Medienfreiheit – und was für ein Liberaler?

1.) Die „Reporter ohne Grenzen“ haben ihren aktuellen Report vorgestellt. Deutschland bleibt demnach auf Rang 16 der 180 gelisteten Staaten und somit im Mittelfeld der EU-Staaten, was die Freiheit journalistischer Medien („Pressefreiheit“) angeht.

Hier geht es zur Seite von ROG, Aufruf am 26.4.2017, 13.15 Uhr.

Aus Sicht von RoG sind die wichtigsten Probleme für journalistiche Freiheit hierzulande:

1. Anfeindungen, Drohungen und Gewalt gegen Journalisten
2. Im Visier von Justiz und Geheimdiensten: Journalisten und ihre Informanten
3. Daten sammeln, Whistleblower abschrecken: der rechtliche Rahmen
4. Harter Kampf um Informationen von öffentlichen Stellen
5. Medien im Strukturwandel: abnehmende Vielfalt, zunehmende Schleichwerbung
6. Versuche politischer Einflussnahme und Ausschluss unliebsamer Journalisten

Auf den Plätzen eins bis vier liegen die skandinavischen Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Dänemark. Frankreich ist 39., Großbritannien 40, und die USA rangieren hier auf Platz 44. Russland wird auf Rang 148 notiert und damit sieben Plätze vor NATO-Mitglied Türkei. China ist 176., und last but least Nordkorea als Schlusslicht auf Platz 180.

Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“, mit Sitz in Frankreich, gibt es seit 1985. Sie versteht sich als Nichtregierungsorganisation. Kritiker bemängeln unter anderem etwaige finanzielle Beziehungen zu US-Behörden wie dem Außenministerium in Washington (https://www.heise.de/tp/features/Reporter-ohne-Grenzen-im-Dienste-des-US-Aussenministeriums-3400875.html, Aufruf 26.4.2017, 13.28 Uhr).

2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Emmanuel Macron war in den vergangenen Tagen in wichtigen deutschen Medien vor allem zweierlei: „pro-europäisch“ und „parteilos“ bzw. „parteiunabhängig“.(siehe unter anderem in der ARD-Mediathek die Audiodatei http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2017/04/20/parteilos_und_proeuropaeisch_wird_macron_neuer_praesident_drk_20170420_1830_385da835.mp3, Aufruf 26.4.2017, 12.27 Uhr).

Oder hier beim Spiegel-Ableger für Jugendliche, bento (Aufruf 26.4.2017, 12.32 Uhr)

a.) „Pro-europäisch“ klingt natürlich super, sollte aber besser heißen: „Pro-EU“ (super kurz) oder „EU-freundlich“ (auch noch kurz). Denn „Europa“ ist ein großer Kontinent, mit ca. 750 Millionen dort lebenden Europäern – von denen nach dem Brexit dann etwa noch etwa 450 Millionen EU-Bürger sein werden. Norwegen, Schweiz, Island, aber auch weite Gebiete Osteuropas gehören nicht zur Europäischen Union. Kann man glatt vergessen?
b) „Parteilos“ oder „parteiunabhängig“ klingt auch super, stimmt aber einfach nicht, denn „En marche!“ ist laut eigener Webseite (https://en-marche.fr/, Aufruf 26.4.2017, 12.45 Uhr) eine Partei, die am 6.April 2016 gegründet wurde in seiner Geburtsstadt Amiens von wem? Von Emmanuel Macron! Dass sich diese Partei als ganz neuartige „Bewegung“ präsentiert, kann ihr keiner vorwerfen. Wohl aber vielen Journalisten ihr Kopieren von PR-Sprech.
3.) Womit wir beim „Liberalen“ wären, der sodann jüngst fast einheitlich sogar zum „Sozialliberalen“ wurde. Klingt ebenfalls super – wer aber ein wenig Programm und Hintergründe von Emmanuel Macron und der ihn stützenden Bewegung kennt, sollte zu der sachlichen Bezeichnung „Wirtschaftsliberaler“ kommen. Und wer es kritisch meint, kann sicher auch ganz faktisch „Neoliberaler“ sagen.

Womit ich nicht gesagt haben möchte, dass ich hoffte, seine Kontrahentin würde die Präsidentschaft in Frankreich erobern. Dennoch sollten wir, ganz im Sinn des großen Franzosen Pierre Bourdieu, die „feinen Unterschiede“ gerade im „Feld des Journalismus“ bitte nicht noch mehr einschleifen lassen.

Ressourcen für Journalismus – auch für die feinen Unterschiede zwischen „drohen“ und „warnen“

1.) Journalismus als moderne Erscheinung dürfte meist beides (gewesen) sein – Ware und Kulturgut. Oft war oder ist er vor allem Mittel zum Zweck, zahlkräftige Publika (mit-) zu beschaffen, für Werbe-, PR- oder Marketingbotschaften, oder auch für politische bzw. anderweitige Propaganda. Doch diese tradierten Bindungen sind längst prekär, und die Suche nach neuen (Wegen zu alten) Ressourcen läuft auf Hochtouren. Ich finde dieses Suchen auch deshalb wichtig, weil Journalismus bei allen Risiken vielleicht mehr denn je Chancen hat, selbst zum Zweck zu werden, als nicht zuletzt Mittel zu Zwecken wie Geld- oder Machterwerb zu bleiben.
Welche Wege werden sichtbar, um Ressourcen für Journalismus zu gewinnen?
Zunächst zu Varianten von marktgängigem Journalismus: Die bekannte Querfinanzierung über Werbemärkte bleibt weiterhin ein Weg. Siehe die Werbevideos vor journalistischen Videos auf Webseiten etc. (vgl. auch Matthias Kurp: Die Finanzierungslücke. In: MenschenMachenMedien, Berlin, Heft 1/2016, Seite 6ff.). Im Netz wird längst versucht, Inhalte direkter zu verwerten. Mit „closed paywalls“ oder mit Mischsystemen für Paid Content, hierbei mit „Freemium“-Modellen (nur ein Teil des Gesamtangebotes ist gratis nutzbar) oder auch mit „Metered Models“, bei denen eine bestimmte Anzahl von Beitragen frei nutzbar ist.
Inwiefern sollten Redaktionen mit großen Intermediären wie Facebook und Google zusammenarbeiten? Wichtige Verlage (SPON, SZ, FAZ, ZEIT etc.) beteiligten sich an der „Digital News Initiative“ von Google, um an Geld und Know How zu kommen. Der Springer-Verlag entwickelte mit Samsung die Nachrichtenapp Upday.
Facebook hatte mit seinen „Instant Articles“ ein Erfolgsrezept für sich gefunden: Nutzer konnten auf der Plattform bleiben und Beiträge von Bild oder Spiegel dort lesen. Google und Apple entwickelten Ähnliches – sie alle lockten die Verlage mit größerer Reichweite, Werbeeinahmen und Nutzerdaten. Problem dabei: Die Intermediäre bauen ihren Stellungen aus.
Springer und New York Times investierten Millionen, um am Digital-Kiosk Blendle beteiligt zu sein. Diese Kioske wie auch Pocketstory oder Newscase hießen nun News-Aggregatoren – es ging um entbündelte Vermarktung einzelner Beiträge. Problem hier: Häppchen-Journalismus statt Vielfalt.
„Social publishing“ schien ein weiterer Weg: werbefinanzierte Online-Angebote nach dem Vorbild von BuzzFeed. 2015 hatten u.a. Zeit (ze.tt), Spiegel (bento) und Bild (BYou) neue Portale für junge Nutzer gestartet. Bunte Geschichten, auch in Verbindung mit „Native Advertising“, also Werbung, die wie redaktioneller Inhalt wirkt. Nutzer sollten per App oder Social Media noch personalisierter angesprochen werden.
Journalismus gilt weiterhin als „meritorisches Gut“: die zahlungskräftige Nachfrage privater Nutzer bleibt hinter dem sozial erwünschten Ausmaß in demokratisch verfassten, wirtschaftlich kapitalistischen Gesellschaften zurück.
Was tun? Aus den USA sind Stiftungsmodelle bekannt. Wichtiges Beispiel war die gemeinnützige Organisation ProPublica, die vom Milliardär Herbert M. Sandler finanziell gestartet wurde. Auch in Deutschland gab es 2016 Ansätze für Stiftungen, allerdings mehr aus der Politik, u.a. in NRW und Hessen. Problem hier: eher Zusatz- als Grundversorgung.
Die Gesellschaft könnte Journalismus noch mehr fördern, direkt durch finanzielle Zuwendungen oder indirekt durch Steuernachlässe. Forscher wie Marie-Luise Kiefer entwickelten Modelle in Richtung möglichst markt- und machtferner Selbstorganisation von Journalisten, die auch selbst über die genauen Bedarfe und die Ressourcenaufteilung entscheiden sollten. Problem: Schnell wird der Staat als Machtapparat wirksam (siehe die Abhängígkeiten der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland).
Alternativer Vorschlag hier: Journalismus sei gemeinnützig und somit von Abgaben zu befreien. 2014 wurde Deutschlands erstes gemeinnütziges Recherchebüro gestartet – Correctiv. Der Redaktion standen für die ersten drei Jahre von der Brost-Stiftung drei Millionen Euro zur Verfügung. Andere Stifter und Spender kamen hinzu, der Milliardär George Soros spendete im April 2017 100.000 Euro an Correctiv – Perspektive soll sein, dass aus dem Stiftungs- ein Community-Modell wird.
Gemeinschaftsmodelle per Mitgliedschaft wie „Crowdfunding“ versuchen auch Medien wie Krautreporter, Prenzlauer-Berg-Nachrichten oder der Guardian: Im Jahr 2015 führte der Guardian ein Mitgliedsschaftssystem ein. Unterstützer zahlten 5 £ im Monat, Partner 15 £ und Patrone 60 £ im Monat. Sie sollten profitieren durch Vorteile wie Vorrang bei Buchungen und Rabatte bei Veranstaltungen. Im Februar 2017 gab es 200.000 Unterstützer, der Guardian strebte bis zum Jahr 2019 an, diese auf eine Million zu erhöhen. Dadurch solle eine Paywall vermieden werden.
Auch Genossenschaften sind ein ähnliches Modell: Die „taz“ und die „junge Welt“ in Berlin haben als Tageszeitungen Genossenschaften im Rücken – die taz mit ca. 15.000 Mitgliedern, die jW mit mehr als 2000 Mitgliedern, mit jeweils 500 Euro pro Anteil.
Insgesamt zeigen sich hier viele, ja vielfältige Möglichkeiten, um Ressourcen für Journalismus zu erschließen – wenn wir sie nur entdecken und entfalten (können) und nicht von Markt- oder Machtfetischisten daran gehindert werden.

2.) Zur Sprach- und Stilkritik: Die Rheinische Post schrieb wie viele andere: „Nordkorea droht trotz Warnung der USA mit „wöchentlichen“ Raketen-Tests“ (http://www.rp-online.de/politik/ausland/nordkorea-droht-trotz-warnung-der-usa-mit-woechentlichen-raketen-tests-aid-1.6761407, Aufruf am 18.4.2017, 19.57 Uhr). Die einen drohen, die anderen warnen. Dem jüngst verstorbenen Publizisten Eckart Spoo (1936 bis 2016) verdanke ich den Hinweis, hier genauer hinzuschauen. Denn in der Sache meinen die beiden Verben Ähnliches: Ich fordere jemanden auf, etwas mir Unpassendes nicht zu tun. Falls doch, würde ich dieses Verhalten bestrafen. Freilich macht auch hier der Ton die Musik: „warnen“ klingt neutral bis positiv, „drohen“ hingegen klar negativ. Und sieh einer an – die „Guten“ warnen, und die Bösen „drohen“. Sprache sagt über die Sprechenden anscheinend mindestens so viel aus wie über das Besprochene.

Fake oder Fakt, hätte oder habe?

Fake News sind kein neues Phänomen. Georg Mascolo, Leiter des gemeinsamen Rechercheteams von SZ, NDR und WDR, verweist auf Desinformationskampagnen der DDR-Staatssicherheit (http://www.sueddeutsche.de/medien/journalismus-fuenf-vorschlaege-fuer-den-umgang-mit-fake-news-1.3413492, Aufruf 29.3.2017, 11.30 Uhr). Mir fallen Kampagnen von 1990 und 2003 ein, als Anlass und Legimation für US-geführte Kriege jeweils gegen den Irak. 1990 war es die „Brutkastenlüge“, es ging um angebliche Tötungen von Säuglingen aus kuwaitischen Brutkästen durch irakische Soldaten (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Brutkastenl%C3%BCge, Aufruf 29.3.2017, 12.08 Uhr), 2003 dann die „Massenvernichtungswaffen-Lüge“ durch US-Außenminister Colin Powell (http://www.deutschlandradiokultur.de/auf-luegen-gebaut.932.de.html?dram:article_id=236068, Aufruf am 29.3.2017, 12.11 Uhr), als der vor den Vereinten Nationen behauptete, die irakische Führung könne binnen kurzer Zeit schlimmste Waffen einsetzen. Hätten das jeweils wichtige, einflussreiche Medien (besser) wissen können, ja müssen? Es ging doch um nicht weniger als direkt um Fragen von Krieg und Frieden ….

Mascolo machte im Frühjahr 2017 fünf Vorschläge, wie man mit einem alten Phänomen in neuen Zeiten von Facebook, Twitter, Snapchat & Co. umgehen könnte.

1. Desinformation und Fake News als enge Verwandte betrachten

Desinformation wie Fake News meine die gezielten Verbreitungen unzutreffender Informationen.
Sie müssten nicht nur objektiv falsch sein, der Urheber müsse dies auch wissen. Eine bewusste Lüge also. Sie könnten völlig erfunden sein oder durch Auslassungen und Verkürzungen einen bewusst falschen Eindruck erwecken.

Doch verkürzen und vereinfachen Journalisten (insofern wie alle Menschen) nicht immer? Können wir die „ganze Wahrheit“, die „vollständige Realität“ vermitteln? Viel wichtiger erscheint mir weiterhin bestmögliche Objektivierung als offener, als öffentlicher Prozess. Bestimmt durch intersubjektiv überprüfbare Außenreferenz, durch Transparenz (nicht zuletzt der eigenen Interessen und damit Beschränkungen) sowie durch Vielfalt der Themen, Quellen und Darstellungsformen (Stichwort Perspektivenwechsel). Es könnte ja sein, dass „die Anderen“ recht haben.

Mascolo zufolge ist das Mittel gegen Fake News ein Journalismus, der sich der stetigen Beschleunigung entziehe, nach höchsten handwerklichen und ethischen Standards strebe und seine Fehler gegenüber dem Publikum transparent korrigiere. Hilfreich seien auch schnelle Reaktionen von offiziellen Stellen, die Übles und Erfundenes z.B. auf Twitter sofort richtigstellten. Und eine Verpflichtung „der Betreiber“, Ehrenrühriges und Verleumderisches aus dem Netz zu entfernen.

Irrtümer, falsche Einschätzungen, Übertreibungen oder schlechter Journalismus seien noch keine Fake News. Nur wenn Journalisten trotz späteren besseren Wissens erkannte Fehler nicht korrigierten, werde aus einem Irrtum eine Lüge. Journalismus lebe von sorgfältiger Abwägung und doppelter Überprüfung, Vereinfachung ist auch laut Mascolo notwendig, dürfe aber „die Substanz“ nicht verändern (aber wie gesagt: wenn es so einfach wäre, „die Substanz“ immer schon zu kennen – zumal global und intergenerationell, also in Raum und Zeit hinaus möglichst nachhaltig). Die ungeheure Beschleunigung durch ständige Live-Berichterstattung und das Internet jedenfalls ist offenbar riskant.

2. Vorhandene Beweise öffentlich machen

Angesichts von Debatten über etwaige Hacker-Attacken sollten, meint Mascolo, vorhandene Beweise, wo immer sie existierten, öffentlich gemacht werden. „Maximale Transparenz wäre wichtig“, habe dazu etwa Wolfgang Ischinger gesagt, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz. Die Diskussion kranke an zu vielen Behauptungen und zu wenigen Belegen. Auch Mascolo schreibt, Propaganda-Verdacht gegen die russische Führung sei keine „Smoking Gun“, also kein Beweis dafür, dass der Kreml die AfD groß machen oder Kanzlerin Merkel stürzen wolle. Mutmaßliche Hacker-Angriffe ließen sich schwer zurückverfolgen, wer dahinterstecke, werde auch mithilfe einer sogenannten „geopolitischen Cui-bono-Analyse“ zugeordnet. Wem es nutze, der sei es wohl gewesen. Das könne, aber müsse nicht zutreffend sein.

In der Tat sollte meines Erachtens diese Frage „Cui bono?“ (wieder) öfter gestellt werden. Weil sie helfen kann, Interessen zu thematisieren, und zum Beispiel naive „Gut-Böse“-Glaubensbekenntnisse relativieren mag.

3. Vorsicht, sich nicht als Handlanger einspannen zu lassen

In den USA spreche man vom Phänomen der „weaponizing leaks“, also davon, echte Informationen in eine Waffe umzuwandeln. Beliebt seien hierfür abgehörte Telefonate, ein Gespräch der US-Diplomatin Victoria Nuland („Fuck the EU“) gelte als einer der ersten Fälle. Zweifel an der Authentizität habe es nicht gegeben.

Klar scheint: Dass Informanten versuchen, Journalisten für ihre eigenen Zwecke einzuspannen, ist nicht neu. Aufgabe von Journalismus ist es, zu publizieren, was im öffentlichen Interesse liegt (und nur das) und nicht das Geschäft ihrer Quellen zu betreiben. Das ist manchmal ein schwieriger Prozess der Abwägung. Und ich ergänze: das „öffentliche Interesse“ erscheint mir als ein ähnlich vertracktes Ding wie „die Wahrheit“ oder Mascolos „die Substanz“. Ohne Leaks gibt es jedenfalls laut Mascolo keinen Journalismus, zumindest keinen guten. Geheimnisbruch gehöre dazu, Enthüllungen wie die Panama Papers trben notwendige gesellschaftliche Debatten voran. Auch würden oft die angeblich schädlichen Konsequenzen von Leaks übertrieben.

4. Es braucht Regeln für Staaten

Bei den Vereinten Nationen werde nach solchen Regeln gesucht, man nenne es dort „Tischmanieren für Staaten“. Dass der Cyberspace militärisch entdeckt, entwickelt und genutzt wurde, bevor er eine Technologie für Viele wurde, mache dies nicht einfacher. Die ersten Computer seien entwickelt worden, um Codes zu knacken. Zu den Möglichkeiten des Abhörens sei das gezielte Manipulieren und Zerstören getreten. All das wollten Geheimdienste nicht aufgeben, „sie werden sich gegen Regeln sperren. Oder nur solchen zustimmen, an die sich dann doch nicht halten.“ Aber ohne Regeln drohe enormer Schaden.

Ich denke, es müssen dafür gemeinsame Interessen gefunden werden, denen entsprechend solche Regeln und ihre Einhaltung sinnvoll wären. Darauf deutet allerdings angesichts wachsender Konfrontationen auf der Erde derzeit wenig hin. Andererseits liegen hier große Aufgaben für aufklärerischen Journalismus.

5. Journalisten sollten cool bleiben

Mascolo meint, aktive Maßnahmen der Geheimdienste müssten geheim bleiben, um erfolgreich zu sein. Werde allerdings bewiesen, „dass Russland in die US-Wahlen eingriff, könnte das Ergebnis verheerend sein. Ein empörter Kongress, eine wütende Öffentlichkeit, Trump wäre wohl gezwungen, auf Konfrontationskurs zu Moskau zu gehen.“ Anscheinend wäre das aus Sicht von Mascolo etwas Positives, denn er schreibt, Strobe Talbott, einer der besten US-amerikanischen Russlandkenner, spekuliere schon auf eine „heilsame Gegenreaktion“.

Mascolo zufolge wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass „die Demokratie“ (in den USA oder in Deutschland?) eine Menge aushalte und sich zu wehren wisse. Die Deutschen jedenfalls wüssten das: „Kein Land war einem solchen Bombardement von Fake News und Desinformation ausgesetzt wie die alte Bundesrepublik, dafür sorgten die Stasi-Offiziere in Berlin-Lichtenberg.“ Eine gewagte Aussage: denn bisher sind ja nur die Akten der Stasi weitgehend komplett bekannt. Welche „aktiven Maßnahmen“ (siehe oben) NSA und CIA, MI5 und BND etc. damals durchführten und heute durchführen – muss das „geheim bleiben“, oder sollte nicht gerade Aufklärung darüber im öffentlichen Interesse von demokratisch verfassten Gesellschaften sein?

2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Der RBB meldete jüngst (http://www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/01/staatssekretaer-andrej-holm-tritt-zurueck.html, Aufruf 16.1.2017, 17.16 Uhr):

„Andrej Holm wirft seinen Kritikern in seiner Rücktrittserklärung vor, es gehe nicht nur um seine Zeit bei der Stasi; sondern „vor allem um die Angst vor einer Wende im Bereich der Stadt- und Wohnungspolitik“. Er hätte sich nicht nur in den letzten Wochen bemüht, offen und selbstkritisch mit seiner Biografie umzugehen.“

Der Verbmodus im letzten Satz ist fragwürdig: „hätte“ ist Konjunktiv II und meint maximale Distanzierung. Hier ist aber der Konjunktiv I angebracht, „er habe sich …. bemüht“, als neutrale Wiedergabe einer Äußerung. Es sei denn, der Beitrag wäre als Kommentar oder Glosse gegen Holm gerichtet und gemeint. Was merkwürdig wäre ….