Die Suche nach dem optimalen Text

  1. Die Beziehungen zwischen (festen) Redakteuren und (freien) Autoren gelten oft als gespannt. Michael Haller findet dabei, die Frage solle nicht heißen: Wie weit darf eine Redaktion eingreifen? Sondern statt dessen: Wie kommt sie zu einem optimalen Text? Deshalb bestimmt er eine „gute Textredaktion“ im Journalismus durch drei – oft widerstreitende – Ebenen: 1.) Erfüllung der objektiven Anforderungen an einen ansprechenden Text (Verständlichkeit, Satzbau, Folgerichtigkeit), 2.) Erhalt von Intention und Individualität des Autorentextes, 3.) Herausstellen des Medienprofils in umkämpften Märkten seitens der Redaktion (vgl. Message 2/2011, S.18f.).
  2. Dass es den Medien und ihren Buchhaltern „sooo schlecht“ ginge, wäre zu einfach auf hohem Niveau gejammert. Die Werbe-Investitionen sollen laut dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 2011 um 2,4% wachsen. 2010 flossen laut ZAW 29,53 Mrd. Euro in Werbung, auch da schon 2,4% mehr als im Vorjahr. Doch es dominiert auch dabei die Export-Orientierung – für weltweit verkaufte deutsche Waren wird vor allem im Ausland geworben und kaum in deutschen Medien. Dabei hat es unter den Mediengattungen an der Spitze einen Wechsel gegeben: Erstmals erreichten die Fernsehsender die höchsten Einnahmen aus Werbeschaltungen, mit 3,95 Mrd. Euro – Anteil am Werbekuchen nun 21 Prozent (plus ein Prozent gegenüber 2009). Die zweitgrößte Werbeträgergruppe, die Tageszeitungen, konnte ihr Werbegeschäft nach dem dramatischen Vorjahresverlust stabilisieren bei 19 Prozent (minus ein Prozent). Weiter auf Platz drei die Postwerbung mit 16 Prozent (minus ein Prozent). Vierter sind die Anzeigenblätter (11%; plus 1 Punkt), Fünfter die Publikumszeitschriften (8%,) Sechster die Online- Angebote (5%, plus 1 Punkt). Dann folgen die Werbeträger Fachzeitschriften, Außenwerbung, Radio, Wochenzeitungen, Zeitungsbeilagen und Kino ( Quelle: kress.de).
  3. RTL aktuell kommt im Mai 2011 weiter voran in Richtung Marktführerschaft auch bei den TV-Nachrichten. Denn Redaktionsleiter und Hauptmoderator Peter Kloeppel, 52 Jahre alt, wird laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag von „TV Digital“ (Axel-Springer-Verlag) von den relativ meisten Deutschen in der Sparte „männlicher Nachrichtenmoderator“ als Spitzenreiter gemocht. Ihn kennen die meisten, und ihm wird die höchste Kompetenz zugesprochen. Es folgen Claus Kleber (ZDF) und Tom Burow (ARD). Auf den Plätzen dahinter rangieren Claus-Erich Boetzkes (ARD), Gerhard Delling (ARD), Michael Marx (ProSieben), Thomas Klug (N24) und Christoph Teuner (n-tv). RTL-Anchor Kloeppel kommt vor allem bei Frauen gut an, befragt wurden laut Emnid 1001 Deutsche ab 14 Jahren. (Quelle: kress.de).
  4. Gelesen wird weiter, aber anders, zumindest in den USA: Der Internet-Handelskonzern „Amazon“ verkauft dort mittlerweile mehr elektronische als gedruckte Bücher (Taschenbücher und Hardcover-Ausgaben zusammengerechnet). Auf 100 verkaufte gedruckte Bücher seien seit Anfang April 2011 bereits 105 Exemplare für den eBook-Reader „Kindle“ gekommen, sagte Amazon-Firmengründer Jeff Bezos . Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hätte sich der Absatz der eBooks verdreifacht. Kostenlose eBooks, die Amazon auch zum Download bereithält, seien in dem Vergleich nicht berücksichtigt, vermeldet der Branchendienst kress.
  5. Die Nachrichtenagentur „Reuters“ schrieb am 10.5.2011 in einem Bericht: (…) „Der sehr populäre Telefondienst Skype bringt Microsoft nicht nur neue Kunden und Kommunikationsangebote, sondern auch ein Standbein im lukrativen Geschäft mit Video-Konferenzen. In Zeiten, wo Unternehmen weltweit immer stärker bei Geschäftsreisen sparen, wird der Austausch über den Bildschirm immer wichtiger (…)“. Jetzt, wo es „Reuters“ so schreibt, leuchtet es mir auch ein ….

Bessere Bezahlung für freie Journalisten!

  1. Viele junge Journalisten finden ihren Einstieg ins Berufsfeld über die freie Mitarbeit. Deshalb widmet Michael Haller die aktuelle Ausgabe der von ihm herausgegebenen Fachzeitschrift Message dem Thema, wie Redaktionen und Freie miteinander umgehen (sollten) (vgl. Message 2/2011, S.12ff.). Insgesamt wollen die Artikel zeigen, dass und warum Kooperation zwischen Kern- und Randbelegschaft zu besserem Journalismus führt. Haller unterscheidet dabei vier Gruppen von freien Journalisten: 1.) Freie ohne festen Auftraggeber, zu denen viele Kollegen zählen, die Haupteinnahmen aus PR und Werbung erzielen; 2.) Bauchladen-Journalisten mit mehreren festen Abnehmern (insbesondere Korrespondenten wie z.B. einen deutschen Fußball-Experten in Barcelona); 3.) Feste Freie, die vornehmlich und regelmäßig für einen Auftraggeber arbeiten (Pauschalisten); 4.) Netzwerk-Journalisten, die mit anderen kooperieren (vor allem jüngere Fachjournalisten, die sich auf Themen und Abnehmerkreise spezialisieren). Als hauptberufliche Journalisten (mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit für journalistische Tätigkeit) gelten Haller 2011 „deutlich unter 20.000“. Fakten zur Lage der Freien in Deutschland verspricht eine Untersuchung von Michael Meyen (Uni München), die 2009 veröffentlicht wurde (vgl. Message 2/2011, S.15) und sich auf Online-Befragungen von gut 1500 organisierten deutschen Fachjournalisten bezieht: Zwei Drittel sagen, sie arbeiteten freiwillig als Freie. Grundfähigkeiten seien journalistisches Handwerk und Unternehmertalent (Hartnäckigkeit gegenüber Redakteuren, kommunikative Kompetenz und insbesondere hohe Zuverlässigkeit). Der Bruttoverdienst beträgt laut Studie für drei Viertel weniger als 4000 Euro pro Monat. Knapp 40 Prozent geben an, auch mit PR und Werbung Einnahmen zu erzielen, von den Online-Kollegen sogar 63 Prozent. Die Forscher folgern: „Wenn die Vermischung von Journalismus mit anderen Tätigkeiten ein Problem sein sollte, muss man Freiberufler besser bezahlen.“ Dazu noch ein Servicetipp: Ersten Aufschluss über Honorare gibt die verdi-Website www.mediafon.net unter der Rubrik „Honorare/Verträge“.
  2. Jury-Bashing war weitgehend angesagt nach der erstmaligen Aberkennung des bekanntesten deutschen Journalistenpreises. Auch Prominente wie Wolf Schneider und Horst Seehofer kritisierten die Mehrheit der Juroren deutlich. Allerdings steckte in den Worten von Seehofer (vgl. dapd-Meldung vom 13.5.2011) ein Körnchen (neuer) Wahrheit. Die Informationen im umstrittenen Spiegel-Porträt über ihn seien richtig. Doch die Figur, die in Seehofers Modellbahn-Welt Angela Merkel darstellen soll, sei aus Holz und nicht aus Plastik, wie Kurzzeit-Egon-Erwin-Kisch-Preisträger René Pfister geschrieben hatte. Holz oder Plastik? Ist das nicht völlig egal? Kann man so sehen. Aber da szenische Einstiege in ihrer Suggestivkraft genau auf die Glaubwürdigkeit solcher Details setzen: Vielleicht wäre es doch gut gewesen, der Reporter hätte mit eigenen Augen geschaut. Oder eben, das bleibt mein Punkt, deutlich gemacht, dass er KEIN Augenzeuge war.
  3. Da es gerade umBruttoverdienst freier Journalisten ging: Heißt es „das Verdienst“ oder „der Verdienst“? Beides ist möglich, je nach Kontext. Für diesen Blog bekomme ich keinen Extra-Verdienst, auch wenn ich mir damit Verdienste erworben haben mag.
  4. Am Mittwochmorgen verkündete die Tafel 120 im ARD-Teletext, dass die Lokführergewerkschaft GDL den „Hartz-Elbe-Express“ bestreike. Wenn man damit „Billigbahn“ meint, sollte man dennoch mal in die Region fahren, wie schon Heinrich Heine auf seiner „Harzreise“- damals (1824) hieß das deutsche Mittelgebirge allerdings noch „Harz“.

Sagenhafte Preisgeschichte

  1. Erstmals in der Geschichte des renommierten Henri-Nannen-Preises wird er wieder aberkannt: Der Spiegel-Redakteur Renè Pfister hatte die Ehrung in der Kategorie Reportage als „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ kürzlich erhalten, für ein Porträt über Horst Seehofer vom August 2010. Am Montag erkannte eine Mehrheit der Jury (7:4) ihm diesen Preis wieder ab. Begründung: Pfister habe die Einstiegsszene gar nicht selbst beobachtet, sondern sich offenbar auf ungenannt bleibende Quellen (Archiv, Kollegen) bezogen. Seine Augenzeugenschaft hatte Pfister auch nicht explizit behauptet, bei der Preisverleihung allerdings auf Nachfrage erklärt, er sei nie in Seehofers Keller gewesen. Der Streit drehte sich nun nicht nur in der Jury um die Frage, welchen Eindruck der Reporter mit Sätzen wie „ (…) Dort unten steht seine Eisenbahn, es ist eine Märklin H0 im Maßstab 1:87, er baut seit Jahren daran (….)“ erweckt. Es geht um den szenischen Einstieg. Beim „Spiegel“ heißt der laut Berliner Zeitung (11.5.2011, S.30) seit langem „szenische Rekonstruktion“. Diese Tradition dient der Dramatisierung von Sachverhalten. Im Kern geht es hier um die Frage „Glaubwürdigkeit“ versus „Transparenz“: Glaubwürdig können viele Beiträge sein, die sich schön und einfach lesen, geschmeidig durchlaufen. Transparenz ist für Anbieter und Nutzer aufwändiger, unbequemer – meines Erachtens aber auch hier, im Bereich der empirisch-subjektiven Darstellungsformen, journalistisch professionell. Andererseits sind Glaubwürdigkeit und Transparenz kein Widerspruch an sich – insofern im jeweils konkreten Falle deutlich wird, dass der Reporter aus Zwecken der Ansprechhaltung in die Rolle einer bestimmten „Textperson“ (G.A. Heussen) schlüpft, um seine Nutzer noch besser erreichen, hier also dramatisieren zu können als scheinbarer Augenzeuge. Wie Marin Majica und Ralf Mielke anmerken, scheint auch beim „Spiegel“ an dieser Baustelle der Modalitäten gelernt zu werden. Denn die Titelgeschichte des Heftes 19/2011 zur Meldung von der Tötung Osama bin Ladens beginnt nicht mit „Das Meer war halbwegs friedlich am vergangenen Montagmorgen“, sondern mit „Das Meer muss halbwegs friedlich gewesen sein ….“. Ich finde zwar die Modalitäten „dürfte“ oder „soll“ noch angemessener (weil „muss“ doch ziemlich absolut erscheint, wenn als Quelle im nächsten Satz nur ein „Wetterprotokoll“ genannt wird). Aber ich war ja auch nicht vor Ort dabei ….
  2. Der deutsche Journalisten-Verband DJV hat Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen Schweigens zum ungarischen Mediengesetz kritisiert (dpa-Meldung vom 6.5.2011). Nur zwei Tage nach dem Welttag der Pressefreiheit habe Merkel den ungarischen Premier Viktor Urban in Berlin „freundlich empfangen“, aber „kein Wort zur faktischen Abschaffung der Pressefreiheit“ in Ungarn verloren. Wie die dpa an jenem Tag ebenfalls meldete, lassen sich die Verlage Axel Springer und Ringier (Schweiz) ihre Geschäfte in Ungarn allerdings kaum beeinträchtigen. Obwohl der umstrittene ungarische Medienrat den beiden deutschsprachigen Konzernen einen Zusammenschluss ihrer Geschäfte im Lande untersagt hatte, deutet viel daraufhin, dass das Joint Venture doch wirksam wird – Springer gibt in Ungarn zehn Zeitungen und 30 Zeitschriften heraus, Ringier zwölf größere Printtitel.
  3. „Der FDP-Spitzenpolitikern Silvana Koch-Mehrin soll nach einem Zeitungsbericht der Doktortitel wegen Plagiierens aberkannt werden“, beginnt eine ReutersMeldung vom 10.5.2011. Die Verwendung des Genitivs nach „wegen“ bleibt sicher hohe Schule, aber was danach folgt, ist kaum verständlich. Wie geht es besser, ohne einfach abzuschreiben?

William bekommt Kinder?

  1. Die royale Hochzeit in London übertrugen in Deutschland sechs Sender parallel live: Das Erste der ARD wurde, laut Mediendienst kress vom 4.5.11, 12 Uhr, „Quotenkönig“ mit 4,48 Millionen gemessenen Zuschauern über die ca. fünf Stunden. Summiert hatten die Hochzeitssender rund zehn Millionen Windsor-Fans angelockt. Hinter der ARD landete das ZDF mit 2,48 Mio Zuschauern auf Platz zwei. Und es war eben doch gut, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Vollprogramme hofberichterstattungsmäßig gleichgeschaltet waren: Denn sie waren nur fast gleichgeschaltet – den Trauspruch selbst gab es im Ersten live übersetzt, im Zweiten dafür im unkommentierten O-Ton. Wenn das nicht Vielfalt und Bildungsauftrag entspricht, was dann? (Quelle: BLZ, 30.4.11, S.33).
    Für die RTL-Übertragung übrigens hatten sich im Durchschnitt rund 1,81 Mio Gesamtzuschauer entschieden – mit einem durchschnittlichen Marktanteil von rund 20,5% zahlte sich für die Kölner die Bilanz in der Werbewertung aus.
    Nur für Sat.1 ging die Rechnung nicht auf: Lediglich 790.000 Zuschauer verfolgten hier die lange Vormittags- und Mittags-Sondersendung. Abends war gegen „Küss mich, Kate!“ im Ersten dann gar kein Ankommen mehr: Die Primetime-Rückschau erzielte mit 5,83 Mio Gesamtzuschauern den Reichweitensieg einer Einzelsendung am Freitag. Weil sich darunter auch 1,75 Mio. bis 14- bis 49-Jährige befanden, schlug die ARD den Privaten gegen deren Showsendungen ein Schnippchen: Der Marktanteil bei den Werberelevanten betrug hier nämlich relativ starke 16,6%.
  2. Da das Ansehen von Journalisten in Deutschland laut aktueller Allensbach-Umfrage auf einem neuen Tiefpunkt angekommen scheint (vgl. NDR-Zapp vom 27.4.11), ist die Frage nach Qualität in der Branche wichtiger denn je. Beim Leipziger ´“Medientreffpunkt Mitteldeutschland“ in dieser Woche gab es von führenden Vertretern von MDR und NDR Signale, mehr mit Zeitungen und deren Online-Portalen kooperieren zu wollen. NDR-Intendant Lutz Marmor sagte (laut dpa-Meldung 3.5.11) „Die Zeitungen haben die Kompetenz im Lokalen, wir bei den Videos“. Schön, wenn es hier um mehr ginge als um bloße Mehrfachverwertung vorhandener Inhalte. Journalistische Vielfalt sähe auch dabei sicher anders aus.
  3. Der deutsche „Duden“ ist seit dem 3.5. laut Bibliografischem Institut
    Mannheim auch online und kostenlos verfügbar (www.duden.de), mit der ausdrücklichen Zielgruppe „junge Menschen“. Gerade selbst am Beispiel „Herzlich willkommen“ getestet – es lohnt sich, denn dort finden sich sogar noch mehr Wege als in der Printausausgabe, auch Hörbeispiele und typische Wendungen. Das gibt dem „Kaleidoskop“ ganz neue Perspektiven …. 😉
  4. Aber das Denken nimmt uns auch der Online-Duden nicht ab: BILD schrieb am 27.4.11 auf Seite 12 zur royalen Hochzeit: „Bei einer Scheidung bekommt William die Kinder“. Der Prinz mag ja vieles können, Fliegen und Küssen, aber Kinderaustragen? Wie hätte es treffend und kaum länger heißen können?