Erstmals in der Geschichte des renommierten Henri-Nannen-Preises wird er wieder aberkannt: Der Spiegel-Redakteur Renè Pfister hatte die Ehrung in der Kategorie Reportage als „Egon-Erwin-Kisch-Preis“ kürzlich erhalten, für ein Porträt über Horst Seehofer vom August 2010. Am Montag erkannte eine Mehrheit der Jury (7:4) ihm diesen Preis wieder ab. Begründung: Pfister habe die Einstiegsszene gar nicht selbst beobachtet, sondern sich offenbar auf ungenannt bleibende Quellen (Archiv, Kollegen) bezogen. Seine Augenzeugenschaft hatte Pfister auch nicht explizit behauptet, bei der Preisverleihung allerdings auf Nachfrage erklärt, er sei nie in Seehofers Keller gewesen. Der Streit drehte sich nun nicht nur in der Jury um die Frage, welchen Eindruck der Reporter mit Sätzen wie „ (…) Dort unten steht seine Eisenbahn, es ist eine Märklin H0 im Maßstab 1:87, er baut seit Jahren daran (….)“ erweckt. Es geht um den szenischen Einstieg. Beim „Spiegel“ heißt der laut Berliner Zeitung (11.5.2011, S.30) seit langem „szenische Rekonstruktion“. Diese Tradition dient der Dramatisierung von Sachverhalten. Im Kern geht es hier um die Frage „Glaubwürdigkeit“ versus „Transparenz“: Glaubwürdig können viele Beiträge sein, die sich schön und einfach lesen, geschmeidig durchlaufen. Transparenz ist für Anbieter und Nutzer aufwändiger, unbequemer – meines Erachtens aber auch hier, im Bereich der empirisch-subjektiven Darstellungsformen, journalistisch professionell. Andererseits sind Glaubwürdigkeit und Transparenz kein Widerspruch an sich – insofern im jeweils konkreten Falle deutlich wird, dass der Reporter aus Zwecken der Ansprechhaltung in die Rolle einer bestimmten „Textperson“ (G.A. Heussen) schlüpft, um seine Nutzer noch besser erreichen, hier also dramatisieren zu können als scheinbarer Augenzeuge. Wie Marin Majica und Ralf Mielke anmerken, scheint auch beim „Spiegel“ an dieser Baustelle der Modalitäten gelernt zu werden. Denn die Titelgeschichte des Heftes 19/2011 zur Meldung von der Tötung Osama bin Ladens beginnt nicht mit „Das Meer war halbwegs friedlich am vergangenen Montagmorgen“, sondern mit „Das Meer muss halbwegs friedlich gewesen sein ….“. Ich finde zwar die Modalitäten „dürfte“ oder „soll“ noch angemessener (weil „muss“ doch ziemlich absolut erscheint, wenn als Quelle im nächsten Satz nur ein „Wetterprotokoll“ genannt wird). Aber ich war ja auch nicht vor Ort dabei ….
Der deutsche Journalisten-Verband DJV hat Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen Schweigens zum ungarischen Mediengesetz kritisiert (dpa-Meldung vom 6.5.2011). Nur zwei Tage nach dem Welttag der Pressefreiheit habe Merkel den ungarischen Premier Viktor Urban in Berlin „freundlich empfangen“, aber „kein Wort zur faktischen Abschaffung der Pressefreiheit“ in Ungarn verloren. Wie die dpa an jenem Tag ebenfalls meldete, lassen sich die Verlage Axel Springer und Ringier (Schweiz) ihre Geschäfte in Ungarn allerdings kaum beeinträchtigen. Obwohl der umstrittene ungarische Medienrat den beiden deutschsprachigen Konzernen einen Zusammenschluss ihrer Geschäfte im Lande untersagt hatte, deutet viel daraufhin, dass das Joint Venture doch wirksam wird – Springer gibt in Ungarn zehn Zeitungen und 30 Zeitschriften heraus, Ringier zwölf größere Printtitel.
„Der FDP-Spitzenpolitikern Silvana Koch-Mehrin soll nach einem Zeitungsbericht der Doktortitel wegen Plagiierens aberkannt werden“, beginnt eine Reuters–Meldung vom 10.5.2011. Die Verwendung des Genitivs nach „wegen“ bleibt sicher hohe Schule, aber was danach folgt, ist kaum verständlich. Wie geht es besser, ohne einfach abzuschreiben?