1. Die Dschungelshow bricht derzeit für RTL viele Rekorde – am 24.1. laut Branchendienst Kress 8,66 Millionen Zuschauer Reichweite und ein Tagesmarktanteil von 20 Prozent. RTL reagiert auf die mittlerweile ja ziemlich leise Kritik mit Hinweisen wie jenem, alle Kandidaten seien ja freiwillig im Camp (vgl. BLZ, 25.1., S.30). Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen (vgl. MMM 11/2010, S.20) sieht das Gemeinwesen (oder eben die Gemeinwesen) der Gegenwart als „Casting-Gesellschaft“, geprägt einerseits von „Sucht nach Aufmerksamkeit“ (als symbolisch-generalisiertes Medium der Öffentlichkeit) und andererseits von „Tribunalen der Medien“. Die zentrale Forderung laute heutzutage: Liefere eine Show als Selbstdarsteller! Schon immer wollten Menschen Anerkennung der Anderen erfahren, wollten für Andere wichtig sein. Das spitzt sich Pörksen zufolge nun in TV und Netzwerken zu mit Voyeurismus auf der einen und Exhibitionismus auf der anderen Seite, die sich ergänzen. Es geht nicht um öffentlich Relevantes, sondern um Schlüssel-(Loch)-Reize des Sexuellen und des Vulgären, die Aufmerksamkeit versprechen. Pörksen schreibt in seinem Buch über die Casting-Gesellschaft: „Diese Figuren sind völlig unwichtig. Sie erfüllen lediglich ein okönomisches Kalkül“. Aber einen anderen Rat als individuellen Boykott dieser „Form von öffentlichem Sadismus“ weiß auch er nicht.
  2. Der ehemalige WikiLeaks-Aktivist Daniel Domscheit-Berg (alias „Schmitt“) erklärte auf einer Internet-Konferenz in München dieser Tage, er wolle mit Kollegen im Februar sein Alternativ-Projekt „Open-Leaks“ starten. Der Hauptunterschied zu WikiLeaks solle „Neutralität“ sein, man verstehe die neue Plattform als rein technische ohne irgendeine „politische Agenda“. Aber ganz ohne Botschaft geht es auch bei ihm nicht: Die Gesellschaft solle debattieren über die Widersprüche zwischen Transparenz und Geheimhaltung. Also bitte doch – weitersagen!
  3.  

    Im geschätzten RBB-Info-Radio kämpfen die Kollegen auch jeden Tag rund und die Uhr mit Inhalten und Sprache. Der Bericht über das Hochwasser ging davon aus, „die Helfer sollten dem Wasser Herr werden“. Wer ist wem sein Tod – Bastian Sick ist übrigens am 1.3. in Berlin. Ende der Werbung.

  1. Warum nutzen Menschen in Deutschland welche Medien? Auch auf diese Frage versucht alle fünf Jahre die ARD/ZDF-Langzeitstudie „Massenkommunikation“ zu antworten (Quelle: MediaPerspektiven, Heft 11/2010, S.537ff.): Die von den über 4500 Befragten telefonisch angegebenen Motive haben sich dabei trotz der medialen Umbrüche der vergangenen 50 Jahre für die – öffentlich-rechtlich interessierten – Autoren der Studie als „erstaunlich stabil“ erwiesen. Fernsehen liegt, wie gesagt, weiter vorne in allen Altersgruppen, und die Menschen suchen dort – laut Studie und in dieser Reihenfolge – Information (allerdings sinkend auf 84%), Spaß (81%) und Entspannung (77%). Beim Radio als dem insgesamt zweitmeist genutzten Medium dominieren mit jedoch sinkender Tendenz gegenüber 2005 die Motive Spaß (86%), Information (80%) und Entspannung (76%). Das stark wachsende Medium Internet wird wegen Information (91%), Spaß (80%) und Alltagsservice (80%) genutzt, wobei die ersten beiden Motive am deutlichsten zulegten. Das Internet liegt aber im Medienvergleich bei noch keinem abgefragten Nutzungsmotiv ganz vorn. Allerdings hat es auch beim Motiv „Unterhaltsamkeit“ aufholen können zu den Spitzenreitern TV und Radio und hat beim Entertainment die Rote Laterne an die Tageszeitung abgegeben. Die wiederum wird erklärtermaßen noch immer geschätzt wegen der Faktoren Information (hier weiter doppelter Mediensieger: mit 97% bei den Lesern und mit 32 % bei allen), Alltagsservice (81%) und Mitreden-Können (76%).
  2. Entgegen landläufigen Mythen wuchs der Werbemarkt der klassischen Medien in Deutschland 2010 um elf Prozentpunkte sogar auf „neue Höchststände“, wie das bei solchen Erhebungen marktführende Medienforschungsunternehmen Nielsen am 19.1.2011 in Hamburg erklärte. 25 Milliarden Euro Werbevolumen wurden umgesetzt – im Fernsehen fast die Hälfte davon, 10,9 Milliarden (plus 16,2% gegenüber 2009). Es folgten die – also nicht nur notleidenden – Zeitungen mit 5,4 Milliarden Euro (plus 1,1%), dann die Zeitschriften mit 3,6 Milliarden Euro (plus 4,3%), darauf das Internet mit 2,4 Milliarden Euro (plus 34,8%!!!) und in der Reihe der inhaltlichen Medien schließlich das Radio mit 1,4 Milliarden Euro (plus 5,2%).
  3.  

    Weil es Facebook vermutlich selbst nicht so offensiv vermarktet (im Unterschied zu den vier „Golden Globes“ für den Film „The Social Network“): Es gibt mal wieder massive Kritik von Datenschützern, weil Zuckerberg & Co. Software-Entwicklern und Webseiten-Betreibern den Zugriff erlauben wollten auf Telefon-Nummern und Adressen von denjenigen der über 500 Millionen Nutzer, die dem zustimmten. Warum diese Erlaubnis? Nun, damit es uns Nutzern noch besser gehe und wir nicht jedes Mal beim E-Shoppen alle Daten eigenhändig eintragen müssten. Nett von den Facebook-Chefs, und noch netter, dass die Firma nun – nach den üblichen Datenschutzmeckereien Ewiggestriger – die neue Komfort-Funktion sogar noch einmal überarbeiten wolle und damit die Folgen solcher Freigaben für die Nutzer „noch klarer“ machen werde. Let’s face it!

  4. Unser Rektor, Prof. Dr. Liebetruth, hatte schon in der Vorwoche den richtigen Riecher: Unwort des Jahres ist der Merkel-Klassiker „alternativlos“. Das war in der Tat längst fällig, da wir Menschen natürlich fast immer auch anders können – können müssen sogar, das ist gewissermaßen unsere zweite Natur, auch Kultur genannt. Das wissen nicht nur Soziologen und Philosophen wie Helmuth Plessner, sondern natürlich auch die klügeren PolitikerInnen und sonstigen Entscheider. Aber sagen können-dürfen-wollen sie es eben nicht, und leider noch viel seltener entsprechend „alternativ“ handeln. Aber auch das scheint mir nicht alternativlos.
  5. Der Satiriker Wiglaf Droste hat freilich dem Jury-Chef Horst Dieter Schlosser noch Folgendes ins Germanistenstammbuch geschrieben (siehe Tageszeitung „junge Welt“ vom 19.1,, S.5): „In der Begründung sagte Schlosser, „das Wort alternativlos suggeriere sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und VON DAHER (Hervorhebung SeK) auch keine Notwendigkeit zur Diskussion und Argumentation gebe“. Droste fährt fort, die Floskel „von daher“ sei selber ein deutsches Sprachungetüm – denn es muss zweifelsfrei „deshalb“ oder auch „deswegen“, „darum“ oder auch „daher“ heißen. DASS es anders heißen muss, ist also laut Droste „quasi alternativlos“ – aber WIE wir uns besser ausdrücken können – da gibt es selbst in Preisreden von Sprachexperten (fast) immer Alternativen. Bleiben wir dran!

  1. Alle fünf Jahre wieder, seit 1964, erscheint die ARD-/ZDF-Langzeitstudie „Massenkommunikation“. Damit ist sie laut ihren Verfassern die einzige weltweit, die über einen solchen langen Zeitraum repräsentativ durchgeführt wird. Wichtigstes Ergebnis der Studie 2010 mit 4503 telefonisch Befragten ab 14 Jahren: Die zeitliche Ausdehnung der Mediennutzung scheint erstmals an Grenzen zu stoßen: Denn die tägliche Mediennutzungsdauer sank (Quelle: MediaPerspektiven 11/2010, S.523ff.) von zehn Stunden 2005 auf neundreiviertel Stunden 2010. Fernsehen und Radio konnten trotz der rasanten Internetentwicklung ihre starke Position behaupten. TV wurde laut MK über alle gemessenen Altersgruppen hinweg weiterhin 220 Minuten pro Tag geschaut (laut Media Control sogar Rekord von 223 Minuten), während Radiohören auf 187 Minuten sank. Die Internetnutzung hingegen stieg auf 83 Minuten, bei den 14-29-Jährigen sogar auf 144 Minuten. Die schauten TV nur 151 Minuten und hörten Radio 136 Minuten, so dass diese drei Medien bei den jüngeren Nutzern ziemlich gleichauf liegen. Die lesen übrigens der Studie zufolge auch deutlich weniger Zeitung und deutlich mehr Buch als der Durchschnitt.
  2. Die US-Regierung macht anscheinend weiter Druck: Laut Agentur AFP verlangte sie vom Kurznachrichtendienst Twitter die Herausgabe von Nutzerdaten prominenter Wikileaks-Unterstützer. Bereits Mitte Dezember sei ein entsprechender Gerichtsbescheid an das Unternehmen gegangen. Diesen Gerichtdokumenten zufolge geht es dabei um Nachrichten, Kontaktdaten, IP-Adressen und Benutzerdaten von Wikileaks-Gründer Julian Assange, einer isländischen Parlamentariern, eines niederländischen Hackers sowie des inhaftierten Ex-US-Soldaten Bradley Manning, den die US-Regierung offiziell als Quelle für Wikileaks vermutet (BLZ 10.1.11, S.30).
  3. Im RBB-Info-Radio hieß es dieser Tage einmal wieder, das Chaos bei der Bahn sei wegen des jahrelangen Verschleißkurses vorprogrammiert gewesen. Inhaltlich kaum strittig, aber mit die Sprache hapert es hier doch mal wieder – inwiefern?

1.    „The sun always shines on TV“, hieß es bei den Pop-Norwegern von „Aha“ schon vor 25 Jahren. Und heute: Das Fernsehen ist doch wieder auf dem stark steigenden Ast, zumindest quantitativ. Noch nie hat „media control“ seit 1992 höhere Werte gemessen und vermarktet als 2010. Jeder Deutsche ab drei Jahren hat demzufolge eine tägliche Verweildauer vor der „Glotze“ von 223 Minuten – das sind elf mehr als 2009. Dabei führen Sachsen-Anhalt (276) und Thüringen (274), während Bayern und Hessen hinten liegen (je 199 Minuten pro Nase). Die stärksten Zuwächse gab es bei den jungen Mittelalten (30-39 Jahre), um 15 auf 217 Minuten. Am meisten schauen aber weiterhin die über 50-Jährigen, nämlich 290 Minuten. So oder so dürfte das Fernsehen als Massenmedium nicht so schnell aussterben. (Quelle: kressdienst vom 4.1.2011)
2.    Auch die TV-Nachrichten nicht, wenn es denn „Nachrichten“ sind: „RTL aktuell“ war im vergangenen Jahr die beliebteste Nachrichtensendung bei den jungen Zuschauern (14- 49-Jahre). Die um 18.45 Uhr beginnenden RTL-Hauptnews erreichten im Schnitt 1,53 Mio Gucker und damit einen Marktanteil von 19,9%. Die „Tagesschau“ im Ersten kam bei der begehrtesten Zielgruppe 2010 auf 1,26 Mio Zuschauer und einen Marktanteil von 12,0%. Rang 3 in der Jahreswertung bei der jungen Zielgruppe belegten die Sat.1-Nachrichen (0,82 Mio.; MA: 8,0%). Beim Gesamtpublikum bleibt freilich die „Tagesschau“ meistgesehene Hauptnachrichtensendung, mit durchschnittlich 5,34 Mio Zuschauern (MA: 18,9 %). RTL konnte sich 2010 mit den von Chefredakteur Peter Kloeppel moderierten Hauptnachrichten gegen die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ durchsetzen: „RTL Aktuell“ sahen durchschnittlich 3,91 Mio Zuschauer (Marktanteil: 18,2%), „heute“ schalteten durchschnittlich 3,75 Mio (MA: 16,6%) ein. (Quelle:“http://kress.de/tagesdienst/detail/beitrag/108068-nachrichten-jahrescharts-die-jungen-gucken-kloeppels-rtl-aktuell.html“).
3.    Zum Kaleidoskop (Sprachkritik): Hier mein Mail-Wechsel mit der Redaktion der Tagesschau in Hamburg zum Thema „Wer kann was entschuldigen?“ vom 21.12. Wir hatten in der Reuters-Redaktion auch gerade darüber diskutiert – Thema war die journalistische Vermittlung des Verhaltens der Bahn-Spitze:

Liebe Kollegen, da wir es hier in der Redaktion auch gerade besprachen: 
Die Bahnspitze KANN sich nicht entschuldigen. Es liegt auf Seiten der Kunden, das Verhalten der Bahn zu entschuldigen – oder eben auch nicht. 
  
Die Bahnspitze kann und sollte – und das sagen die Kollegen ja mittlerweile auch per Zugfunk – um Entschuldigung bitten. 
Was meinen Sie? 
Mit freundlichen Grüßen: 
Sebastian Köhler 
Producer, GERMANY

Die Antwort der Tagesschau-Redaktion kam postwendend:
Sehr geehrter Herr Köhler, 

vielen Dank für den Hinweis. Wir werden den Fehler sofort beheben. 

Wir wünschen Ihnen schöne Feiertage! 

Mit freundlichen Grüßen 
Britta Reinke 
Redaktion tagesschau.de

Geht doch – wenn wir alle lernfähig bleiben.

In diesem Sinne ein gutes Jahr 2011! Bleiben wir dran!

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