Hören-Sagen und Augen-Zeugen

  1. Sowohl im aktuellen Kurs als auch während einer Konferenz in London stießen wir auf das Thema „Transparenz“: Nicht nur, aber insbesondere in den eher subjektiven journalistischen Darstellungsformen. Das Argument des Klarmachens der Produktionsbedingungen finde ich sehr wichtig. Dann können wir auch einen Modellbahn-Keller und/oder Hochsicherheitstrakt erlebbar machen, den wir selbst nie gesehen haben. Auf der Konferenz „What makes good journalism“ in London hörte ich gerade das entsprechende Argument einer BBC-Radiomoderatorin: Es ging um einen gravierenden Unfall in der Region, eine Zeugin hatte sich gemeldet. Man versuchte, die Lage für das Radio-Publikum zu besprechen – die Moderatorin wollte den Gast lieber im Studio haben als per Telefon interviewen. Die Zeugin sagte daraufhin am Telefon: „Okay, kann ich meinen Blindenführhund mitbringen?“. Das ging natürlich, und so wurde die Ohrenzeugin (von der man bis dahin „natürlich“ angenommen hatte, sie sei „Augenzeugin“) im Studio interviewt – und allen war nun klar, worin hier die besondere Zeugenschaft bestand. Da kann auch mancher Spiegel-Reporter oder manche Kisch-Jury noch etwas lernen.
  2. Peter Boudgoust bleibt SWR-Intendant und will in seiner nächsten Amtszeit laut eigenen Worten sich gemeinsam mit dem ZDF für einen öffentlich-rechtlichen TV-Jugendkanal einsetzen. Finde ich ganz wichtig, denn bisher kommt nach dem KiKa (Zielgruppe bis ca. 12 Jahre) für die Heranwachsenden fast nur privat-Rechtliches. Da gibt es wenig wirkliche Auswahl (und die RTL-Dschungelshow ist laut Mediendienst „kress“ das massen-erfolgreichste TV-Format der Saison 2010/2011). Was den Kinderkanal angeht, könnte dessen relativ gutes Programm nach MDR-Angaben ja noch um 8,2 Millionen Euro „besser“ sein, wenn nicht der mittlerweile geständige Ex-Produktionsleiter genau diese Summe in den vergangenen Jahren anscheinend veruntreut und spielsüchtig verzockt hätte. Es bleibt aber eines der öffentlich-rechtlichen Rätsel, wie eine solche Summe lange Zeit unbemerkt „verschwinden“ konnte. Dafür muss eine alte Frau lange Gebühren zahlen.
  3. Laut Mediendienst „kress“ hat „Facebook“ in Deutschland Anfang Juni 2011 die 20-Millionen-Nutzer-Marke überschritten (Nutzer, die mindestens einmal im Monat das Netzwerk anklicken). Jeder zweite von denen tut das sogar täglich – weltweit waren es im Mai 2011 640 Millionen Nutzer, etwa jeder 13. Erdenbürger. „Facebook“ ist längst Weltmarktführer, und wie es das Wort „Markt“ sagt, geht es bei diesem Geschäftsmodell weniger um soziale Kommunikation, sondern um den Handel mit Kontakten und Daten.
  4. Die „Süddeutsche“ macht am 15.6.2011 mit dem Thema etwaig steigender Zahnarztkosten für viele Patienten auf. In der Unterzeile heißt es: „Mediziner halten die Befürchtungen für übertrieben“. Gut, dass die SZ-Kollegen in die Köpfe der Ärzte-Vertreter hineinschauen können. Falls sie es aber doch nicht können – wie sollten sie es dann statt der gut gemeinten Worte besser formuliert haben?

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