ARD und ZDF planen eine Allianz gegen die Google-Tochter Youtube und andere mächtige Internet-Plattformen: Im Dezember dieses Jahres soll eine Online-Mediathek in Zusammenarbeit mit großen deutschen Film- und Fernsehproduzenten an den Start gehen. ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, es gehe um sehr viel Geld im Bereich Video-on-Demand. Das Angebot soll kommerziell sein, also mittels Gebühren oder auch Werbung funktionieren. Dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten eine solche Web-Videothek als Geschäft betreiben wollen, ist umstritten – die privaten Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 lehnen dieses Projekt ab. Nicht zuletzt, da beide selbst jüngst vom Bundeskartellamt in ähnlicher Mission zurückgepfiffen worden waren – Argument seinerzeit: die überwältigende Marktmacht beider Gruppen zusammen auf dem TV-Werbemarkt. Trägt das Projekt zu mehr kultureller, medialer Vielfalt in Deutschland bei? Das sollte das Hauptkriterium sein, und in dieser Hinsicht dürften wir keinesfalls euphorisch werden, sofern Intendanten vor allem ans Geldverdienen zu denken scheinen. Mehr dazu unter http://detektor.fm, einem bemerkenswerten Internetradio aus Leipzig, dessen junge Journalisten-Kollegen mich gerade zum Thema ausführlich befragten.
Zu grün zum Autorisieren? Der „Focus“ geriet dieser Tage in die Schlagzeilen, da er offenbar ein Interview mit der Grünen Renate Künast aus dem Heft 26 warf. Es ging thematisch um „die Entzauberung der Grünen“. Der Fraktionssprecher der Grünen witterte einen „beispiellosen Affront“, da am Ende des Autorisierungsprozesses (siehe Ziffer 2.4. Pressekodex) noch „völliges Einvernehmen“ geherrscht habe. Das Nachrichtenmagazin hielt sich bedeckt und berief sich auf ganz normale redaktionelle Entscheidungen. Doch darf begründet vermutet werden, dass auch hier das Gespräch erheblich umgeschrieben wurde durch die Interviewte (vgl. Berliner Zeitung, 27.6.2011, S.30). Interviewen als lebenslanger Lernprozess auf allen Seiten, auch denen des Focus.
Das oder auch der Blog „GuttenPlag Wiki“ hat im Anschluss ans Medienforum NRW in Köln den „Grimme Online Award“ bekommen (vgl. Mediendienst kress) und wurde von der Jury in der Kategorie ‚Spezial‘ als politisch relevantes und viel diskutiertes Angebot prämiert. Das Blog hatte fast im Alleingang die beinahe zu gutten Unkorrektheiten des damaligen Verteidigungsministers in dessen Doktorarbeit enttarnt. Den Grimme-Preis gab es hier für Idee, Initiative und Autorenschaft. Die Jury lobte die faire und unvoreingenommene Herangehensweise der Administratoren des Wikis. Wikis nicht als Journalismus, aber als etwaige neue Brücke in diese Richtung.
Folgt aus dem angenommenenn Satz „Wenn Laufzeitverlängerung für AKWs, dann Brennelementesteuer“ der Satz: „Wenn keine Laufzeitverlängerung, dann auch keine Brennelementesteuer?“ Die Strukturfrage lautet hier: Was folgt aus der Annahme: „Wenn A, dann B“? Daraus folgt genau: „Wenn nicht B, dann nicht A“! Ein Beispiel: „Wenn es regnet, ist die Straße nass“ – Daraus folgt nur: „Wenn die Straße nicht nass ist, dann regnet es nicht“. Es folgt NICHT daraus: „Wenn es nicht regnet, ist die Straße nicht nass.“ – Denn die Straße kann ja auch durch eine Kehrmaschine gewässert worden sein. Also folgt aus obiger Annahme rein logisch nur: „Wenn keine Brennelementesteuer – dann auch keine Laufzeitverlängerung“. LOGO: „Wenn – dann“ ist NICHT „Genau dann, wenn“. Das sind zwei verschiedene logische Operatoren.
Seit dieser Woche klagen acht wichtige deutsche Zeitungsverlage vor dem Kölner Landgericht (weil die ARD-Vorsitzende die WDR-Intendantin Monika Piel eben in Köln ist) gegen Teile der „App“ der ARD-Tagesschau für Smartphones und Tablets. Begründung von Verleger-Verbandschef Dietmar Wolff: Laut Paragraph 11d des aktuellen 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrages seien „nicht sendungsbezogene presseähnliche Angebote“ bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht zulässig. Offenbar verdirbt die Konkurrenz von ARD und ZDF den privaten Verlagen hier einen Teil des ohnehin mühsamen Journalismus-Geschäftes im Internet (laut NDR haben bisher 1,7 Millionen Nutzer die App heruntergeladen). Die Vorwürfe der privaten Verleger gehen also in Richtung „Wettbewerbsverzerrung“ und „staatsfinanzierte Presse“. Aber wäre aus Sicht der vielfältigen Nutzer (die ohnehin Gebühren zahlen) gar keine Konkurrenz hier tatsächlich besser als die derzeit dominante gebührenfinanzierte? Interessierte Nachtigall, ick hör‘ Dir trapsen oder eben appsen….
Mitbringsel aus London: Der legendäre britische Times-Journalist Louis Heren (1919-1995) soll die beiden journalistischen Grundtugenden „kritische Distanz“ (hier als „Neid“, mischief) und „Neugier“ (curiosity) laut John Mair von der Coventry University so zusammengefasst haben: „Who is this LYING BASTARD just talking to me?“ und „WHY is this lying bastard talking to me?“. Das sollte laut Heren und Mair im Journalismus mehr berücksichtigt werden – sofern den beiden nicht selbst als „lying bast….“ zu begegnen wäre.
Beim „Miami Herald“ scheint die oft geforderte Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung im Verlagshaus noch zu funktionieren: Laut Agentur „sid“ (vom 14.6.2011) hatte die Tageszeitung in Florida am Tag nach dem Sieg von Miami-Gegner Dallas Mavericks in der nordamerikanischen Basketballmeisterschaft eine fast ganzseitige Anzeige der Kaufhauskette „Macy’s“ im Blatt mit der Schlagzeile „Glückwunsch, Miami!“ Dazu wurden erste Fan-Artikel des vermeintlichen neuen Meisters angeboten. So weit kann der Wurf also am Ziel vorbeigehen, wenn die Anzeigenabteilung komplett unabhängig von der Nachrichtenlage agiert. Aber andersherum ist es natürlich nicht weniger fragwürdig – wenn es gar keine Trennung mehr gäbe.
Sowohl im aktuellen Kurs als auch während einer Konferenz in London stießen wir auf das Thema „Transparenz“: Nicht nur, aber insbesondere in den eher subjektiven journalistischen Darstellungsformen. Das Argument des Klarmachens der Produktionsbedingungen finde ich sehr wichtig. Dann können wir auch einen Modellbahn-Keller und/oder Hochsicherheitstrakt erlebbar machen, den wir selbst nie gesehen haben. Auf der Konferenz „What makes good journalism“ in London hörte ich gerade das entsprechende Argument einer BBC-Radiomoderatorin: Es ging um einen gravierenden Unfall in der Region, eine Zeugin hatte sich gemeldet. Man versuchte, die Lage für das Radio-Publikum zu besprechen – die Moderatorin wollte den Gast lieber im Studio haben als per Telefon interviewen. Die Zeugin sagte daraufhin am Telefon: „Okay, kann ich meinen Blindenführhund mitbringen?“. Das ging natürlich, und so wurde die Ohrenzeugin (von der man bis dahin „natürlich“ angenommen hatte, sie sei „Augenzeugin“) im Studio interviewt – und allen war nun klar, worin hier die besondere Zeugenschaft bestand. Da kann auch mancher Spiegel-Reporter oder manche Kisch-Jury noch etwas lernen.
Peter Boudgoust bleibt SWR-Intendant und will in seiner nächsten Amtszeit laut eigenen Worten sich gemeinsam mit dem ZDF für einen öffentlich-rechtlichen TV-Jugendkanal einsetzen. Finde ich ganz wichtig, denn bisher kommt nach dem KiKa (Zielgruppe bis ca. 12 Jahre) für die Heranwachsenden fast nur privat-Rechtliches. Da gibt es wenig wirkliche Auswahl (und die RTL-Dschungelshow ist laut Mediendienst „kress“ das massen-erfolgreichste TV-Format der Saison 2010/2011). Was den Kinderkanal angeht, könnte dessen relativ gutes Programm nach MDR-Angaben ja noch um 8,2 Millionen Euro „besser“ sein, wenn nicht der mittlerweile geständige Ex-Produktionsleiter genau diese Summe in den vergangenen Jahren anscheinend veruntreut und spielsüchtig verzockt hätte. Es bleibt aber eines der öffentlich-rechtlichen Rätsel, wie eine solche Summe lange Zeit unbemerkt „verschwinden“ konnte. Dafür muss eine alte Frau lange Gebühren zahlen.
Laut Mediendienst „kress“ hat „Facebook“ in Deutschland Anfang Juni 2011 die 20-Millionen-Nutzer-Marke überschritten (Nutzer, die mindestens einmal im Monat das Netzwerk anklicken). Jeder zweite von denen tut das sogar täglich – weltweit waren es im Mai 2011 640 Millionen Nutzer, etwa jeder 13. Erdenbürger. „Facebook“ ist längst Weltmarktführer, und wie es das Wort „Markt“ sagt, geht es bei diesem Geschäftsmodell weniger um soziale Kommunikation, sondern um den Handel mit Kontakten und Daten.
Die „Süddeutsche“ macht am 15.6.2011 mit dem Thema etwaig steigender Zahnarztkosten für viele Patienten auf. In der Unterzeile heißt es: „Mediziner halten die Befürchtungen für übertrieben“. Gut, dass die SZ-Kollegen in die Köpfe der Ärzte-Vertreter hineinschauen können. Falls sie es aber doch nicht können – wie sollten sie es dann statt der gut gemeinten Worte besser formuliert haben?