1. Die Internet-Enthüllungsplattform „Wikileaks“ scheint unter Druck: Im August ermittelte die Polizei in Schweden gegen den Mit-Gründer Julian Assange wegen des Verdachtes sexueller Belästigung. Im September verließ der „zweite“ Mann von Wikileaks die Plattform, der bis dahin als „Daniel Schmitt“ bekannte Deutsche Daniel Domscheit-Berg, weitere Netzaktivisten folgten. Der Vorwurf des Deutschen: Assange benehme sich „wie eine Art Kaiser oder Sklavenhändler.“ Inhaltlich ging es vermutlich um Streit wegen einer für den 18.10.2010 geplanten weiteren großen Veröffentlichung von bislang geheimem US-Militärmaterial aus dem Irak-Krieg.(vgl. SZ vom 29.9., S.15, BLZ vom 30.9.2010, S.38). Kritiker warfen Assange vor, so viel Material in so kurzer Zeit kaum genau sichten zu können – und damit Menschenleben zu gefährden. Domscheit-Berg äußerte sich kurz darauf zur Problematik des Informantenschutzes: „Whistleblower“ sind Hinweisgeber, die auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machen wollen. In Deutschland existierte 2010 anders als in den USA oder GB kein gesetzlicher Schutz für Whistleblower. 2008 hatte es einen Gesetz-Entwurf zum besseren Informantenschutz gegeben, nach den Gammelfleischskandalen in Bayern. Doch nur bei Betreuung durch Journalisten gilt in Deutschland der Informantenschutz – so entsteht Abhängigkeit. Der Ex-Wikileaks-Mann Domscheit-Berg fordert deshalb: „Dem Whistleblower sollen alle Möglichkeiten offenstehen, und dafür braucht er einen gesetzlichen Schutz.“ Allerdings sind auch Internet-Plattformen wie Wikileaks auf mediale Aufmerksamkeit angewiesen. Deshalb sollen laut Domscheit-Berg viele, dezentral organisierte Gruppen von Plattformen das besser und weniger einseitig ermöglichen als bisher allein Wikileaks (vgl. BLZ 4.10.2010, S. 34)
  2. Auf dem Nachrichtenagenturen-Markt in Deutschland bewegt sich viel. Seit September versteht sich die neue, fusionierte Agentur DAPD als Vollanbieter (einschließlich AV und Sport), und ebenfalls ab September 2010 ist die dpa in Berlin ansässig, im Springer-Haus. dpa-Chef Wolfgang Büchner findet angesichts der Digitalisierung die persönliche Kommunikation wichtig, den Zuruf über den Tisch, den Blick über die Schulter („Schau dir das mal an“). Die persönliche Präsenz helfe gerade bei Breaking News, schnell und gut zu vermitteln (Loveparade). Ziel sei, die Kunden bei erstklassigen, unverwechselbaren und wirtschaftlich erfolgreichen Angeboten zu unterstützen: Man müsse in Themen (Trends und Tendenzen) und nicht in Terminen denken. Erklärstücke und Verbraucherservice werden immer wichtiger. Da sich die Informationen weiter beschleunigen, müsse professionell überprüft werden (vgl. BLZ 15.9.2010, S.30).
  3. Claudia Mast (Uni Hohenheim) hat nach 2002 und 2006 nun 2010 zum dritten Mal Printchefredakteure in Deutschland befragt: Dass das Internet die größte Herausforderung sei, meinten 10-49-66 Prozent. Nur noch 40 Prozent meinten 2010, es solle eine Sonntagsausgabe geben. 25 Prozent glauben nicht an eine Druck-Zukunft für die nächsten zehn bis 20 Jahre, 47 Prozent hingegen doch. Mast betont die Orientierungsfunktion des Printjournalismus und das Problem, ob die Leser tatsächlich nur Konsumenten sein wollen und nicht auch Staatsbürger oder Entscheider. Sie sieht angesichts der Ökonomisierung einen Drei-Klassenjournalismus: Redakteure und Autoren in den Redaktionen sowie „das Heer an freien Journalisten, die um Aufträge ringen“ (BLZ 20.9.2010, S.30)
  4. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 1.10. auf der Seite Eins ihrer Deutschland-Ausgabe neben einem Foto zu „Stuttgart 21“ unter der Überschrift „Gewalt in Stuttgart“: „(…) Die Polizei rechnete mit weiteren Ausschreitungen (…).“ Das liest sich wie brav mit Copy und Paste aus einer Presserklärung der Polizei übernommen. Hat aber leider wenig mit Journalismus zu tun. Wie ließe es sich journalistisch professioneller formulieren?

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