Das größte deutsche Verlagshaus, der Axel-Springer-Konzern, ist nach eigenen Angaben weiterhin wirtschaftlich erfolgreich, und zwar noch stärker, als von Branchenkennern ohnehin erwartet (vgl. BLZ vom 8.11., S.26): Zwar seien auch im dritten Quartal 2011 die Erlöse der Inlands-Printmedien (BILD, Welt etc.) leicht rückläufig gewesen, dafür hat Springer aber laut Vorstandschef Mathias Döpfner in den Bereichen Auslandsgeschäft (Erlöszuwachs um 35,5 % gegenüber dem Vorjahr) und Internet (34,4 % Zuwachs) enorm zugelegt. Mit derart gefüllten Kassen zeigt sich der Konzern weiterhin an der Übernahme von Teilen der WAZ-Gruppe sehr interessiert, namentlich an deren 50-Prozent-Anteil an der österreichischen Kronenzeitung (dort die auflagenstärkste Boulevard-Zeitung), aber auch an den deutschen Programmzeitschriften der WAZ-Gruppe (Gong, Bild+Funk, TVdirekt) und an den Online-Aktivitäten jenes Verlages. Und jetzt zu etwas völlig Anderem („Now for something completely different“, wie es bei Monty Python heißt): Wie der Branchendienst Kress meldet (siehe www.kress.de, vom 10.11.2011), reicht den großen deutschen Verlagen das bisherige Entgegenkommen der Bundesregierung im Fall „Künftige Pressefusionen“ nicht: Die Koalition aus Union und FDP hat zwar mehrfach erklärt, die Regeln für Pressefusionen lockern zu wollen – doch den Zeitungsverlegern gehen die geplanten Änderungen nicht weit genug. Laut dem Zeitungsverlegerverband BDZV sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die für Presseunternehmen geltende Aufgreifschwelle von Faktor 20 auf Faktor acht reduziert wird. Damit würden Verlage mit einem gemeinsamen Umsatz von bis zu 62,5 Mio Euro bei einer Fusion künftig keiner Kontrolle durch das Kartellamt mehr unterliegen. Derzeit liegt diese Grenze bei 25 Mio Euro, mit dem erklärten Ziel (besonders auf diesem Feld, mehr noch als in anderen Märkten), Vielfalt zu stärken. Ironie der Geschichte jetzt – die Verleger fordern aktuell Erleichterungen für ihre Geschäfte ebenfalls mit dem Argument, nur so Vielfalt sichern zu können. Da fällt mir zufällig der Satz des durchaus konservativen FAZ-Gründungsherausgebers Paul Sethe ein, veröffentlicht 1965 in einem Leserbrief im „Spiegel“: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. So viel heute zum Thema Medienvielfalt (die ich in jeder Hinsicht erstrebenswert finde).
Ken Jebsen ist ein polarisierender Radio-Moderator. Er spricht sehr schnell und pointiert, lässt mit seinen Inhalten und Formen aufhören. Seit dem 28. April 2001 moderiert und produziert er laut Wikipedia für die RBB-Jugendwelle „Fritz“ die von ihm konzipierte Radioshow KenFM. Am vergangenen Sonntag war erstmals seit langer Zeit kein KenFM zu hören, sondern vier Stunden lang nur Musik, ohne Moderation (andere Radiowellen wie BB Radio werben ja damit – „Zehn Hits ohne BlaBla“ – ich denke, so, als Playlist für alle, schaltet sich das Radio ganz sicher selbst ab). Was schien passiert? Der Publizist Henryk M. Broder hatte (laut Berliner Zeitung vom 8.11., S.22) in einer Mail an die Senderverantwortlichen dem Moderator Antisemitismus vorgeworfen, festgemacht an dem Jebsen zugerechneten Mail-Satz: „ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat“. Senderchef Stefan Warbeck sagte, Jebsen sei „hier in eine Auseinandersetzung verwickelt, die auch den Sender und das Programm“ betreffe. Jebsen wiederum erklärte, Grund für das Abschalten seiner Sendung seien „politische Diskrepanzen“. Sein Team sei wohl für manchen „zu politisch“. Er sei vielleicht irre, aber kein Antisemit. Er sagte aber (bisher) nicht, dass die umstrittene Mail-Passagen nicht von ihm stammten. Auf Facebook und Twitter laufen heftige Debatten über Zensur und politische (Un-)Korrektheit. Nun erklärte der RBB, Jebsen werde am kommenden Sonntag wie gewohnt bei Fritz zu hören sein. Die Vorwürfe gegen den Moderator, er verbreite antisemitisches Gedankengut und verleugne den Holocaust, halte die Anstalt für unbegründet. RBB-Programmdirektorin Claudia Nothelle wird in der Presseerklärung zitiert: „Ken Jebsen ist ein Moderator, der die jungen Hörerinnen und Hörer für Politik und Demokratie begeistern und sie zum Mitwirken anregen will. Wir mussten aber leider erkennen, dass er in manchen Fällen die Grenze überschritten hat. Pointierte Meinung passt in die Sendung – aber nicht, ohne die journalistischen Standards einzuhalten.“ Bleibt zu hoffen, dass hier nicht einer der wenigen sowohl ansprechenden als auch relativ anspruchsvollen Moderatoren in der deutschen Radio-Landschaft zumindest leiser geschaltet werden soll.
Und schließlich ein Blick ins sprachkritische Kaleidoskop: In einem Essay, also einer der anspruchsvollsten journalistisch-publizistischen Darstellungsformen hinsichtlich Inhaltes und Ästhetik, stand in der Berliner Zeitung vom 5.11., Seite 29: „Sie erfanden (…), aus der damaligen allgemeinen Gesellschaftskrise heraus, eine Form von bürgerlicher Gemeinschaft, mit der sie den Problemen gemeinsam Herr zu werden hofften.“ Es ging inhaltlich um das etwaige Ende von Demokratie – leider aber unter dem Strich auch hier um einen weiteren Sargnagel für den Genitiv (früher auch und heute veraltet: Genetiv), also den zweiten Fall der deutschen Grammatik. Denn auch wenn wir uns DEM Dativ immer mehr bewusst werden – zumindest in Essays sollte doch auch heute noch ab und zu DEM Genitiv gedacht werden. Eben Vielfalt statt Einfalt. Oder um es mit Herrn Sick (sic!) zu sagen: „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ (Ende DEM Zitat).