwar mitarbeiterabhängig für jede ihrer Betriebsstätten. Allerdings wären auch das „nur“ ca. weitere 350 Millionen Euro vom gesamten Abgabenkuchen, der sich für die Empfänger (ARD,ZDF, Deutschlandradio und die Landesmedienanstalten) weiterhin auf jährlich gut sieben Milliarden Euro belaufen soll (Quelle BLZ 22.10., S.34).
  2. Auch die britische BBC, ein Flaggschiff öffentlichen Rundfunks weltweit, steht vor dramatischen Kürzungen: Die Regierung von Konservativen und Liberalen in London hat Mitte Oktober verfügt, dass die BBC bis 2016 auf jeweils 16 Prozent ihrer jährlichen Einnahmen verzichten muss – das heißt unter anderem, dass die BBC in Berlin-Brandenburg auf die deutlich billigere UKW-Lizenz 94,8 Megahertz wechselt, wie die dortige Landesmedienanstalt MABB am 12.10. entschied (Quelle: http://www.digitalfernsehen.de/Keine-Frequenz-fuer-Radio-Paradiso-BBC-darf-in-Berlin-wechseln.40212.0.html vom 24.10., 18.10 Uhr)
  3. Im Info-Radio sagte der Sportreporter am 22.10 um 19.55 Uhr, „das Spiel der Eisbären ist optisch zwar gut anzusehen …“. Akustisch war die Reportage auch ganz gut anzuhören – wenn wir von gewissen sinnfreien Doppelungen (Tautologien oder Pleonasmen wie „Weißer Schimmel“) einmal absehen.