Die Suche nach dem optimalen Text

  1. Die Beziehungen zwischen (festen) Redakteuren und (freien) Autoren gelten oft als gespannt. Michael Haller findet dabei, die Frage solle nicht heißen: Wie weit darf eine Redaktion eingreifen? Sondern statt dessen: Wie kommt sie zu einem optimalen Text? Deshalb bestimmt er eine „gute Textredaktion“ im Journalismus durch drei – oft widerstreitende – Ebenen: 1.) Erfüllung der objektiven Anforderungen an einen ansprechenden Text (Verständlichkeit, Satzbau, Folgerichtigkeit), 2.) Erhalt von Intention und Individualität des Autorentextes, 3.) Herausstellen des Medienprofils in umkämpften Märkten seitens der Redaktion (vgl. Message 2/2011, S.18f.).
  2. Dass es den Medien und ihren Buchhaltern „sooo schlecht“ ginge, wäre zu einfach auf hohem Niveau gejammert. Die Werbe-Investitionen sollen laut dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft 2011 um 2,4% wachsen. 2010 flossen laut ZAW 29,53 Mrd. Euro in Werbung, auch da schon 2,4% mehr als im Vorjahr. Doch es dominiert auch dabei die Export-Orientierung – für weltweit verkaufte deutsche Waren wird vor allem im Ausland geworben und kaum in deutschen Medien. Dabei hat es unter den Mediengattungen an der Spitze einen Wechsel gegeben: Erstmals erreichten die Fernsehsender die höchsten Einnahmen aus Werbeschaltungen, mit 3,95 Mrd. Euro – Anteil am Werbekuchen nun 21 Prozent (plus ein Prozent gegenüber 2009). Die zweitgrößte Werbeträgergruppe, die Tageszeitungen, konnte ihr Werbegeschäft nach dem dramatischen Vorjahresverlust stabilisieren bei 19 Prozent (minus ein Prozent). Weiter auf Platz drei die Postwerbung mit 16 Prozent (minus ein Prozent). Vierter sind die Anzeigenblätter (11%; plus 1 Punkt), Fünfter die Publikumszeitschriften (8%,) Sechster die Online- Angebote (5%, plus 1 Punkt). Dann folgen die Werbeträger Fachzeitschriften, Außenwerbung, Radio, Wochenzeitungen, Zeitungsbeilagen und Kino ( Quelle: kress.de).
  3. RTL aktuell kommt im Mai 2011 weiter voran in Richtung Marktführerschaft auch bei den TV-Nachrichten. Denn Redaktionsleiter und Hauptmoderator Peter Kloeppel, 52 Jahre alt, wird laut einer Emnid-Umfrage im Auftrag von „TV Digital“ (Axel-Springer-Verlag) von den relativ meisten Deutschen in der Sparte „männlicher Nachrichtenmoderator“ als Spitzenreiter gemocht. Ihn kennen die meisten, und ihm wird die höchste Kompetenz zugesprochen. Es folgen Claus Kleber (ZDF) und Tom Burow (ARD). Auf den Plätzen dahinter rangieren Claus-Erich Boetzkes (ARD), Gerhard Delling (ARD), Michael Marx (ProSieben), Thomas Klug (N24) und Christoph Teuner (n-tv). RTL-Anchor Kloeppel kommt vor allem bei Frauen gut an, befragt wurden laut Emnid 1001 Deutsche ab 14 Jahren. (Quelle: kress.de).
  4. Gelesen wird weiter, aber anders, zumindest in den USA: Der Internet-Handelskonzern „Amazon“ verkauft dort mittlerweile mehr elektronische als gedruckte Bücher (Taschenbücher und Hardcover-Ausgaben zusammengerechnet). Auf 100 verkaufte gedruckte Bücher seien seit Anfang April 2011 bereits 105 Exemplare für den eBook-Reader „Kindle“ gekommen, sagte Amazon-Firmengründer Jeff Bezos . Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hätte sich der Absatz der eBooks verdreifacht. Kostenlose eBooks, die Amazon auch zum Download bereithält, seien in dem Vergleich nicht berücksichtigt, vermeldet der Branchendienst kress.
  5. Die Nachrichtenagentur „Reuters“ schrieb am 10.5.2011 in einem Bericht: (…) „Der sehr populäre Telefondienst Skype bringt Microsoft nicht nur neue Kunden und Kommunikationsangebote, sondern auch ein Standbein im lukrativen Geschäft mit Video-Konferenzen. In Zeiten, wo Unternehmen weltweit immer stärker bei Geschäftsreisen sparen, wird der Austausch über den Bildschirm immer wichtiger (…)“. Jetzt, wo es „Reuters“ so schreibt, leuchtet es mir auch ein ….

Bessere Bezahlung für freie Journalisten!

  1. Viele junge Journalisten finden ihren Einstieg ins Berufsfeld über die freie Mitarbeit. Deshalb widmet Michael Haller die aktuelle Ausgabe der von ihm herausgegebenen Fachzeitschrift Message dem Thema, wie Redaktionen und Freie miteinander umgehen (sollten) (vgl. Message 2/2011, S.12ff.). Insgesamt wollen die Artikel zeigen, dass und warum Kooperation zwischen Kern- und Randbelegschaft zu besserem Journalismus führt. Haller unterscheidet dabei vier Gruppen von freien Journalisten: 1.) Freie ohne festen Auftraggeber, zu denen viele Kollegen zählen, die Haupteinnahmen aus PR und Werbung erzielen; 2.) Bauchladen-Journalisten mit mehreren festen Abnehmern (insbesondere Korrespondenten wie z.B. einen deutschen Fußball-Experten in Barcelona); 3.) Feste Freie, die vornehmlich und regelmäßig für einen Auftraggeber arbeiten (Pauschalisten); 4.) Netzwerk-Journalisten, die mit anderen kooperieren (vor allem jüngere Fachjournalisten, die sich auf Themen und Abnehmerkreise spezialisieren). Als hauptberufliche Journalisten (mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit für journalistische Tätigkeit) gelten Haller 2011 „deutlich unter 20.000“. Fakten zur Lage der Freien in Deutschland verspricht eine Untersuchung von Michael Meyen (Uni München), die 2009 veröffentlicht wurde (vgl. Message 2/2011, S.15) und sich auf Online-Befragungen von gut 1500 organisierten deutschen Fachjournalisten bezieht: Zwei Drittel sagen, sie arbeiteten freiwillig als Freie. Grundfähigkeiten seien journalistisches Handwerk und Unternehmertalent (Hartnäckigkeit gegenüber Redakteuren, kommunikative Kompetenz und insbesondere hohe Zuverlässigkeit). Der Bruttoverdienst beträgt laut Studie für drei Viertel weniger als 4000 Euro pro Monat. Knapp 40 Prozent geben an, auch mit PR und Werbung Einnahmen zu erzielen, von den Online-Kollegen sogar 63 Prozent. Die Forscher folgern: „Wenn die Vermischung von Journalismus mit anderen Tätigkeiten ein Problem sein sollte, muss man Freiberufler besser bezahlen.“ Dazu noch ein Servicetipp: Ersten Aufschluss über Honorare gibt die verdi-Website www.mediafon.net unter der Rubrik „Honorare/Verträge“.
  2. Jury-Bashing war weitgehend angesagt nach der erstmaligen Aberkennung des bekanntesten deutschen Journalistenpreises. Auch Prominente wie Wolf Schneider und Horst Seehofer kritisierten die Mehrheit der Juroren deutlich. Allerdings steckte in den Worten von Seehofer (vgl. dapd-Meldung vom 13.5.2011) ein Körnchen (neuer) Wahrheit. Die Informationen im umstrittenen Spiegel-Porträt über ihn seien richtig. Doch die Figur, die in Seehofers Modellbahn-Welt Angela Merkel darstellen soll, sei aus Holz und nicht aus Plastik, wie Kurzzeit-Egon-Erwin-Kisch-Preisträger René Pfister geschrieben hatte. Holz oder Plastik? Ist das nicht völlig egal? Kann man so sehen. Aber da szenische Einstiege in ihrer Suggestivkraft genau auf die Glaubwürdigkeit solcher Details setzen: Vielleicht wäre es doch gut gewesen, der Reporter hätte mit eigenen Augen geschaut. Oder eben, das bleibt mein Punkt, deutlich gemacht, dass er KEIN Augenzeuge war.
  3. Da es gerade umBruttoverdienst freier Journalisten ging: Heißt es „das Verdienst“ oder „der Verdienst“? Beides ist möglich, je nach Kontext. Für diesen Blog bekomme ich keinen Extra-Verdienst, auch wenn ich mir damit Verdienste erworben haben mag.
  4. Am Mittwochmorgen verkündete die Tafel 120 im ARD-Teletext, dass die Lokführergewerkschaft GDL den „Hartz-Elbe-Express“ bestreike. Wenn man damit „Billigbahn“ meint, sollte man dennoch mal in die Region fahren, wie schon Heinrich Heine auf seiner „Harzreise“- damals (1824) hieß das deutsche Mittelgebirge allerdings noch „Harz“.

Sagenhafte Preisgeschichte

  1. Erstmals in der Geschichte des renommierten Henri-Nannen-Preises wird er wieder aberkannt: Der Spiegel-Redakteur Renè Pfister hatte die Ehrung in der Kategorie Reportage als „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ kürzlich erhalten, für ein Porträt über Horst Seehofer vom August 2010. Am Montag erkannte eine Mehrheit der Jury (7:4) ihm diesen Preis wieder ab. Begründung: Pfister habe die Einstiegsszene gar nicht selbst beobachtet, sondern sich offenbar auf ungenannt bleibende Quellen (Archiv, Kollegen) bezogen. Seine Augenzeugenschaft hatte Pfister auch nicht explizit behauptet, bei der Preisverleihung allerdings auf Nachfrage erklärt, er sei nie in Seehofers Keller gewesen. Der Streit drehte sich nun nicht nur in der Jury um die Frage, welchen Eindruck der Reporter mit Sätzen wie „ (…) Dort unten steht seine Eisenbahn, es ist eine Märklin H0 im Maßstab 1:87, er baut seit Jahren daran (….)“ erweckt. Es geht um den szenischen Einstieg. Beim „Spiegel“ heißt der laut Berliner Zeitung (11.5.2011, S.30) seit langem „szenische Rekonstruktion“. Diese Tradition dient der Dramatisierung von Sachverhalten. Im Kern geht es hier um die Frage „Glaubwürdigkeit“ versus „Transparenz“: Glaubwürdig können viele Beiträge sein, die sich schön und einfach lesen, geschmeidig durchlaufen. Transparenz ist für Anbieter und Nutzer aufwändiger, unbequemer – meines Erachtens aber auch hier, im Bereich der empirisch-subjektiven Darstellungsformen, journalistisch professionell. Andererseits sind Glaubwürdigkeit und Transparenz kein Widerspruch an sich – insofern im jeweils konkreten Falle deutlich wird, dass der Reporter aus Zwecken der Ansprechhaltung in die Rolle einer bestimmten „Textperson“ (G.A. Heussen) schlüpft, um seine Nutzer noch besser erreichen, hier also dramatisieren zu können als scheinbarer Augenzeuge. Wie Marin Majica und Ralf Mielke anmerken, scheint auch beim „Spiegel“ an dieser Baustelle der Modalitäten gelernt zu werden. Denn die Titelgeschichte des Heftes 19/2011 zur Meldung von der Tötung Osama bin Ladens beginnt nicht mit „Das Meer war halbwegs friedlich am vergangenen Montagmorgen“, sondern mit „Das Meer muss halbwegs friedlich gewesen sein ….“. Ich finde zwar die Modalitäten „dürfte“ oder „soll“ noch angemessener (weil „muss“ doch ziemlich absolut erscheint, wenn als Quelle im nächsten Satz nur ein „Wetterprotokoll“ genannt wird). Aber ich war ja auch nicht vor Ort dabei ….
  2. Der deutsche Journalisten-Verband DJV hat Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen Schweigens zum ungarischen Mediengesetz kritisiert (dpa-Meldung vom 6.5.2011). Nur zwei Tage nach dem Welttag der Pressefreiheit habe Merkel den ungarischen Premier Viktor Urban in Berlin „freundlich empfangen“, aber „kein Wort zur faktischen Abschaffung der Pressefreiheit“ in Ungarn verloren. Wie die dpa an jenem Tag ebenfalls meldete, lassen sich die Verlage Axel Springer und Ringier (Schweiz) ihre Geschäfte in Ungarn allerdings kaum beeinträchtigen. Obwohl der umstrittene ungarische Medienrat den beiden deutschsprachigen Konzernen einen Zusammenschluss ihrer Geschäfte im Lande untersagt hatte, deutet viel daraufhin, dass das Joint Venture doch wirksam wird – Springer gibt in Ungarn zehn Zeitungen und 30 Zeitschriften heraus, Ringier zwölf größere Printtitel.
  3. „Der FDP-Spitzenpolitikern Silvana Koch-Mehrin soll nach einem Zeitungsbericht der Doktortitel wegen Plagiierens aberkannt werden“, beginnt eine ReutersMeldung vom 10.5.2011. Die Verwendung des Genitivs nach „wegen“ bleibt sicher hohe Schule, aber was danach folgt, ist kaum verständlich. Wie geht es besser, ohne einfach abzuschreiben?

William bekommt Kinder?

  1. Die royale Hochzeit in London übertrugen in Deutschland sechs Sender parallel live: Das Erste der ARD wurde, laut Mediendienst kress vom 4.5.11, 12 Uhr, „Quotenkönig“ mit 4,48 Millionen gemessenen Zuschauern über die ca. fünf Stunden. Summiert hatten die Hochzeitssender rund zehn Millionen Windsor-Fans angelockt. Hinter der ARD landete das ZDF mit 2,48 Mio Zuschauern auf Platz zwei. Und es war eben doch gut, dass die beiden öffentlich-rechtlichen Vollprogramme hofberichterstattungsmäßig gleichgeschaltet waren: Denn sie waren nur fast gleichgeschaltet – den Trauspruch selbst gab es im Ersten live übersetzt, im Zweiten dafür im unkommentierten O-Ton. Wenn das nicht Vielfalt und Bildungsauftrag entspricht, was dann? (Quelle: BLZ, 30.4.11, S.33).
    Für die RTL-Übertragung übrigens hatten sich im Durchschnitt rund 1,81 Mio Gesamtzuschauer entschieden – mit einem durchschnittlichen Marktanteil von rund 20,5% zahlte sich für die Kölner die Bilanz in der Werbewertung aus.
    Nur für Sat.1 ging die Rechnung nicht auf: Lediglich 790.000 Zuschauer verfolgten hier die lange Vormittags- und Mittags-Sondersendung. Abends war gegen „Küss mich, Kate!“ im Ersten dann gar kein Ankommen mehr: Die Primetime-Rückschau erzielte mit 5,83 Mio Gesamtzuschauern den Reichweitensieg einer Einzelsendung am Freitag. Weil sich darunter auch 1,75 Mio. bis 14- bis 49-Jährige befanden, schlug die ARD den Privaten gegen deren Showsendungen ein Schnippchen: Der Marktanteil bei den Werberelevanten betrug hier nämlich relativ starke 16,6%.
  2. Da das Ansehen von Journalisten in Deutschland laut aktueller Allensbach-Umfrage auf einem neuen Tiefpunkt angekommen scheint (vgl. NDR-Zapp vom 27.4.11), ist die Frage nach Qualität in der Branche wichtiger denn je. Beim Leipziger ´“Medientreffpunkt Mitteldeutschland“ in dieser Woche gab es von führenden Vertretern von MDR und NDR Signale, mehr mit Zeitungen und deren Online-Portalen kooperieren zu wollen. NDR-Intendant Lutz Marmor sagte (laut dpa-Meldung 3.5.11) „Die Zeitungen haben die Kompetenz im Lokalen, wir bei den Videos“. Schön, wenn es hier um mehr ginge als um bloße Mehrfachverwertung vorhandener Inhalte. Journalistische Vielfalt sähe auch dabei sicher anders aus.
  3. Der deutsche „Duden“ ist seit dem 3.5. laut Bibliografischem Institut
    Mannheim auch online und kostenlos verfügbar (www.duden.de), mit der ausdrücklichen Zielgruppe „junge Menschen“. Gerade selbst am Beispiel „Herzlich willkommen“ getestet – es lohnt sich, denn dort finden sich sogar noch mehr Wege als in der Printausausgabe, auch Hörbeispiele und typische Wendungen. Das gibt dem „Kaleidoskop“ ganz neue Perspektiven …. 😉
  4. Aber das Denken nimmt uns auch der Online-Duden nicht ab: BILD schrieb am 27.4.11 auf Seite 12 zur royalen Hochzeit: „Bei einer Scheidung bekommt William die Kinder“. Der Prinz mag ja vieles können, Fliegen und Küssen, aber Kinderaustragen? Wie hätte es treffend und kaum länger heißen können?

Feine digitale Gesellschaft?

  1. In Berlin fand Mitte April die Bloggerkonferenz Re:publica erneut statt, einer der Organisatoren ist zugleich einer der bekanntesten Blogger deutscher Zunge, Markus Beckedahl. Er betreibt das Blog (sächlich ist laut Duden die Hauptvariante, vielleicht wegen „das Netztagebuch“ oder „das Netzjournal“; männlich geht als Nebenversion) Netzpolitik.org und gab dieser Tage die Gründung eines neues Vereins bekannt – „Digitale Gesellschaft e.V.“ Aus den Netz-Gemeinden kommt dazu auch viel Kritik (Internet-ADAC? Geschlossene Gesellschaft?). Beckedahl sagt, es gehe nicht um Vereinsmeierei, sondern pragmatisch vor allem darum, spendenfähig zu sein. Inhaltlich gehe es den 20 Gründungsmitglieder nicht um „naive Alleinvertretungsfantasie“, sondern um Teilnahme an Demokratisierungsprozessen. Hoffen wir, dass sich hier Vermachtungstendenzen nicht auch verselbständigen (vgl. BLZ. 26.4.11, S.26).
  2. Verselbständigt hat sich anscheinend beim Elektronikkonzern Sony eine Menge an Daten. Wie der Branchendienst „kress“ meldet, hätten die Spekulationen über den anhaltenden Ausfall des Playstation Network ein Ende. Sony habe sich zu Wort gemeldet – allerdings habe der Konzern Millionen Nutzer eine Woche lang im Unklaren gelassen. „Wir mussten feststellen, dass in der Zeit vom 17. April bis zum 19. April 2011 bestimmte Services des PlayStation Network sowie Qriocity mittels illegalen und unberechtigten Eingreifens in das Netzwerk angegriffen wurden, heißt es im Firmenblog. Betroffen seien Passwörter, Adressen und vielleicht sogar Kreditkartennummern. Soviel hier zum Thema – feine digitale Gesellschaft! (kress.de vom 27.4.11, 08:37 Uhr).
  3. ZDF-Moderator Cherno Jobatey muss anscheinend noch viel lernen: Am 20.4.11 fragte er im Morgenmagazin, was „uns die Katastrophe gelernt“ habe. Offenbar kaum richtiges Deutsch.

Hofberichterstattung

  1. Die mediale Begleitung der Hochzeit von Queen-Enkel William und Kate Middleton läuft längst auf Hochtouren. Ob das zumindest in Teilen Journalismus ist, scheint eine andere Frage. Im britischen Satiremagazin „Private Eye“ las ich jüngst: „Kate – is it all too thin?“. Der Artikel ging nur scheinbar in Richtung „Magersucht“, sondern punktete damit, dass Hofberichterstattung es zwar schon immer kaum mit irgendwelchen öffentlich-relevanten Fakten oder Meinungen zu tun gehabt habe, nun allerdings im Fall des aktuellen Brautpaares die Faktenlage oder eben der Nachrichtenwert besonders dünn sei. And now for something completely different, wie es bei den anderen medienkritischen Briten von Monty Python heißt: Zur Vierfach-Live-Parallelübertragung eben dieser Hochzeit in den vier meistgesehenen deutschen TV-Vollprogrammen RTL, ARD, ZDF und Sat.1. RTL-Chefredakteur Peter Klöppel meint, die öffentlich-rechtlichen Sender sollten das viele Geld, das die Übertragung koste, lieber ins sonstige Programm investieren. Gut gebrüllt, Marktführer, denn dieser Aufruf zu maßvollem Umgang mit Gebührengeldern hat sicher gar nichts mit eigener Quotenmaximierung zu tun. Allerdings gibt es auch rührend royale und loyale Gegen-„Argumente“, zum Beispiel von ZDF-Chefredakteur Peter Frey: „Wir hören, dass William und Kate viele Ehrenamtliche aus der britischen Gesellschaft eingeladen haben. Sie setzen damit ein Zeichen in dem von der Finanz- und Wirtschaftskrise gebeutelten Land. Auch darüber werden wir berichten … “ (BLZ, 19.4.11, S.26). Wenn es nicht so dick aufgetragen wäre, könnte man meinen, das sei sogar noch dünner als das vom „Private Eye“ bereits aufgespießte Rohmaterial.
  2. Die deutschen Print-Leitmedien verlieren im ersten Quartal dieses Jahres weiter leicht an Auflage (BLZ 15.4.,11 S.30): sowohl die vier großen überregionalen Tageszeitungen (Süddeutsche, FAZ, Welt/Welt kompakt und TAZ) als auch Spiegel und Stern. Der Fokus und die Zeit legen gegen den Trend etwas zu, während es bei den Zeitschriften zwei besonders interessante Trends gibt: Das Magazin „Landlust“ setzt seinen Steilflug nach oben weiter fort und bewegt sich nun schon über 800.000 Exemplaren. Im Sinkflug hingegen Bauers Jugendmagazin „Bravo“, das innerhalb eines Jahres um 15 Prozentpunkte fiel. Vielleicht geht auch deshalb der Konzern derzeit juristisch gegen die relativ erfolgreiche Zeitschrift „Spiesser“ vor – kann man da „Bravo“ sagen?
  3. Und zum Schluss noch etwas Sprache im anderen Licht im „Kaleidoskop“: Der sonst sehr empfehlenswerte Sportteil der „Berliner Zeitung“ titelte am 16.4.11 über einer Vorschau-Meldung zum Frauen-Fußball-Championsleague-Rückspiel (kürzer geht das leider kaum): „Turbine wähnt sich gegen Duisburg im Vorteil“. Diese Überschrift war zu jenem Zeitpunkt (das Hinspiel hatte in Duisburg 2:2 geendet) schon falsch, wurde allerdings durch das Ergebnis des Rückspieles (1:0 für Potsdam) noch „falscher“. Warum?

  1. Internet- und Mobilfunknutzung wachsen sehr dynamisch: Die Zahl der weltweiten Internetnutzer (Internauten) überschritt laut UN-Angaben Anfang 2011 erstmals die Zwei-Milliarden-Marke. Auch gab es zu jenem Zeitpunkt laut der Nachrichtenagentur AFP auf der Welt gut fünf Milliarden Handy-Verträge. Anfang des Jahres 2000 hatte es lediglich 500 Millionen Handy-Verträge in der Welt gegeben, 250 Millionen Menschen hatten damals Internetanschluss. Die UN-Organisation erwartete, dass bis zum Jahr 2015 mindestens die Hälfte der über 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt ein Handy mit schnellem Internetzugang hat.
  2. RTL hat vor allem dank seines Dschungelcamps einen starken Quotenstart 2011 gehabt: Laut dpa vom 1.2. liegt der Kölner Privatsender mit 15,2 Prozent Marktanteil weit vor den anderen Vollprogrammen. Bei den werbeträchtigen 14- bis 49-Jährigen erreichte RTL sogar 21,2 Prozent – so viel, wie seit über 15 Jahren nicht mehr.
  3.  

    Das umstrittene Mediengesetz in Ungarn soll nun vor der EU-Kommission verhandelt werden. Das Gesetz muss laut EU-Sprecher Todd in Übereinstimmung mit den EU-Recht gebracht werden. Bedenken gebe es insbesondere wegen der Registrierungspflicht für Medien in Ungarn (BLZ, 2.2.2011)

  4. Mitgefangen – mitgehangen? Oder mitgehängt? Da ich auch diese Woche im seriösen Radio wieder einen Satz hörte wie „Dann hat er den Hörer einfach aufgehangen“, hier auch noch einmal der Verweis auf den Zwiebelfisch: (http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,325969,00.html, Aufruf am 2.2., 16.40 Uhr): Man kann im Deutschen mit Blick auf ihre Freistellen (Valenzen) zweierlei Verben unterscheiden: solche, die direkte Objekte erfordern, und die anderen. Transitive (zielende) und intransitive (nicht-zielende) Verben. Und von „hängen“ gibt es beide Formen. Also im Präsens: Ich hänge das Bild auf. Aber: Das Bild hängt (an der Wand). Im Präteritum: Ich hängte das Bild auf. Jedoch: Das Bild hing (an der Wand). Und Perfekt wird es dann: Ich habe das Bild aufgehängt. Und natürlich: Das Bild hat (an der Wand) gehangen. Es gibt also beide Perfektpartizipien, und es kommt – genau – auf den Zusammen-“hang“ an.

  1. Die Dschungelshow bricht derzeit für RTL viele Rekorde – am 24.1. laut Branchendienst Kress 8,66 Millionen Zuschauer Reichweite und ein Tagesmarktanteil von 20 Prozent. RTL reagiert auf die mittlerweile ja ziemlich leise Kritik mit Hinweisen wie jenem, alle Kandidaten seien ja freiwillig im Camp (vgl. BLZ, 25.1., S.30). Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen (vgl. MMM 11/2010, S.20) sieht das Gemeinwesen (oder eben die Gemeinwesen) der Gegenwart als „Casting-Gesellschaft“, geprägt einerseits von „Sucht nach Aufmerksamkeit“ (als symbolisch-generalisiertes Medium der Öffentlichkeit) und andererseits von „Tribunalen der Medien“. Die zentrale Forderung laute heutzutage: Liefere eine Show als Selbstdarsteller! Schon immer wollten Menschen Anerkennung der Anderen erfahren, wollten für Andere wichtig sein. Das spitzt sich Pörksen zufolge nun in TV und Netzwerken zu mit Voyeurismus auf der einen und Exhibitionismus auf der anderen Seite, die sich ergänzen. Es geht nicht um öffentlich Relevantes, sondern um Schlüssel-(Loch)-Reize des Sexuellen und des Vulgären, die Aufmerksamkeit versprechen. Pörksen schreibt in seinem Buch über die Casting-Gesellschaft: „Diese Figuren sind völlig unwichtig. Sie erfüllen lediglich ein okönomisches Kalkül“. Aber einen anderen Rat als individuellen Boykott dieser „Form von öffentlichem Sadismus“ weiß auch er nicht.
  2. Der ehemalige WikiLeaks-Aktivist Daniel Domscheit-Berg (alias „Schmitt“) erklärte auf einer Internet-Konferenz in München dieser Tage, er wolle mit Kollegen im Februar sein Alternativ-Projekt „Open-Leaks“ starten. Der Hauptunterschied zu WikiLeaks solle „Neutralität“ sein, man verstehe die neue Plattform als rein technische ohne irgendeine „politische Agenda“. Aber ganz ohne Botschaft geht es auch bei ihm nicht: Die Gesellschaft solle debattieren über die Widersprüche zwischen Transparenz und Geheimhaltung. Also bitte doch – weitersagen!
  3.  

    Im geschätzten RBB-Info-Radio kämpfen die Kollegen auch jeden Tag rund und die Uhr mit Inhalten und Sprache. Der Bericht über das Hochwasser ging davon aus, „die Helfer sollten dem Wasser Herr werden“. Wer ist wem sein Tod – Bastian Sick ist übrigens am 1.3. in Berlin. Ende der Werbung.

  1. Warum nutzen Menschen in Deutschland welche Medien? Auch auf diese Frage versucht alle fünf Jahre die ARD/ZDF-Langzeitstudie „Massenkommunikation“ zu antworten (Quelle: MediaPerspektiven, Heft 11/2010, S.537ff.): Die von den über 4500 Befragten telefonisch angegebenen Motive haben sich dabei trotz der medialen Umbrüche der vergangenen 50 Jahre für die – öffentlich-rechtlich interessierten – Autoren der Studie als „erstaunlich stabil“ erwiesen. Fernsehen liegt, wie gesagt, weiter vorne in allen Altersgruppen, und die Menschen suchen dort – laut Studie und in dieser Reihenfolge – Information (allerdings sinkend auf 84%), Spaß (81%) und Entspannung (77%). Beim Radio als dem insgesamt zweitmeist genutzten Medium dominieren mit jedoch sinkender Tendenz gegenüber 2005 die Motive Spaß (86%), Information (80%) und Entspannung (76%). Das stark wachsende Medium Internet wird wegen Information (91%), Spaß (80%) und Alltagsservice (80%) genutzt, wobei die ersten beiden Motive am deutlichsten zulegten. Das Internet liegt aber im Medienvergleich bei noch keinem abgefragten Nutzungsmotiv ganz vorn. Allerdings hat es auch beim Motiv „Unterhaltsamkeit“ aufholen können zu den Spitzenreitern TV und Radio und hat beim Entertainment die Rote Laterne an die Tageszeitung abgegeben. Die wiederum wird erklärtermaßen noch immer geschätzt wegen der Faktoren Information (hier weiter doppelter Mediensieger: mit 97% bei den Lesern und mit 32 % bei allen), Alltagsservice (81%) und Mitreden-Können (76%).
  2. Entgegen landläufigen Mythen wuchs der Werbemarkt der klassischen Medien in Deutschland 2010 um elf Prozentpunkte sogar auf „neue Höchststände“, wie das bei solchen Erhebungen marktführende Medienforschungsunternehmen Nielsen am 19.1.2011 in Hamburg erklärte. 25 Milliarden Euro Werbevolumen wurden umgesetzt – im Fernsehen fast die Hälfte davon, 10,9 Milliarden (plus 16,2% gegenüber 2009). Es folgten die – also nicht nur notleidenden – Zeitungen mit 5,4 Milliarden Euro (plus 1,1%), dann die Zeitschriften mit 3,6 Milliarden Euro (plus 4,3%), darauf das Internet mit 2,4 Milliarden Euro (plus 34,8%!!!) und in der Reihe der inhaltlichen Medien schließlich das Radio mit 1,4 Milliarden Euro (plus 5,2%).
  3.  

    Weil es Facebook vermutlich selbst nicht so offensiv vermarktet (im Unterschied zu den vier „Golden Globes“ für den Film „The Social Network“): Es gibt mal wieder massive Kritik von Datenschützern, weil Zuckerberg & Co. Software-Entwicklern und Webseiten-Betreibern den Zugriff erlauben wollten auf Telefon-Nummern und Adressen von denjenigen der über 500 Millionen Nutzer, die dem zustimmten. Warum diese Erlaubnis? Nun, damit es uns Nutzern noch besser gehe und wir nicht jedes Mal beim E-Shoppen alle Daten eigenhändig eintragen müssten. Nett von den Facebook-Chefs, und noch netter, dass die Firma nun – nach den üblichen Datenschutzmeckereien Ewiggestriger – die neue Komfort-Funktion sogar noch einmal überarbeiten wolle und damit die Folgen solcher Freigaben für die Nutzer „noch klarer“ machen werde. Let’s face it!

  4. Unser Rektor, Prof. Dr. Liebetruth, hatte schon in der Vorwoche den richtigen Riecher: Unwort des Jahres ist der Merkel-Klassiker „alternativlos“. Das war in der Tat längst fällig, da wir Menschen natürlich fast immer auch anders können – können müssen sogar, das ist gewissermaßen unsere zweite Natur, auch Kultur genannt. Das wissen nicht nur Soziologen und Philosophen wie Helmuth Plessner, sondern natürlich auch die klügeren PolitikerInnen und sonstigen Entscheider. Aber sagen können-dürfen-wollen sie es eben nicht, und leider noch viel seltener entsprechend „alternativ“ handeln. Aber auch das scheint mir nicht alternativlos.
  5. Der Satiriker Wiglaf Droste hat freilich dem Jury-Chef Horst Dieter Schlosser noch Folgendes ins Germanistenstammbuch geschrieben (siehe Tageszeitung „junge Welt“ vom 19.1,, S.5): „In der Begründung sagte Schlosser, „das Wort alternativlos suggeriere sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und VON DAHER (Hervorhebung SeK) auch keine Notwendigkeit zur Diskussion und Argumentation gebe“. Droste fährt fort, die Floskel „von daher“ sei selber ein deutsches Sprachungetüm – denn es muss zweifelsfrei „deshalb“ oder auch „deswegen“, „darum“ oder auch „daher“ heißen. DASS es anders heißen muss, ist also laut Droste „quasi alternativlos“ – aber WIE wir uns besser ausdrücken können – da gibt es selbst in Preisreden von Sprachexperten (fast) immer Alternativen. Bleiben wir dran!

  1. Alle fünf Jahre wieder, seit 1964, erscheint die ARD-/ZDF-Langzeitstudie „Massenkommunikation“. Damit ist sie laut ihren Verfassern die einzige weltweit, die über einen solchen langen Zeitraum repräsentativ durchgeführt wird. Wichtigstes Ergebnis der Studie 2010 mit 4503 telefonisch Befragten ab 14 Jahren: Die zeitliche Ausdehnung der Mediennutzung scheint erstmals an Grenzen zu stoßen: Denn die tägliche Mediennutzungsdauer sank (Quelle: MediaPerspektiven 11/2010, S.523ff.) von zehn Stunden 2005 auf neundreiviertel Stunden 2010. Fernsehen und Radio konnten trotz der rasanten Internetentwicklung ihre starke Position behaupten. TV wurde laut MK über alle gemessenen Altersgruppen hinweg weiterhin 220 Minuten pro Tag geschaut (laut Media Control sogar Rekord von 223 Minuten), während Radiohören auf 187 Minuten sank. Die Internetnutzung hingegen stieg auf 83 Minuten, bei den 14-29-Jährigen sogar auf 144 Minuten. Die schauten TV nur 151 Minuten und hörten Radio 136 Minuten, so dass diese drei Medien bei den jüngeren Nutzern ziemlich gleichauf liegen. Die lesen übrigens der Studie zufolge auch deutlich weniger Zeitung und deutlich mehr Buch als der Durchschnitt.
  2. Die US-Regierung macht anscheinend weiter Druck: Laut Agentur AFP verlangte sie vom Kurznachrichtendienst Twitter die Herausgabe von Nutzerdaten prominenter Wikileaks-Unterstützer. Bereits Mitte Dezember sei ein entsprechender Gerichtsbescheid an das Unternehmen gegangen. Diesen Gerichtdokumenten zufolge geht es dabei um Nachrichten, Kontaktdaten, IP-Adressen und Benutzerdaten von Wikileaks-Gründer Julian Assange, einer isländischen Parlamentariern, eines niederländischen Hackers sowie des inhaftierten Ex-US-Soldaten Bradley Manning, den die US-Regierung offiziell als Quelle für Wikileaks vermutet (BLZ 10.1.11, S.30).
  3. Im RBB-Info-Radio hieß es dieser Tage einmal wieder, das Chaos bei der Bahn sei wegen des jahrelangen Verschleißkurses vorprogrammiert gewesen. Inhaltlich kaum strittig, aber mit die Sprache hapert es hier doch mal wieder – inwiefern?