Von Sebastian Köhler
Gute Nacht, TV? Oder zumindest Journalismus im TV oder auch TV mit Anspruch? Was und wie sehen Jugendliche? ZDF-Ankermann Claus Kleber, der in jüngster Zeit manche nicht unbeträchtliche Panne zu verantworten hatte, äußerte sich wie viele andere Fernseh-Prominente in der vergangenen Ausgabe der „Zeit“ (vgl. http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/121381-claus-kleber-im-zeit-interview-tagesschau-hat-sich-ueberlebt.html. Aufruf am 29.5. 2013,16.30 Uhr). Der Moderator vom „heute-journal“ sagte, er sehe die Zukunft der „Tagesschau“ skeptisch: „Ich glaube, dass sich dieses Konzept gerade überlebt. Weil das, was diese Art von Nachrichten bietet, am ehesten ersetzt wird durch den schnellen Blick ins Internet“, äußerte Redaktionsleiter Kleber. Man müsse die Zeichen der Zeit erkennen – „Studenten etwa sind, während sie ihre Essays schreiben, auf Facebook aktiv und lesen „Spiegel online“ (…)“ Daher bräuchten sie abends die Tagesschau nicht mehr. Andererseits weiß auch Kleber, dass die anvisierten „jungen Leute“ viel eher Mediatheken nutzen, als sich aus Mainz raumzeitlich programmieren zu lassen. Die journalistisch zentralen Begriffe „Aufmerksamkeit“ (kleineres Spektrum an Themen, mehr privat Relevantes, Tendenz mehrere Bildschirme, Multitasking) und „Aktualität“ (Tendenz eigene Anwahl, Bezug auf das eigene Handeln) verschieben sich.
Was mir aber mit Blick auf „die Jugend“ und die öffentlich-rechtlichen Anstalten seit Jahren, ja seit Jahrzehnten nicht einleuchtet – und was mir viele öffentlich-rechtliche Kollegen im Gespräch als kritische Haltung gegenüber den eigenen Leitungsgremien bestätigen: Warum gibt es – neben dem wackeren TV-KiKa – noch immer keinen werbefreien Jugend-Fernsehkanal, und warum gibt es weder werbefreies Kinder- und Familienradio noch werbefreies Jugendradio für die 14- bis 19-Jährigen? Liegt es (auch) daran, dass Kinder, Jugendliche und Familien als gesellschaftlich doch ziemlich relevante Gruppen kaum in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten vertreten sind? Sehenden Auges wird daher an der Jugend vorbeigesendet, um die eigenen Pfründe einerseits zu sichern und andererseits von der privaten Konkurrenz fast schon belobigt zu werden für solche Rück-Sicht-Nahme: Pro Sieben und RTL II holen die Teenager natürlich gerne vom KiKa ab.
2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Was klingt besser – „Einheitskasse“ oder „solidarische Bürgerversicherung“? Klar, kommt drauf an, wo man selbst steht in der Gesellschaft. Im ARD-Teletext hieß es am 28.5. in einer Überschrift:
Bahr gegen Einheitskasse
Der Bundesgesundheitsminister von der FDP hatte sich – kaum überraschend und erst recht nicht angesichts ziemlich gleichlautender Forderungen von Ärztevertretern an jenem Tag auf deren Kongress – ausdrücklich dagegen ausgesprochen, künftig alle Bürger in einer grundlegenden Krankenversicherung vereint zu sehen. Daniel Bahr sagte also, er sei gegen eine solche „Einheitskasse“. Klar für Bahr, natürlich, dass er hier das böse Wort „Abkassieren“ mitklingen lässt. Aber muss deshalb die Überschrift so lauten, wie es die ARD machte? „Einheitskasse“ ist kein relativ sachlicher Terminus wie z.B. „Mittwoch“. Michael Haller, einer der wichtigen deutschen Journalistik-Experten, fordert seit langem, Versionen als Versionen zu kennzeichnen. Also hätten die Kollegen genau zwei Zeichen mehr verwenden sollen: Bahr gegen „Einheitskasse“. Und alle wären auf der sicheren Seite gewesen – fast wie bei einer „Einheitskasse“.