In your Face(-book)?

1.) Die Intermediäre, also Kommunikations-Konzerne wie Facebook, Google, Amazon, Apple, Microsoft und andere, haben einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf Gegenwart und Zukunft. Das Bundeskartellamt kommt Ende 2017 zu der Zwischen-Bewertung, Facebook sei in Deutschland marktbeherrschend und sammele missbräuchlich Daten auf Millionen von Webseiten.

Wie auch Markus Reuter von der Plattform „netzpolitik.org“ schreibt, geht die Kartellbehörde davon aus, das Unternehmen mache die Nutzung davon abhängig, unbegrenzt jegliche Art von Nutzerdaten aus Drittquellen sammeln und mit dem Facebook-Konto zusammenführen zu dürfen (https://netzpolitik.org/2017/bundeskartellamt-facebooks-datensammelei-aus-drittquellen-ist-missbraeuchlich/,Aufruf am 19.12.2017, 16.30 Uhr).

Hier geht es zum Text von netzpolitik.org

Zu solchen Drittquellen gehörten nicht nur konzerneigene Dienste wie WhatsApp oder Instagram, sondern auch Webseiten und Apps anderer Betreiber, auf die Facebook über Schnittstellen zugreifen könne. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, äußerte: „Mithilfe von Schnittstellen fließen auch dann Daten an Facebook und werden dort gesammelt und verwertet, wenn man andere Internetseiten besucht. Dies geschieht sogar schon, wenn man z.B. einen „Gefällt Mir-Button“ gar nicht nutzt, aber eine entsprechende Seite aufgerufen hat, in die ein solcher Button eingebettet ist. Dies ist den Nutzern nicht bewusst.“

Das Bundeskartellamt konzentriere sich in diesem Verfahren auf die Sammlung und Verwendung von Nutzerdaten aus Drittquellen. Die Behörde habe offen gelassen, ob nicht auch bei der Datensammlung und -verwendung auf Plattform „Facebook“ selbst Datenschutzverstöße und ein Missbrauch der Marktbeherrschung vorlägen.

Das Bundeskartellamt führt gegen Facebook ein Verwaltungsverfahren. Am Ende des Verfahrens könne es zu einer Einstellung des Verfahrens, Verpflichtungszusagen des Unternehmens oder einer Untersagung durch die Kartellbehörde kommen. Eine abschließende Entscheidung in der Sache wurde nicht vor Frühsommer 2018 erwartet.

2.) Sprachkritisch fiel mir im „Kaleidoskop“ Folgendes auf:

a) Radio-Reporterin Anja Stöhr aus Moskau am 15.12. in der „ARD-Infonacht“: „Putin sagte, mit der russischen Wirtschaft ginge es aufwärts“. Einfach nur ein Fehler oder aber ein Freudscher Versprecher, um nicht als „Putin-Versteherin“ zu gelten? Wie dem auch sei – in einem Bericht wie diesem hat der Konjunktiv II wenig zu suchen. Für die sachliche Wiedergabe von Äußerungen gibt es den Konjunktiv I: „Putin sagte, mit der russischen Wirtschaft gehe es aufwärts“.

b) Ebenfalls öffentlich-rechtlich, im ZDF-Morgenmagazin am 19.12. ein Beitrag von Ulf Röller aus Washington über den US-Präsidenten. O-Ton Röller: „America first, brüllt Donald Trump der Welt entgegen.“ Der O-Ton von Trump ist versetzt zu hören, und ich bezweilfe, dass Trump an dieser Stelle tatsächlich gebrüllt hat. Aber selbst wenn man sich darauf einigen möchte: In einem Bericht hat ein solches Verb kaum etwas verloren. Es ist so negativ wertend, dass wir als Nachrichtenprofis darauf verzichten sollten. Lassen wir das doch bitte die Nutzer beurteilen und äußern uns einfach möglichst sachlich darüber, dass jemand anderes sich und etwas geäußert hat. Schließlich haben wir als Journalisten ja schon das Thema, die O-Töne, die sonstigen Bilder und natürlich auch unseren Sprechertext bestimmt. Vertrauen in die Mitwirkung mündiger Nutzer – warum denn nicht? Vertrauen sollte keine Einbahnstraße sein, wie es ja die vielbeschworene „Glaubwürdigkeit“ lange (viele Jahrhunderte lang 😉 ) genug war.

Abbruch oder Abtreibung?

Auch eher progressive Medien und JournalistInnen reden viel mehr von „Abtreibung“ als von „Abbruch“ (der Schwangerschaft), zum Beispiel hier: https://www.buzzfeed.com/julianeloeffler/diese-petition-will-dass-frauen-sich-legal-uber-abtreibung?utm_term=.vtANPAjpE#.ixa3NdPG7; Aufruf am 13.12.2017, 21.30 Uhr). Aktueller Kontext ist der Fall einer Ärztin aus Gießen: Sie wurde verurteilt wegen ihrer Website mit „Abtreibungsinformationen“ (so „Zeit Online“). Kristina Hänel muss demzufolge 6.000 Euro Strafe zahlen. Sie hatte „Informationen über Abtreibungen bereitgestellt“, das ist gesetzlich verboten.

Ich finde, „Abtreibung“ klingt klar negativ und wirkt auf mich sehr abwertend. Was treiben die dort? Treibt es bloß nicht zu arg! Und so weiter.

In der DDR wurden Schwangerschaftsabbrüche beschönigend „Unterbrechungen“ genannt, was sicher nicht nur verharmlosend, sondern sachlich falsch war und ist. Aber der rationale Kern dieses Sprachgebrauches bleibt, dass in jener Gesellschaft seit 1972 die Frauen (und ihre Familien) dank einer „Fristenlösung“ (zwölf Wochen) ganz legal schon weit eher und weit mehr als in der (alten) BRD mitbestimmen konnten, wie ihr Leben verlaufen soll.

Auch insofern ist die Behandlung des sicher komplexen und kontroversen Themas durch die deutsche Justiz und viele deutsche Medien bis heute nicht gerade frauenfreundlich. Solange überwiegend von „Abtreibung“ die Rede ist, werden Frauen juristisch und moralisch von oben herab behandelt. Warum nicht in informationsbetonten Texten viel mehr schlicht von „Abbruch“ reden? Vielleicht wäre das auch ein Beitrag, den merkwürdigen Paragraphen 219a des Strafgesetzbuches viel mehr in die gesellschaftliche Kommunikation einzubeziehen? Denn Geschichte und Gesetze werden ja von (uns) Menschen gemacht, und also nicht nur von „großen Männern“ bzw. „den Vätern des Grundgesetzes“. Ironie der Geschichte übrigens, die wir auch hier als dialektisch aufgehoben betrachten können: Im Straf-Paragraphen selbst wird ausschließlich von „Abbruch“ geschrieben und damit an keiner Stelle von „Abtreibung“.