Kann man das so sagen? Jüngere und Männer seien cleverer?

1.) Medienkritisch wichtig: Die Landesmedienanstalt NRW hat dieser Tage eine repräsentative Umfrage vorgestellt, die Forsa im Mai 2017 in ihrem Auftrag durchgeführt hat.

Hier der Link zur LfM in NRW

Demzufolge ist mehr als die Hälfte der deutschen Onlinenutzer schon mit „Fake News“ in Berührung gekommen (59 %). Wie allerdings die Studie zu der Behauptung kommt, „jüngere Nutzer erkennen dabei eher als Ältere Falschmeldungen“, erschließt sich mir nicht. Denn Jüngere haben zwar zu 77 Prozent auf die entsprechende Frage positiv geantwortet (über 60-Jährige hingegen nur zu 46 Prozent). Aber erstens kann das als Selbstauskunft schlicht falsch sein, und zudem dürfte es sich ja wahrscheinlich auch so verhalten, dass Jüngere einfach mehr im Netz unterwegs sind und auch daher absolut häufiger auf potentielle „Fake News“ stoßen. Meines Erachtens könnten am ehesten Experimente oder Beobachtungen auf derartige Unterschiede schließen lassen. Übrigens kommt auf ähnlich fragwürdiger Basis die Studie auch zum Urteil, dass Männer mutmaßliche „Fake News“ eher bemerkten als Frauen (65% :51%).

Spannend jedenfalls mit Blick auf den Journalismus: Jeder Zweite gibt an (48 %), durch Medienberichte auf „Fake News“ aufmerksam gemacht worden zu sein. Klare Kante im Sinne strengerer Gesetze wünschen sich laut Studie immerhin 86 Prozent der Nutzer in Deutschland. Und deutlich mehr Ostdeutsche (17 Prozent) als der Bundesdurchschnitt (8 Prozent) halten „Fake News“ Forsa zufolge für akzeptabel im Sinne von „freie Meinungsäußerung“.

2.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Oft wird bei der Wiedergabe von Sprecher-Äußerungen getextet:

„…konnte der Sprecher nicht sagen.“, siehe hier:

Hier geht es zur Wirtschaftswoche

http://www.wiwo.de/politik/deutschland/ransomware-angriff-hacker-attacke-legt-bahnanzeigen-und-automaten-lahm/19798690.html, Aufruf am 21.6., 10.30 Uhr

Das ist fragwürdig: Journalisten können (!) kaum wissen, ob die Sprecherin dazu nichts sagen KONNTE. Oder vielleicht auch (noch) nicht durfte oder sollte oder wollte. Ja, dafür gibt es Modulverben oder allgemeiner Modi des Verbgebrauches. Und wir SOLLTEN es wissen und können: Es ist nicht unsere Aufgabe als Journalisten, in informationsbetonten Beiträgen in die Köpfe unserer Quellen zu schauen und küchenpsychologisch zu spekulieren. Wie MAG es besser klappen? „Dazu sagte ein Sprecher nichts.“ oder gerne auch: „Dazu äußerte ein Sprecher, er könne hierzu nichts sagen.“ MÜSSTEN wir wohl eher so formulieren als die Standardphrase: „Dazu konnte ein Sprecher nichts sagen.“

Das „unflexible Arbeitsrecht“ in Frankreich – ein Fall von Fake News?

1.) Laut Nieman Lab an der Harvard-University (USA) lassen sich vier Elemente einer wirksamen Fake News bestimmen. „The four key elements of a successful fake news story“: Diese seien:

1. Emotional appeal – gefühlsstarke Ansprache
2. Veneer of authority: Story traces itself back to a leak or statement or something that supposedly happened – fragwürdige Verbindung zu Autoritäten, über behauptete Leaks oder Äußerungen oder sonst mutmaßlich Geschehenes.
3. Effective insertion point into the online space – wirksamer Einsatzpunkt im Netz
4. An amplification network (like Twitter or Facebook) – Eine Plattform zur Verbreitung wie Twitter oder Facebook.

Die Nieman-Lab-Leute raten dazu, sich im Kampf gegen Fake News einen oder mehrere dieser Punkte zu wählen und dann „zurückzuschlagen“.

Hier geht es zur Nieman-Lab-Seite

(Aufruf 31.5.2017, 17.04). Bleibt natürlich inhaltich weiterhin die Frage, ob und wie wir Fake News relativ zuverlässig erkennen können. Denn sie lauern vielerorts, siehe gleich ….

2.) Hier wird es sprachkritisch spannend, im Kaleidoskop: Ist es bereits eine Fake-News-Formulierung? Oder nur eine weitere der leider fast schon normalen deutlichen Bewertungen in Texten, die informationsbetont sein sollen?

Auf Tagesschau.de hieß es am 11.6.2017, 15.27 Uhr

Hier geht es zur Tagesschau.de-Seite

Das „unflexible Arbeitsrecht“. Eine natürlich komplett sachliche Beschreibung eines unstrittigen Sachverhaltes. Oder hätten sich die Nachrichtenredakteure besser das Attribut erspart? Zumal ja auch „Lockerung“ schon ziemlich sympathisch klingt – wer will schon „fest“ oder „verkrampft“ oder „erstarrt“ wirken? Man hätte auch „Aufweichung“ schreiben können – aber das klingt ja womöglich negativ ….

Mein Vorschlag: „Zentrales Vorhaben sind umstrittene Änderungen des Arbeitsrechtes.“ Das ist relativ sachlich. Und für die, die es genauer wissen wollen, muss es die Redaktion ähnlich sachlich dann ausführlicher beschreiben und erklären. Scheint aber eher schwer im Kontext dessen, dass sich weite Teile der reichweitenstarken Medien in einer Art „Macron-Fieber“ befinden mögen.

Lieber einen Altlinken in der Hand als den Trump auf dem Dach?

Im ARD-Weltspiegel im Ersten ging es am 6.6.2017 mehrfach um den „Altlinken Jeremy Corbyn“. Auch die Süddeutsche Zeitung nennt den Labour-Vorsitzenden seit langem so (siehe unter anderem http://www.sueddeutsche.de/politik/labour-party-ein-altlinker-kaempft-um-den-vorsitz-1.3118984; Aufruf 7.6.2017, 17.53 Uhr), und viele andere Medien der selbsternannten Mitte ebenfalls. Aber vielleicht war die Mitte ja nie mittig, nicht einmal gestern und in den alten Zeiten?
Klingt das Wort „Altlinker“ neutral? Nein, da schwingt Überholtheit mit, Verstaubheit, Ewiggestrigkeit. Neu-Rechte hingegen erscheinen in solchem Kontext als up to date, Neo-Liberale sowieso. Redet man in wichtigen Redaktionenn von Alt-Rechten oder Alt-Liberalen? Nein, aber von Neo-Konservativen ohne Probleme.
Mein Punkt: Alt-Nazis soll es geben, und eben Alt-Linke. Beides klar abwertend gemeint und verwendet. Und in dieser Gleichschaltung – pardon: Gleichsetzung – noch problematischer als ohnehin. Ironie der Geschichte: Viele junge, kluge, progressive Leute unterstützen den „Altlinken“ Corbyn, so, wie das auch schon bei Bernie Sanders in den USA der Fall war. Und am Ende des Tages merken vielleicht auch unsere mittelmäßigen Mainstreamer, dass ein Corbyn in der Hand womöglich besser wäre als der nächste Trump auf dem Dach.