1. Es scheint wie eine Neuauflage von Ödipussi – der Sohn-Vater-Konflikt in einem der mächtigsten deutschen Verlagshäuser, nämlich Neven DuMont Schauberg (Köln); zwischen Senior-Chef Alfred Neven DuMont (83 Jahre alt) und Sohn Konstantin (41). Zum Verlag gehören neben Express und Stadt-Anzeiger in Köln sowie der Mitteldeutschen Zeitung in Halle seit einiger Zeitunter anderem auch die linksliberalen Tageszeitungen Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung. Seit Wochen brachte sich der Junior mit „schrägen Internetmeldungen“ und gerne auch per „BILD“ kommunizierter Interviews (SZ vom 23.11., S.17) ins Gerede, in denen weder der eigene Konzern noch der eigene Vater übermäßig geschont wurden. Der Aufsichtsrat beurlaubte den jungen  Neven  DuMont daraufhin als Konzernvorstand. Dass der Springer-Verlag dem Nachwuchsverleger aus dem Konkurrenzhaus in dieser Phase eine Plattform bietet, überrascht wenig – ebenso, dass nun die Kölner Gruppe sowohl juristisch als auch per Presserat gegen Springer vorgehen wollte. Version DuMont Köln: Springer blase eine „interne Personalie“ zur Staatsaffäre auf. Version Springer Berlin: „absurd“. Und man sieht mal wieder – Geld allein macht auch nicht glücklich.
  2. Horst Pöttker, Journalismus-Professor an der Dortmunder Uni, will für Journalisten im Interesse ihrer öffentlichen Aufgabe die professionelle Autonomie gestärkt sehen. Dazu müsse aber klar werden, dass Journalismus nicht unbeteiligter Beobachter der Gesellschaft ist, sondern „als strukturelle Bedingung realer Gegebenheiten wirkt“ (vgl. Publizistik, Heft 2/2010, S.107ff.). Ebenso wirken reale Gegebenheiten (wie Produktionsverhältnisse, politische Ordnungen etc.) als strukturelle Bedingungen von Journalismus. Journalismus sollte daher nach professioneller Unabhängigkeit streben, aber nicht als unbeteiligte Fremdbeobachtung, sondern, so mein Konzept, als teilnehmende Selbst- und Fremdbeobachtungen im Plural der Perspektivenwechsel (vgl. philosophische Anthropologien von Helmuth Plessner oder Hans-Peter Krüger). Journalismus ist beteiligt am sonstigen gesellschaftlichen Verkehr. Daher müssen auch Pöttker zufolge Journalisten abwägen zwischen eher gesinnungsethischer Publikationsorientierung und mehr verantwortungsethischer Folgenorientierung – mit Blick auf die Gesellschaft.
  3. Der Jurist und Medienrechtsexperte Christian Zappe rät Journalisten (vgl. Zeitschrift Fachjournalist, Heft 4/2010, S.22ff.), sie mögen in jedem Falle die Persönlichkeitsrechte und die Urheberrechte Dritter beachten und ihre eigene journalistische Sorgfaltspflicht wahrnehmen. Das betrifft angesichts unterschiedlicher Rechtsspruch-Praxis in Deutschland gerade die „Verbreiterhaftung“, die der Bundesgerichtshof entwickelt hat – denn prinzipiell sind für den Inhalt von publizistischen Beiträgen alle Personen mitverantwortlich, die an deren Entstehung und Veröffentlichung mitgewirkt haben. Ein Beispiel dafür ist der legendäre Streit 2002 um die Haarfarbe des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder. Dieser setzte seinerzeit vor dem Hamburger Landgericht eine Unterlassungsverfügung gegen die Nachrichtenagentur ddp durch, die mit Zitaten aus der Friseur- und Imageberater-Zunft dem Gerücht Nahrung gegeben hatte (es „verbreitet“ hatte), Schröder lasse sich die Haare färben.
  4. Die Zeitung „Die Welt“ vom 23.11. schrieb wie viele andere mit Blick auf die Massenpanik in Kambodscha: „Ministerpräsident Hun Sen entschuldigte sich beim Volk für die größte Tragödie …“ (http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article11169161/Massenpanik-groesste-Tragoedie-seit-Pol-Pot.html, 24.11.2010, 13.21 Uhr). Bei aller asiatischen Höflichkeit des Premiers – das geht einfach nicht. Schon rein sprachlich. Was ginge?

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