Die Debatten über die Abhörskandale um das Haus Murdoch verlaufen selber tendenziell boulevard-journalistisch, also stark auf den Ebenen von Emotionalisierung, Personalisierung und Visualisierung. Welche Reaktionen zeigt der Senior, wie glaubwürdig wirkt der Junior, und wann bekommen wir Frau Brooks wieder zu sehen? Auch ein so verdienter Enthüller wie Carl Bernstein schaut derzeit vor allem auf die prominenten Personen, wenn er in „Newsweek“ kommentiert, der Fall könne sich zu „Murdoch’s Watergate“ ausweiten (20.7.2011, 16:05 Uhr).
Doch sind die Kirchs und Springers, oder eben die Murdochs und Maxwells dieser Konzern-Medienwelt nicht ohnehin Dinosaurier? Geschichte wird natürlich immer von konkreten Menschen gemacht, aber unter vorgefundenen sozialen Umständen, in Wechselwirkung mit den gesellschaftlichen Feldern, die die Menschen prägen und welche wiederum von jenen geprägt werden (könnte Pierre Bourdieu argumentieren). Deshalb sollten wir die strukturellen Aspekte dieser Krise viel mehr debattieren als nur die persönlichen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht schlagen Medien-Analysten von Firmen wie „Enders Analysis“ vor, der Aufsichtsrat von „News Corp“ könne zur Schadensbegrenzung (natürlich nur für die Firma, vom Schaden für die Gesellschaft ist bei Betriebswirten selten die Rede) einfach die Unternehmensspitze auswechseln. Denn selbstverständlich sei der Konzern wichtiger als einzelne Persönlichkeiten (vgl. Berliner Zeitung, 19.7.2011, S.2).
Ungewollt mögen solche „Analysen“ auf dialektischem Wege zur gesellschaftlichen Aufklärung beitragen – denn was wäre an Demokratisierung gewonnen, wenn Rupert Murdoch (oder wer auch immer) nur als Person aus der Schusslinie ginge? Nicht zuletzt Journalisten sollten hier nicht nur auf, sondern auch unter die Oberflächen schauen.
Seit 1995 erscheint ein Ranking der 50 umsatzstärksten Medienkonzerne der Erde. Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) unter Lutz Hachmeister hat die Tabelle für das Jahr 2010 ( vorgelegt (www.mediadb.eu/rankings/intl-medienkonzerne-2011.html). Laut IfM wurden die Konzentrationsregeln vor allem in den USA und Großbritannien seit Jahren immer lockerer gehandhabt, was gerade dazu führte, dass Murdochs Konzern binnen 15 Jahren vom globalen fünften auf den dritten Platz aufsteigen konnte (Jahresumsatz 2010: 24,7 Milliarden Euro), hinter Comcast (41,4 – integrierter Medienkonzern mit Arenen und Ticketsystemen) und Walt Disney (28,7). Hachmeister fände es im Sinne globaler Konkurrenzfähigkeit deutscher Medienkonzerne dabei ganz sinnvoll, wenn sich „ein Haus wie Springer (…) die nun möglicherweise zum Verkauf stehenden britischen Murdoch-Zeitungen sicherlich zumindest ansehen“ würde (vgl. BLZ vom 18.07.2011).
Klar – wenn sich die „Sun“ auf BILD-Niveau bewegt, geht die Sonne auf in Sachen Medienvielfalt und relevanter Journalismus.
In der Meldungsspalte auf Seite Eins steht in der Berliner Zeitung vom 18.7.2011: „Vor dem für Donnerstag anberaumten Euro-Sondergipfel wähnt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gemeinschaftswährung nicht in der Krise“.
Leider ist für den Text keinerlei Quelle (mehr) auszumachen, doch dürfte dem keine Agenturmeldung zugrunde liegen. Der Satz hätte natürlich genau so lauten dürfen, allerdings im Meinungsteil der Zeitung. Denn „wähnen“ ist als Verb aus dem Wortfeld „sagen“ ähnlich ausdrücklich wertend wie zum Beispiel „halluzinieren“.
Doch das Gegenteil ist ebenso falsch – und dieser Tage weit mehr gehört als die gerade skizzierte Tendenz, in Form von Aussagen wie: „Kanzlerin Merkel glaubt nicht an eine Krise des Euro“. Der Journalist als Hirnchirurg, Neurobiologe oder Seelenklempner weiß sicher ganz genau, wie es in Frau Merkels Oberstübchen aussieht.
Alle anderen aber, denen diese Einsicht fehlt, könnten besser formulieren – Merkel sagt, sie glaube nicht an eine Krise des Euro.