Von Sebastian Köhler
Burda-Vorstandschef Paul-Bernhard Kallen hat sich erneut für ein „anderes Journalismusverständnis“ ausgesprochen, im aktuellen Interview mit der „Zeit“ (http://meedia.de/internet/kallen-schreiben-wird-an-bedeutung-verlieren/2013/11/27.html, Aufruf am 27.11.2013, 20.39 Uhr). Der 56-jährige Manager fordert, die Termini „Content“ und „Journalismus“ sehr viel breiter zu interpretieren als bisher. So könnten für Kunden auch Produktbeschreibungen wertvoller Content sein. Das „Kuratieren von Inhalten“, also das Betreuen von tendenziell auftragskommunikativen Beiträgen im Sinne von Planen, Beauftragen, Redigieren, werde wichtiger für Journalisten oder eben Contentmanager als das eigene Produzieren. Dass Kallen von Produktbeschreibungen spricht, kommt nicht von ungefähr. Burda ist auf dem Weg, sich vom Verlag zu einem Handelsunternehmen zu wandeln. 2012 war der Umsatz um knapp 13 Prozent auf ca. 2,5 Mrd. Euro gestiegen. Der Gewinn lag anscheinend im dreistelligen Mio-Bereich – genau teilt das Familien-Unternehmen dies nicht mit. Schon 2012 machten Handelsumsätze 35% der Erlöse aus. Bei der jüngsten Jahresbilanz prägte Kallen den Begriff der “Content- und Handelskonvergenz”. Handelsunternehmen würden immer stärker wie Medienunternehmen auftreten, also müssten sich Medienhäuser auch zu Handelsunternehmen wandeln – als Vorbild scheint Kallen hier vor allem „Amazon“ zu gelten.
„Unabhängiger Journalismus und E-Commerce dürften sich beliebig nahe kommen, solange es neben der journalistischen Auseinandersetzung mit einem Produkt die Möglichkeit gibt, aus einer großen Auswahl zu kaufen.“ Neutralität gehe dabei nicht verloren. Kallen stellte klar, dass der Konzern „heute vor allem durch seine Onlinebeteiligungen“ wachse. „Sie stehen inzwischen für rund 50 Prozent vom Umsatz.“ Einen großen Anteil daran dürfte der Haustierbedarf Zooplus haben, an dem Burda die Mehrheit hält. Der Onlineversand setzte im vergangenen Jahr knapp 340 Mio. Euro um. Die Netz-Nutzer erscheinen Kallen daher vor allem als „Consumer“, gerne mit angeschlossenem Haustier. Und denen dürften auftrags-kommunikative Content-Manager am besten entgegenkommen. Wer bräuchte dann noch wozu Journalisten? Wenn allerdings an möglichst aktueller, authentischer und autonomer Orientierung für persönliche, gemeinschaftliche und gesellschaftliche Kommunikation doch Bedarf besteht, sollte der sich (auch) andere Ressourcen suchen als bisher, andere denn vor allem als journalistische Schaufenster multi-konvergenter Universal-Konzerne.
2.) Sprachkritisch geht es heute um die „Schlagzeile des Jahres“. „Bild“ wurde dafür 2013 vom Verein Deutsche Sprache geadelt (seit 2010 gibt es den Preis, bisher ging er an „Zeit“, „taz“ und „stern“): „Yes, we scan!“ ist die Schlagzeile dieses Jahres. Ein Klassiker der Ansprechhaltung aus der Reihe „An Bekanntes anknüpfen und diesem dann eine neue und bedeutsame Seite abgewinnen“. Die Schlagzeile erschien in „Bild“ vom 10. Juni. „Besser als jeder Leitartikel fassen diese drei Worte die Enttäuschung vieler Europäer über die Überwachungsmanie der Obama-Regierung zusammen“, so der Jurysprecher und Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache Walter Krämer. Auch Platz zwei ging an „Bild“ – für „Wir gegen uns“, vom 24. Mai, eine Vorschau auf das Champions- League-Finale München gegen Dortmund. Allerdings scheint die Bild-Originalität von „Yes, we scan“ umstritten – René Walter, Betreiber des Weblogs „Nerdcore“, hält die Auszeichnung der „Bild“ für „unwürdig“ und wünscht sich eine Rücknahme. Laut Walter ist die Schlagzeile nicht von „Bild“ formuliert, sondern aus Online-Medien entnommen. Zuerst tauchte ihm zufolge die Formulierung in Foren bei Spiegel Online und bei Netzpolitik.org auf, weltweite Beachtung habe sie sie dann in Form seines Plakat-Remixes gefunden, den er am bereits am 8.6. (zwei Tage vor „Bild“) online gestellt habe. „Copy and win“ wäre dann eine, allerdings nicht ganz so originelle, Zwischen-Überschrift.