Die „alte Tante“ Tagesschau zieht auch junge Menschen an. Zumindest mehr, als landläufig angenommen: Laut der JIM-Studie (JIM wie Jugend, Information, Multi-Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (Aufruf am 29.11., 12.30 Uhr) informieren sich auch im Onlinezeitalter Jugendliche häufig im Fernsehen (Jungen übrigens anscheinend häufiger als Mädchen) – fast jeder Zweite (46 %) zwischen 12 und 19 Jahren sehe sich regelmäßig Nachrichten im Fernsehen an. Die „Tagesschau“ ist laut Studie auch bei den Jugendlichen eine Institution: Fast jeder fünfte der rund 1200 telefonisch Befragten (also ca. 19 Prozent) gibt an, regelmäßiger Zuschauer der ARD-Nachrichtensendung zu sein. Mit weitem Abstand folgen „RTL aktuell“ (6%) und „ProSieben Newstime“ (4%). Die Auftraggeber der Studie von der südwestdeutschen Landesanstalt für Kommunikation meinen daher, dass auch im Internetzeitalter dem Fernsehen eine große Bedeutung zukomme, nicht zuletzt als Informationsquelle. Allerdings besteht zu öffentlich-rechtlicher Nachrichteneuphorie kein Grund: Wie schon die Jahre zuvor ist das mit Abstand beliebteste Fernsehprogramm für knapp die Hälfte der Teenies ProSieben. An zweiter Stelle folgt RTL, das von 17% als liebster Sender genannt wird. Und noch viel mehr Leute dieses Alters sind laut Studie in den Netzwerken unterwegs: Der Anteil der Facebook-Nutzer habe sich annähernd verdoppelt (von 37% in 2010 auf 72% in 2011), hingegen habe sich der Anteil des einstigen Marktführers schülerVZ fast halbiert (von 53% in 2010 auf 29% in 2011). Kaum zu glauben aber, dass der Studie zufolge immerhin 44 Prozent der Befragten Bücher und 42 Prozent Zeitungen – ja, Sie lesen richtig: lesen. Mag aber auch sein, die Ja-Sager haben auf Facebook mitbekommen, dass in Zeiten wachsender Wissensklüfte Marktchancen für „Print-Affine“ steigen können.
Fand hier eine Zensur statt? Gut gemeint und schlecht gemacht? Eine Zäsur scheint es auf alle Fälle: Der RBB hat sich von Moderator Ken Jebsen und dessen Sendung „KenFM“ auf dem RBB-Jugendradio „Fritz“ getrennt. Laut „Berliner Morgenpost“ (Aufruf am 30.11., 11.56 Uhr) wehrt sich der wegen Antisemitismusvorwürfen in die Kritik geratene Radiomoderator juristisch gegen seinen Rauswurf beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Der RBB hatte die Zusammenarbeit mit Jebsen in der vergangenen Woche beendet. RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle begründete den Schritt damit, dass sich Jebsen bei seiner Hörfunksendung nicht an Absprachen gehalten habe. Anlass für die Debatten war eine Veröffentlichung durch den Publizisten Henryk M.Broder: Jebsen soll in einer Mail an einen Hörer geschrieben haben, dass er wisse, „wer den Holocaust als PR erfunden“ habe. Zeitgleich mit dem Ende der Zusammenarbeit mit Jebsen hatte Stefan Warbeck „auf eigenen Wunsch“ die Verantwortung für den Sender „Fritz“ abgegeben, wo die Sendung „KenFM“ gelaufen war. Warbeck übernehme damit die Verantwortung für redaktionelle Versäumnisse in der Vergangenheit, hieß es offiziell. Warbeck war seit 2005 Programmchef bei Fritz. Laut RBB-Sprecher bleibt die Fritz-Leitung vorläufig vakant. Der RBB-Rundfunkrat als das Aufsichtsgremium der öffentlich-rechtlichen Anstalt mit seinen 30 Vertretern von gesellschaftlich relevanten Gruppen in der Region soll sich am 15.Dezember mit dem Fall befassen (siehe BLZ 27.11.2011, S.33). Jebsen erklärte derweil, er wolle jedenfalls im Internet mit „KenFM“ weitermachen. Im Netz wiederum, auf der Seite „Achse des Guten“ (Aufruf am 30.11., 15.50 Uhr), wird Henryk M. Broder zitiert mit der Äußerung; „Wenn man einen Irren zehn Jahre lang auf die Bühne lässt, sollte man sich nicht wundern, wenn am Ende der Spielzeit lauter Irre im Saal sitzen und ZUGABE schreien. Well done, RBB!“ Jebsen hatte sich gegen die ersten Vorwürfe Broders verteidigt mit Sätzen wie „Ich mag vielleicht irre sein, aber ich bin kein Antisemit!“ Der Kulturredakteur der „Märkischen Allgemeinen“ in Potsdam, Karim Saab, fasste den Konflikt am 8.11. so zusammen: „Es wäre schlimm, wenn seine (Jebsens, SeK) skeptische Stimme einer noch so gut gemeinten Zensur zum Opfer fiele.“ (www.maerkischeallgemeine.de; Aufruf am 30.11.2011, 15.58 Uhr). Drei Wochen später lässt sich über „gut gemeint“ sicher streiten – über „gut gemacht“ aber nicht mehr.
Und noch ein Blick durch das sprachkritische Kaleidoskop: Im Info-Radio Berlin-Brandenburg war am Morgen des 25.11. in den Meldungen zu hören, dass „Anti-Atomkraftgegner zu Protesten“ unterwegs seien. Den Nachrichtenfaktor „Negativismus“ in allen Ehren: Aber das, was über die Negation der Negation hinausgeht, wird zumindest un-übersichtlich – oder auch einfach un-un-falsch. Nicht wahr?
Der Fall der mutmaßlichen Neonazi-Mordserie zwischen 2000 und 2007 weist neben vielen Merkwürdigkeiten auch offenkundige Skandale auf: Der Thüringer Verfassungsschutz hat anscheinend nicht nur ca. 1,5 Millionen Euro als „Nazi-BAFöG“ ausgeschenkt (Oliver Welke in der „heute show“ vom 18.11.2011). Sondern das Amt hat – der Journalistengewerkschaft „dju“ (Verdi) zufolge – auch anderweitig Steuergelder ziemlich „innovativ“ eingesetzt: Die Schlapphüte gründeten laut dju verdeckte Firmen, die dann TV-Journalisten Produktionsaufträge erteilten mit dem Ziel, „an Bild- und Tonmaterial von Rechtsradikalen zu kommen“. Die Gewerkschaft erklärte, sie sehe darin einen „vollkommen inakzeptablen Missbrauch journalistischer Arbeit.“ Es könne nicht sein, dass Journalistinnen und Journalisten ohne ihr eigenes Wissen als Spitzel für den Verfassungsschutz eingesetzt würden. Wie reiner Hohn müsse es den Betroffenen erscheinen, wenn der Thüringer Ex-Verfassungsschutz-Chef Helmut Roewer jetzt lobe, „die Fernsehleute hätten Bilder geliefert, die Beamte normalerweise nie bekommen hätten“ und gleichzeitig beklage, dass die Aktion furchtbar teuer gewesen sei. Das könnte übrigens einer der wenigen Punkte sein, die dem ehemaligen Panzeroffizier nicht vorzuwerfen wären: dass er freie Mitarbeiter – wie hier Nazis oder dort eben Journalisten – auch noch schlecht bezahlte.
Während der Jahrestagung der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ) in Berlin erklärte die Meinungsforscherin Renate Köcher, Geschäftsführerin des Institutes für Demoskopie Allensbach, angesichts von mittlerweile 30 Prozent „printabstinenten“ jungen Menschen (14 bis 29 Jahre) in Deutschland: “Der Zusammenhang zwischen Printaffinität und politischem Interesse ist außerordentlich eng” (siehe www.wwwagner.tv und BLZ vom 19.11.2011, S.33). Aus Köchers Argumenten lese ich eine Weiterentwicklung des kommunikationsempirischen Modells von der „wachsenden Wissenskluft“ (Tichenor et al. 1970 – Tenor: bildungsnahe Schichten ziehen aus massenmedialem Input mehr Nutzen als bildungsferne). Nicht bezogen auf Alltagswissen oder -Fertigkeiten, denn z.B. gerade intensive Nutzer von privat-rechtlichen TV-Sendern geben ja viel Geld und Zeit für ihren Fernsehkonsum aus und sind oft Experten in Sachen HD oder 3D. Aber bezogen auf öffentlich-relevante Informationen – also solche Infos, die einerseits unser aller Leben nachhaltig beeinflussen; und andererseits, deren zugrundeliegende Ereignisse (Regierungspolitik, Lohnentwicklung etc.) wir zumindest mit-bestimmen (können/sollten). Frau Köcher befand, die Fülle von Möglichkeiten des Informierens und Unterhaltens vergrößere die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten. Die Lesenden informierten sich auf immer mehr und schnelleren Wegen, während sich die „Unterschicht“ zurückziehe. Was bleibt dagegen? Den Umgang mit Medien nicht nur in privat-relevanter (das Interessante auf Facebook oder YouTube), sondern auch in öffentlich-relevanter Hinsicht auf hohem Niveau bereits in Kindergarten und Schule zu fördern – in möglichst kleinen Gruppen mit kommunikativ kompetenten Partnern.
Im Nachrichten-Beitrag auf n-tv am Morgen des 22.11. zu Neuigkeiten im Falle der Neonazi-Ermittlungen verlautete der Sprechertext des Berichtes, Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm habe sich wegen Pannen seitens der Sicherheitsbehörden entschuldigt. Selbst wenn Fromm das tatsächlich und wörtlich so gesagt haben sollte – es bliebe falsch. Was ist (weiterhin) der Punkt beim Sprechakt des Entschuldigens?
Die Madsack-Verlagsgruppe aus Hannover hat die Tageszeitung „Märkische Allgemeine“ mit Hauptsitz in Potsdam übernommen, sofern das Kartellamt zustimmt. Diese Zeitung, die „MAZ“, gehörte bisher zur FAZ-Gruppe. Die „MAZ“ hat eine verkaufte Auflage von ca. 140.000 Stück vor allem im westlichen Umland von Berlin, denn sie war zu DDR-Zeiten als „Märkische Volksstimme“ das Organ der SED-Bezirksleitung Potsdam. Spannend ist heute, den Aufstieg von Madsack zum sechstgrößten deutschen Zeitungskonzern zu beobachten. Größter Anteilseigner bei Madsack ist mit 23 Prozent die DDVG, also die SPD-eigene Medienholding. Madsack ist mittlerweile in Deutschland mit 17 regionalen Zeitungen vertreten, unter anderem auch in Leipzig und Rostock, wodurch der Konzern im Osten Deutschlands die Nase vorn hat. Madsack dürfte die durchaus profitable MAZ auch redaktionell in Zentralstrukturen (nicht zuletzt in die Gemeinschaftsredaktion des Verlages in Berlin) einbinden, um weiter Kosten zu senken. Erklärtes Argument der Verleger ist dabei, den Erlösrückgängen wegen der strukturellen Auflagen- und Anzeigenverluste entgegenzuwirken. Das könnte für die Kollegen in und um Potsdam bedeuten, sich noch mehr als bisher auf lokale und regionale Themen zu konzentrieren (vgl. BLZ vom 12. und 15.11., S.33 und 26).
Es gibt zumindest eine fairste (wenn auch keine „fieseste“) Redaktion in Deutschland, wie der Berufsverband „Freischreiber“ bekanntgab. Diesen „Himmel“-Preis verlieh die Mehrheit der 400 Mitglieder an die Zeitschrift „Brand eins“. Dieses Wirtschaftsmagazin aus Hamburg (Auflage der Monatszeitschrift knapp 100.000 Exemplare) soll am besten den Regeln für eine gute Zusammenarbeit mit freien Autoren entsprechen, als da u.a. wären: Honorierung bereits nach Textabnahme, den Autoren wird vor Abdruck die redigierte Endfassung vorgelegt – und sie dürfen nicht zu PR verpflichtet werden. Keine schlechte PR für die „Freischreiber“ und für „Brand eins“.
Der aktuelle Fall der Ermittlungen zur lange zurückgehenden mutmaßlichen Mordserie durch Neonazis ist für Journalisten gerade im nachrichtlichen Bereich inhaltlich und sprachlich durchaus anspruchsvoll. Ein Reuters-Text vom 15.11. enthielt den Satz: „Der offenbar rechtsextremistische Hintergrund der Mordserie zwischen 2000 und 2007 war den Ermittlern nicht aufgefallen und kam erst ans Licht, als Anfang November zwei Mitglieder der Zelle in einem Wohnmobil in Eisenach Selbstmord begingen.“ An welchen beiden Stellen ist hier zu wenig objektiviert worden?
Und noch ein eher banaler Fall aus einem Bericht im Info-Radio am 10.11.: „Seit 1999 hatte junge Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland geboren wurden, im Alter zwischen 18 und 23 Jahren die Möglichkeit, sich zwischen einer Staatsbürgerschaft zu entscheiden.“ Vieles offenbar richtig, bis auf eine Präposition. Welche ist hier die passende?
Das größte deutsche Verlagshaus, der Axel-Springer-Konzern, ist nach eigenen Angaben weiterhin wirtschaftlich erfolgreich, und zwar noch stärker, als von Branchenkennern ohnehin erwartet (vgl. BLZ vom 8.11., S.26): Zwar seien auch im dritten Quartal 2011 die Erlöse der Inlands-Printmedien (BILD, Welt etc.) leicht rückläufig gewesen, dafür hat Springer aber laut Vorstandschef Mathias Döpfner in den Bereichen Auslandsgeschäft (Erlöszuwachs um 35,5 % gegenüber dem Vorjahr) und Internet (34,4 % Zuwachs) enorm zugelegt. Mit derart gefüllten Kassen zeigt sich der Konzern weiterhin an der Übernahme von Teilen der WAZ-Gruppe sehr interessiert, namentlich an deren 50-Prozent-Anteil an der österreichischen Kronenzeitung (dort die auflagenstärkste Boulevard-Zeitung), aber auch an den deutschen Programmzeitschriften der WAZ-Gruppe (Gong, Bild+Funk, TVdirekt) und an den Online-Aktivitäten jenes Verlages. Und jetzt zu etwas völlig Anderem („Now for something completely different“, wie es bei Monty Python heißt): Wie der Branchendienst Kress meldet (siehe www.kress.de, vom 10.11.2011), reicht den großen deutschen Verlagen das bisherige Entgegenkommen der Bundesregierung im Fall „Künftige Pressefusionen“ nicht: Die Koalition aus Union und FDP hat zwar mehrfach erklärt, die Regeln für Pressefusionen lockern zu wollen – doch den Zeitungsverlegern gehen die geplanten Änderungen nicht weit genug. Laut dem Zeitungsverlegerverband BDZV sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die für Presseunternehmen geltende Aufgreifschwelle von Faktor 20 auf Faktor acht reduziert wird. Damit würden Verlage mit einem gemeinsamen Umsatz von bis zu 62,5 Mio Euro bei einer Fusion künftig keiner Kontrolle durch das Kartellamt mehr unterliegen. Derzeit liegt diese Grenze bei 25 Mio Euro, mit dem erklärten Ziel (besonders auf diesem Feld, mehr noch als in anderen Märkten), Vielfalt zu stärken. Ironie der Geschichte jetzt – die Verleger fordern aktuell Erleichterungen für ihre Geschäfte ebenfalls mit dem Argument, nur so Vielfalt sichern zu können. Da fällt mir zufällig der Satz des durchaus konservativen FAZ-Gründungsherausgebers Paul Sethe ein, veröffentlicht 1965 in einem Leserbrief im „Spiegel“: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. So viel heute zum Thema Medienvielfalt (die ich in jeder Hinsicht erstrebenswert finde).
Ken Jebsen ist ein polarisierender Radio-Moderator. Er spricht sehr schnell und pointiert, lässt mit seinen Inhalten und Formen aufhören. Seit dem 28. April 2001 moderiert und produziert er laut Wikipedia für die RBB-Jugendwelle „Fritz“ die von ihm konzipierte Radioshow KenFM. Am vergangenen Sonntag war erstmals seit langer Zeit kein KenFM zu hören, sondern vier Stunden lang nur Musik, ohne Moderation (andere Radiowellen wie BB Radio werben ja damit – „Zehn Hits ohne BlaBla“ – ich denke, so, als Playlist für alle, schaltet sich das Radio ganz sicher selbst ab). Was schien passiert? Der Publizist Henryk M. Broder hatte (laut Berliner Zeitung vom 8.11., S.22) in einer Mail an die Senderverantwortlichen dem Moderator Antisemitismus vorgeworfen, festgemacht an dem Jebsen zugerechneten Mail-Satz: „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat“. Senderchef Stefan Warbeck sagte, Jebsen sei „hier in eine Auseinandersetzung verwickelt, die auch den Sender und das Programm“ betreffe. Jebsen wiederum erklärte, Grund für das Abschalten seiner Sendung seien „politische Diskrepanzen“. Sein Team sei wohl für manchen „zu politisch“. Er sei vielleicht irre, aber kein Antisemit. Er sagte aber (bisher) nicht, dass die umstrittene Mail-Passagen nicht von ihm stammten. Auf Facebook und Twitter laufen heftige Debatten über Zensur und politische (Un-)Korrektheit. Nun erklärte der RBB, Jebsen werde am kommenden Sonntag wie gewohnt bei Fritz zu hören sein. Die Vorwürfe gegen den Moderator, er verbreite antisemitisches Gedankengut und verleugne den Holocaust, halte die Anstalt für unbegründet. RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle wird in der Presseerklärung zitiert: „Ken Jebsen ist ein Moderator, der die jungen Hörerinnen und Hörer für Politik und Demokratie begeistern und sie zum Mitwirken anregen will. Wir mussten aber leider erkennen, dass er in manchen Fällen die Grenze überschritten hat. Pointierte Meinung passt in die Sendung – aber nicht, ohne die journalistischen Standards einzuhalten.“ Bleibt zu hoffen, dass hier nicht einer der wenigen sowohl ansprechenden als auch relativ anspruchsvollen Moderatoren in der deutschen Radio-Landschaft zumindest leiser geschaltet werden soll.
Und schließlich ein Blick ins sprachkritische Kaleidoskop: In einem Essay, also einer der anspruchsvollsten journalistisch-publizistischen Darstellungsformen hinsichtlich Inhaltes und Ästhetik, stand in der Berliner Zeitung vom 5.11., Seite 29: „Sie erfanden (…), aus der damaligen allgemeinen Gesellschaftskrise heraus, eine Form von bürgerlicher Gemeinschaft, mit der sie den Problemen gemeinsam Herr zu werden hofften.“ Es ging inhaltlich um das etwaige Ende von Demokratie – leider aber unter dem Strich auch hier um einen weiteren Sargnagel für den Genitiv (früher auch und heute veraltet: Genetiv), also den zweiten Fall der deutschen Grammatik. Denn auch wenn wir uns DEM Dativ immer mehr bewusst werden – zumindest in Essays sollte doch auch heute noch ab und zu DEM Genitiv gedacht werden. Eben Vielfalt statt Einfalt. Oder um es mit Herrn Sick (sic!) zu sagen: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ (Ende DEM Zitat).
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat offenbar noch größere Sorgen als die um die Rechtsstreite, in denen ihr Gründer Julian Assange wegen Vorwürfen von Vergewaltigung weiterhin steckt und daher aus London kaum wegkommt. Er erklärte dieser Tage (vgl. BLZ vom 25.10.2011. S.26), Wikileaks werde bis auf Weiteres kein neues Material mehr veröffentlichen, sondern versuchen, die Geldsorgen der Website zu klären. Denn im Zusammenhang der harschen Kritik vor allem aus der US-Regierung an Wikileaks (weil man dort ab 2010 geheime Dokumente, die Wikileaks zugespielt worden waren, relativ offen publiziert hatte) hatten, was für ein Zufall, Finanzdienstleister und Banken insbesondere aus den USA Wikileaks sozusagen „offline“ gelegt, also die Geldwege gekappt. Assange machte nun namentlich Konzerne wie Mastercard, Visa, Paypal und die Bank of Amerika dafür verantwortlich, dass Wikileaks von 95 Prozent der bisherigen Zuwendungen abgeschnitten sei. Sicher sind nun manche – nicht nur in der US-Regierung und bei diesen Unternehmen – nicht unfroh, dass Wikileaks nur noch mit Rechtsstreit und Geldsorgen beschäftigt scheint. Nachdenklich sollte aber über diesen Fall hinaus stimmen, dass die scheinbar so selbstverständliche Pressefreiheit sich doch immer wieder als von der Gunst der Markt- und Macht-Eliten abhängig erweist. In Anlehnung an Bertolt Brechts „Lob des Lernens“ ließe sich sagen: „Was du selber nicht weißt, weißt du nicht“. Ist nur scheinbar trivial.
Mehr als die Hälfte, genau: 53 Prozent der Besitzer von Tablet-PC nutzen diesen täglich, um Nachrichten zu lesen. Aber bezahlen wollen die Allermeisten dafür nicht. Das fand jetzt laut Mediendienst kress (vom 26.10, 15.06 Uhr) eine Studie des Pew Research Centers for Excellence in Journalism in den USA und der Mediengruppe The Economist heraus. Während Verlage und Runkfunkanstalten große Hoffnungen auf Umsatz und Gewinn in die Tablets setzen (denn ihre Apps sind oft kostenpflichtig), haben laut Studie bisher nur 14% der Nutzer direkt für die Online-Nachrichten bezahlt (23 weitere Prozent nutzen die Netz-News über ein Printabo). Viele Tablet-Besitzer lesen, sehen und hören die Nachrichten eher direkt per Internetbrowser als via kostenpflichtige Anwendungen.
Der Journalist für Berliner Zeitungund Frankfurter Rundschau, Bernhard Honnigfort, hat vom Parteitag der Linken in Erfurt neben anderen Fragwürdigkeiten geschrieben (vgl. BLZ vom 22./23.2011, S.5), es habe an bestimmter Stelle „nur Wortgeklingel“ gegeben. In was für einem Beitrag? Es war keine Glosse, kein Kommentar, kein Essay, sondern es war – ein Bericht. Also: es sollte wohl einer sein. Jedenfalls im informationsbetonten Bereich der Zeitung. Ich habe per Leserbrief nachgefragt, über etwaige Reaktionen, selbst über Wortgeklingel, halte ich hier auf dem Laufenden.
Die Debatten über die Abhörskandale um das Haus Murdoch verlaufen selber tendenziell boulevard-journalistisch, also stark auf den Ebenen von Emotionalisierung, Personalisierung und Visualisierung. Welche Reaktionen zeigt der Senior, wie glaubwürdig wirkt der Junior, und wann bekommen wir Frau Brooks wieder zu sehen? Auch ein so verdienter Enthüller wie Carl Bernstein schaut derzeit vor allem auf die prominenten Personen, wenn er in „Newsweek“ kommentiert, der Fall könne sich zu „Murdoch’s Watergate“ ausweiten (20.7.2011, 16:05 Uhr).
Doch sind die Kirchs und Springers, oder eben die Murdochs und Maxwells dieser Konzern-Medienwelt nicht ohnehin Dinosaurier? Geschichte wird natürlich immer von konkreten Menschen gemacht, aber unter vorgefundenen sozialen Umständen, in Wechselwirkung mit den gesellschaftlichen Feldern, die die Menschen prägen und welche wiederum von jenen geprägt werden (könnte Pierre Bourdieu argumentieren). Deshalb sollten wir die strukturellen Aspekte dieser Krise viel mehr debattieren als nur die persönlichen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht schlagen Medien-Analysten von Firmen wie „Enders Analysis“ vor, der Aufsichtsrat von „News Corp“ könne zur Schadensbegrenzung (natürlich nur für die Firma, vom Schaden für die Gesellschaft ist bei Betriebswirten selten die Rede) einfach die Unternehmensspitze auswechseln. Denn selbstverständlich sei der Konzern wichtiger als einzelne Persönlichkeiten (vgl. Berliner Zeitung, 19.7.2011, S.2).
Ungewollt mögen solche „Analysen“ auf dialektischem Wege zur gesellschaftlichen Aufklärung beitragen – denn was wäre an Demokratisierung gewonnen, wenn Rupert Murdoch (oder wer auch immer) nur als Person aus der Schusslinie ginge? Nicht zuletzt Journalisten sollten hier nicht nur auf, sondern auch unter die Oberflächen schauen.
Seit 1995 erscheint ein Ranking der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne der Erde. Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) unter Lutz Hachmeister hat die Tabelle für das Jahr 2010 ( vorgelegt (www.mediadb.eu/rankings/intl-medienkonzerne-2011.html). Laut IfM wurden die Konzentrationsregeln vor allem in den USA und Großbritannien seit Jahren immer lockerer gehandhabt, was gerade dazu führte, dass Murdochs Konzern binnen 15 Jahren vom globalen fünften auf den dritten Platz aufsteigen konnte (Jahresumsatz 2010: 24,7 Milliarden Euro), hinter Comcast (41,4 – integrierter Medienkonzern mit Arenen und Ticketsystemen) und Walt Disney (28,7). Hachmeister fände es im Sinne globaler Konkurrenzfähigkeit deutscher Medienkonzerne dabei ganz sinnvoll, wenn sich „ein Haus wie Springer (…) die nun möglicherweise zum Verkauf stehenden britischen Murdoch-Zeitungen sicherlich zumindest ansehen“ würde (vgl. BLZ vom 18.07.2011).
Klar – wenn sich die „Sun“ auf BILD-Niveau bewegt, geht die Sonne auf in Sachen Medienvielfalt und relevanter Journalismus.
In der Meldungsspalte auf Seite Eins steht in der Berliner Zeitung vom 18.7.2011: „Vor dem für Donnerstag anberaumten Euro-Sondergipfel wähnt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gemeinschaftswährung nicht in der Krise“.
Leider ist für den Text keinerlei Quelle (mehr) auszumachen, doch dürfte dem keine Agenturmeldung zugrunde liegen. Der Satz hätte natürlich genau so lauten dürfen, allerdings im Meinungsteil der Zeitung. Denn „wähnen“ ist als Verb aus dem Wortfeld „sagen“ ähnlich ausdrücklich wertend wie zum Beispiel „halluzinieren“.
Doch das Gegenteil ist ebenso falsch – und dieser Tage weit mehr gehört als die gerade skizzierte Tendenz, in Form von Aussagen wie: „Kanzlerin Merkel glaubt nicht an eine Krise des Euro“. Der Journalist als Hirnchirurg, Neurobiologe oder Seelenklempner weiß sicher ganz genau, wie es in Frau Merkels Oberstübchen aussieht.
Alle anderen aber, denen diese Einsicht fehlt, könnten besser formulieren – Merkel sagt, sie glaube nicht an eine Krise des Euro.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, könnte man dieser Tage mit Friedrich Hölderlin hinsichtlich des britischen Medien- und Politikmarktes sagen. Sah es vor einigen Tagen noch so aus, als würde der Medien-Großunternehmer Rupert Murdoch ohne Probleme sein globales Imperium erweitern können durch die Komplettübernahme des potentiellen Goldesels und Bezahlfernsehens BSkyB auf der Insel, zeigen die dramatischen Entwicklungen derzeit, dass Menschen anscheinend doch immer auch anders können (müssen). Murdoch hat offenbar zu hoch pokern lassen in anderen Filialen seines Reiches (Schließung des Boulevard-Blattes „News of the World“ nach Vorwürfen schwerer krimineller Vergehen). Nun deuten Politiker wie der britische Labour-Chef Edward „Ed“ Miliband zumindest an, dass sie mehr sein können als bloße Marionetten im Theater von Leuten wie Rupert Murdoch. In der Tat sollten Konzentrationstendenzen von wirtschaftlichem, politischem, medialem und kulturellem Kapital wie in den Fällen von Rupert Murdoch oder auch Silvio Berlusconi bei all denen Alarmglocken läuten lassen, welchen Demokratisierung und daher Vielfalt auf allen Ebenen der Gesellschaft nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Oder um es konkret mit Hans Leyendecker zu sagen: „(…) Auf die Idee, das Handy eines entführten Mädchens zu manipulieren, um Botschaften der verzweifelten Eltern abfangen zu können, wie es News of the World gemacht hat, kann nur jemand kommen, der ein krankes Verständnis von Pressefreiheit hat“ (SZ vom 11.7.2011, S.15).
Stefan Aust ist mittlerweile 65 Jahre alt. Vor einem Jahr war der frühere Spiegel-Chefredakteur beim Fernsehsender N24 eingestiegen, und nun zeigte sich Aust zufrieden mit der dortigen Entwicklung: Man habe die Quoten steigern können, auch die Werbung laufe recht gut. Aust sagte, er wäre zufrieden, könne man diese Tendenzen fortsetzen. Vor einem Jahr hatte der damalige Eigner, die Mediengruppe ProSiebenSat.1, den TV-Nachrichtenkanal an Führungskräfte des Senders und eben an Aust verkauft. Der hat ja offenbar noch einige Jahre bis zur Rente (mit 76?) und verkündete daher, sowohl N24 mit weiteren Projekten ausbauen als auch seinen Plan für eine ganz neue Art von Zeitschrift weiter verfolgen zu wollen (vgl. dpa-Meldung vom 30.6.2011).
„Facebook“ baut seine Marktstellung weiter aus: Klar, dass viele beim „Gesichtsbuch“ den „Freund“ auch sehen wollen, denn kaum etwas interessiert uns Menschen ja mehr als andere Menschen. Insbesondere, was von denen so zu sehen ist. Also gab Mark Zuckerberg nun bekannt, dass seine fast 700 Millionen Freunde weltweit (davon knapp 20 Millionen in Deutschland, siehe Wikipedia-Seite, 13.7.2011, 11.10 Uhr) ab jetzt sowohl mit mehreren Bekannten gleichzeitig chatten als auch sich dabei sehen können – Videochat-Partner ist der Telefonier-Dienst Skype. Das alles versteht sich fast von selbst, wenn man weiß, dass Skype im Mai 2011 für 8,5 Milliarden Dollar vom Konzern Microsoft gekauft wurde, der wiederum (die Welt ist ein Dorf, zumindest hier für die Herren Gates und Zuckerberg) Anteile an Facebook besitzt. Ein einfältiger Schelm, wer da an Einfalt denkt (vgl. Berliner Zeitung, 8.7.2011, S.30).
„Eine Birgit Prinz wird ihre internationale Laufbahn nun wohl beenden“, und eine andere Birgit Prinz ihre Karriere im Frauenfußball fortsetzen? Was der Moderatoren-Mann Norbert Galeske da im ZDF nach dem WM-Spiel Deutschland – Japan fabulierte, war sicher nicht seinem Geschocktsein über das Viertelfinal-Ausscheiden des deutschen Teams geschuldet. Sondern dies ist leider das ganz normale Franz-Beckenbauer-Deutsch, wie wir es seit Jahrzehnten von Dampfplauderern wie eben „einem Franz Beckenbauer“ gewohnt sind. Hat aber auch „einen Jacques Rogge“ und sein IOC kaum überzeugt, mit Blick auf München 2018.
ARD und ZDF planen eine Allianz gegen die Google-Tochter Youtube und andere mächtige Internet-Plattformen: Im Dezember dieses Jahres soll eine Online-Mediathek in Zusammenarbeit mit großen deutschen Film- und Fernsehproduzenten an den Start gehen. ZDF-Intendant Markus Schächter sagte, es gehe um sehr viel Geld im Bereich Video-on-Demand. Das Angebot soll kommerziell sein, also mittels Gebühren oder auch Werbung funktionieren. Dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten eine solche Web-Videothek als Geschäft betreiben wollen, ist umstritten – die privaten Sendergruppen RTL und ProSiebenSat.1 lehnen dieses Projekt ab. Nicht zuletzt, da beide selbst jüngst vom Bundeskartellamt in ähnlicher Mission zurückgepfiffen worden waren – Argument seinerzeit: die überwältigende Marktmacht beider Gruppen zusammen auf dem TV-Werbemarkt. Trägt das Projekt zu mehr kultureller, medialer Vielfalt in Deutschland bei? Das sollte das Hauptkriterium sein, und in dieser Hinsicht dürften wir keinesfalls euphorisch werden, sofern Intendanten vor allem ans Geldverdienen zu denken scheinen. Mehr dazu unter http://detektor.fm, einem bemerkenswerten Internetradio aus Leipzig, dessen junge Journalisten-Kollegen mich gerade zum Thema ausführlich befragten.
Zu grün zum Autorisieren? Der „Focus“ geriet dieser Tage in die Schlagzeilen, da er offenbar ein Interview mit der Grünen Renate Künast aus dem Heft 26 warf. Es ging thematisch um „die Entzauberung der Grünen“. Der Fraktionssprecher der Grünen witterte einen „beispiellosen Affront“, da am Ende des Autorisierungsprozesses (siehe Ziffer 2.4. Pressekodex) noch „völliges Einvernehmen“ geherrscht habe. Das Nachrichtenmagazin hielt sich bedeckt und berief sich auf ganz normale redaktionelle Entscheidungen. Doch darf begründet vermutet werden, dass auch hier das Gespräch erheblich umgeschrieben wurde durch die Interviewte (vgl. Berliner Zeitung, 27.6.2011, S.30). Interviewen als lebenslanger Lernprozess auf allen Seiten, auch denen des Focus.
Das oder auch der Blog „GuttenPlag Wiki“ hat im Anschluss ans Medienforum NRW in Köln den „Grimme Online Award“ bekommen (vgl. Mediendienst kress) und wurde von der Jury in der Kategorie ‚Spezial‘ als politisch relevantes und viel diskutiertes Angebot prämiert. Das Blog hatte fast im Alleingang die beinahe zu gutten Unkorrektheiten des damaligen Verteidigungsministers in dessen Doktorarbeit enttarnt. Den Grimme-Preis gab es hier für Idee, Initiative und Autorenschaft. Die Jury lobte die faire und unvoreingenommene Herangehensweise der Administratoren des Wikis. Wikis nicht als Journalismus, aber als etwaige neue Brücke in diese Richtung.
Folgt aus dem angenommenenn Satz „Wenn Laufzeitverlängerung für AKWs, dann Brennelementesteuer“ der Satz: „Wenn keine Laufzeitverlängerung, dann auch keine Brennelementesteuer?“ Die Strukturfrage lautet hier: Was folgt aus der Annahme: „Wenn A, dann B“? Daraus folgt genau: „Wenn nicht B, dann nicht A“! Ein Beispiel: „Wenn es regnet, ist die Straße nass“ – Daraus folgt nur: „Wenn die Straße nicht nass ist, dann regnet es nicht“. Es folgt NICHT daraus: „Wenn es nicht regnet, ist die Straße nicht nass.“ – Denn die Straße kann ja auch durch eine Kehrmaschine gewässert worden sein. Also folgt aus obiger Annahme rein logisch nur: „Wenn keine Brennelementesteuer – dann auch keine Laufzeitverlängerung“. LOGO: „Wenn – dann“ ist NICHT „Genau dann, wenn“. Das sind zwei verschiedene logische Operatoren.
Seit dieser Woche klagen acht wichtige deutsche Zeitungsverlage vor dem Kölner Landgericht (weil die ARD-Vorsitzende die WDR-Intendantin Monika Piel eben in Köln ist) gegen Teile der „App“ der ARD-Tagesschau für Smartphones und Tablets. Begründung von Verleger-Verbandschef Dietmar Wolff: Laut Paragraph 11d des aktuellen 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrages seien „nicht sendungsbezogene presseähnliche Angebote“ bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht zulässig. Offenbar verdirbt die Konkurrenz von ARD und ZDF den privaten Verlagen hier einen Teil des ohnehin mühsamen Journalismus-Geschäftes im Internet (laut NDR haben bisher 1,7 Millionen Nutzer die App heruntergeladen). Die Vorwürfe der privaten Verleger gehen also in Richtung „Wettbewerbsverzerrung“ und „staatsfinanzierte Presse“. Aber wäre aus Sicht der vielfältigen Nutzer (die ohnehin Gebühren zahlen) gar keine Konkurrenz hier tatsächlich besser als die derzeit dominante gebührenfinanzierte? Interessierte Nachtigall, ick hör‘ Dir trapsen oder eben appsen….
Mitbringsel aus London: Der legendäre britische Times-Journalist Louis Heren (1919-1995) soll die beiden journalistischen Grundtugenden „kritische Distanz“ (hier als „Neid“, mischief) und „Neugier“ (curiosity) laut John Mair von der Coventry University so zusammengefasst haben: „Who is this LYING BASTARD just talking to me?“ und „WHY is this lying bastard talking to me?“. Das sollte laut Heren und Mair im Journalismus mehr berücksichtigt werden – sofern den beiden nicht selbst als „lying bast….“ zu begegnen wäre.
Beim „Miami Herald“ scheint die oft geforderte Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung im Verlagshaus noch zu funktionieren: Laut Agentur „sid“ (vom 14.6.2011) hatte die Tageszeitung in Florida am Tag nach dem Sieg von Miami-Gegner Dallas Mavericks in der nordamerikanischen Basketballmeisterschaft eine fast ganzseitige Anzeige der Kaufhauskette „Macy’s“ im Blatt mit der Schlagzeile „Glückwunsch, Miami!“ Dazu wurden erste Fan-Artikel des vermeintlichen neuen Meisters angeboten. So weit kann der Wurf also am Ziel vorbeigehen, wenn die Anzeigenabteilung komplett unabhängig von der Nachrichtenlage agiert. Aber andersherum ist es natürlich nicht weniger fragwürdig – wenn es gar keine Trennung mehr gäbe.
Sowohl im aktuellen Kurs als auch während einer Konferenz in London stießen wir auf das Thema „Transparenz“: Nicht nur, aber insbesondere in den eher subjektiven journalistischen Darstellungsformen. Das Argument des Klarmachens der Produktionsbedingungen finde ich sehr wichtig. Dann können wir auch einen Modellbahn-Keller und/oder Hochsicherheitstrakt erlebbar machen, den wir selbst nie gesehen haben. Auf der Konferenz „What makes good journalism“ in London hörte ich gerade das entsprechende Argument einer BBC-Radiomoderatorin: Es ging um einen gravierenden Unfall in der Region, eine Zeugin hatte sich gemeldet. Man versuchte, die Lage für das Radio-Publikum zu besprechen – die Moderatorin wollte den Gast lieber im Studio haben als per Telefon interviewen. Die Zeugin sagte daraufhin am Telefon: „Okay, kann ich meinen Blindenführhund mitbringen?“. Das ging natürlich, und so wurde die Ohrenzeugin (von der man bis dahin „natürlich“ angenommen hatte, sie sei „Augenzeugin“) im Studio interviewt – und allen war nun klar, worin hier die besondere Zeugenschaft bestand. Da kann auch mancher Spiegel-Reporter oder manche Kisch-Jury noch etwas lernen.
Peter Boudgoust bleibt SWR-Intendant und will in seiner nächsten Amtszeit laut eigenen Worten sich gemeinsam mit dem ZDF für einen öffentlich-rechtlichen TV-Jugendkanal einsetzen. Finde ich ganz wichtig, denn bisher kommt nach dem KiKa (Zielgruppe bis ca. 12 Jahre) für die Heranwachsenden fast nur privat-Rechtliches. Da gibt es wenig wirkliche Auswahl (und die RTL-Dschungelshow ist laut Mediendienst „kress“ das massen-erfolgreichste TV-Format der Saison 2010/2011). Was den Kinderkanal angeht, könnte dessen relativ gutes Programm nach MDR-Angaben ja noch um 8,2 Millionen Euro „besser“ sein, wenn nicht der mittlerweile geständige Ex-Produktionsleiter genau diese Summe in den vergangenen Jahren anscheinend veruntreut und spielsüchtig verzockt hätte. Es bleibt aber eines der öffentlich-rechtlichen Rätsel, wie eine solche Summe lange Zeit unbemerkt „verschwinden“ konnte. Dafür muss eine alte Frau lange Gebühren zahlen.
Laut Mediendienst „kress“ hat „Facebook“ in Deutschland Anfang Juni 2011 die 20-Millionen-Nutzer-Marke überschritten (Nutzer, die mindestens einmal im Monat das Netzwerk anklicken). Jeder zweite von denen tut das sogar täglich – weltweit waren es im Mai 2011 640 Millionen Nutzer, etwa jeder 13. Erdenbürger. „Facebook“ ist längst Weltmarktführer, und wie es das Wort „Markt“ sagt, geht es bei diesem Geschäftsmodell weniger um soziale Kommunikation, sondern um den Handel mit Kontakten und Daten.
Die „Süddeutsche“ macht am 15.6.2011 mit dem Thema etwaig steigender Zahnarztkosten für viele Patienten auf. In der Unterzeile heißt es: „Mediziner halten die Befürchtungen für übertrieben“. Gut, dass die SZ-Kollegen in die Köpfe der Ärzte-Vertreter hineinschauen können. Falls sie es aber doch nicht können – wie sollten sie es dann statt der gut gemeinten Worte besser formuliert haben?