- Presseerzeugnisse scheinen der Bundesregierung lieb und teuer – zumindest erklärt Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), er wolle den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Zeitungen beibehalten. Auf einer Konferenz internationaler Pressevertriebsunternehmen in Hamburg sagte Neumann: „Wir brauchen die Presse auch im Zeitalter des Internets als demokratisches Leitmedium“. Ob das die Experten im Finanzministerium auch so sehen? Ein Gutachten aus deren Hause hatte sich zuvor für die Abschaffung dieses Presseprivilegs ausgesprochen. Und man wird ja als Nutzer fragen dürfen, ob die Presse heute und übermorgen wenn schon nicht unbedingt Leitmedium, so doch wenigstens ein „Lebensmittel“ (7 % Mwst.) ist und bleiben soll (Quelle SZ, 29.9.2010, S.15).
- Im Auftrag von ARD und ZDF haben Forscher wie jedes Jahr die durchschnittliche tägliche Medien-Nutzung der ab 14-Jährigen untersucht, vor allem mit Blick auf das Internet (siehe Media-Perspektiven Heft 7-8/2010, S.348). Spannend sind zwei Vergleiche: Über den Zeitraum von zehn Jahren seit 2000 hat das Fernsehen das Radio als am ausgiebigsten genutztes Medium nun klar überholt, von einst 203:205 Minuten pro Tag nun zugunsten des TV von 244:187. Das Internet hat sich fast verfünffacht, von 17 Minuten auf nunmehr 77. Schauen wir nur auf das Jahr 2010, nutzen alle Menschen in Deutschland TV, Radio, Zeitung und Zeitschrift etwa doppelt so viel die 14- bis 19-Jährigen. Letztere wiederum wenden sich nicht nur dem Internet, Videos und Tonträgern länger zu, sondernlesen auch länger Bücher als der Durchschnitt aller Mediennutzer hierzulande. Wie wir schon im „Faust“ lesen können – „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldner Baum“.
- Die Bewegtbild-Nutzung im Internet steigt weiter an (Quelle Media-Perspektiven, Heft 7-8 2010, S.350ff.). 36 Prozent der Onliner nutzten 2010 diese Angebote, zwei mehr als 2009. und zwölf mehr als 2008. Vor allem junge Menschen in Deutschland sind hier unterwegs (Spitzenwert: 87 Prozent der Teenager, die insgesamt zu 100 Prozent als Onliner gelten). 86 Prozent der Nutzer gehen über Videoportale, 38 Prozent über Onlineangebote von TV-Sendern (Mehrfachnennung möglich). Elf Prozent entfällt auf Sender-Mediatheken, acht Prozent auf zeitversetzte Nutzung und fünf Prozent auf Live-Streaming. Laut den ARD/ZDF-Forschern erfolgt die Bewegtbildnutzung bisher vor allem komplementär (ergänzend) zur klassischen Fernseh-Nutzung. Der Markentransfer bekannter Namen von Sendern oder Agenturen finde nach wie vor statt – Marken geben Orientierung und werden auf neuen Wegen verfügbar. Die Konvergenz wächst, im Sinne der Verbreitung gleicher Inhalte über verschiedene Verbreitungsplattformen. Im Gegensatz zum tradierten Fernsehen ist Online-Fernsehen kein Gemeinschaftserlebnis, sondern es wird zumeist allein geschaut.
- In einem deutschen Text der Nachrichtenagentur Reuter hieß es am 15.9.2010: „Der Name der Tea-Party-Bewegung leitet sich von der Boston Tea Party ab, bei der 1773 Kolonialisten im Streit mit dem britischen Mutterland über Steuern Tee in den Hafen von Boston warfen.“ Very british, geradezu vorbildlich „königstreu“, könnte man sagen. Aber konstruktiv-kritisch gefragt: Wie ginge es besser, also sachlicher?
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1.) Thilo Sarrazin und seine umstrittenen migrationspolitischen Äußerungen sind ein wichtiges Medien-Thema dieser Wochen. Bei der Buchvorstellung am Montag, 30.8., vor Riesenandrang in der Bundespressekonferenz sagte der Bundesbankvorstand ganz zu Beginn: „Meine Damen und Herren, wir stehen an einer Zeitenwende, dessen Ausmaß die meisten von uns sich noch gar nicht vorstellen können.“ Ein Fall für unser sprachkritisches Seminar-Kaleidoskop – kann der stolze Deutsche Sarrazin einen relativ einfachen Satz in deutscher Sprache geradeaus sprechen? Nun, diesen zumindest nicht – finden Sie bitte den (vielleicht genetisch?) eingebauten Grammatik-Fehler! Im Satz darauf wurde es dann inhaltlich interessanter: Der Geburtenrückgang bei deutschen Frauen sei derzeit dramatischer als während all der Kriege, die Deutschland während der letzten 200 Jahre – na, was wohl? „angefangen“, „ausgelöst“, „geführt“ hat? Nein, Thilo Sarrazin bringt es auch hier auf den Punkt: – jener Kriege also, die Deutschland „heimgesucht haben“. Auch das eine sicherlich bittere Wahrheit, die nun endlich mal jemand Prominentes ausgesprochen hat.
2.) Friedrich Küppersbuch, ein lebender Beweis dafür, dass Fernsehen nicht schon genetisch dumm macht und Fernsehleute nicht per se einfältig sein müssen, Küppersbuschhh also schrieb in der TAZ vom selben Tag: „ „Sarazenen“ ist ein Schmähwort, eine angstgeprägte Sammelbezeichnung für muslimische Völker, die ab ca. 700 n. Chr. in und über das Mittelmeer vordrangen. Sagt das etymologische Lexikon. Nun zu unserer Publikumsfrage: In welcher Sprache heißt „Thilo“ „paranoides Arschloch“?“ Also „paranoid“ würde ich natürlich nie sagen! Bis hierhin vielen Dank! (Quelle: „http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/wie-geht-es-uns-herr-kueppersbusch-eaf2546f“ vom 30.8.2010)
And now for something completely different, wie es schon bei Monty Python heißt: Margreth Lünenborg ist Journalistik-Professorin an der FU Berlin und plädiert seit Jahren für eine kulturorientierte Journalismusforschung, im weiten Sinne von Kultur u.a. der Cultural Studies. Derzeit sieht sie – sehr erklärungskräftig, wie ich finde – im Journalismus und in anderen medialen Kommunikationsgattungen Tendenzen weiterer Ausdifferenzierung und zugleich Entdifferenzierung. Lünenborg nennt das „Hybridisierung“ mit Akzent auf den Übergängen von (bisher oder sonst) eher Getrenntem (Quelle: JournalistikJournal, Heft 1/2010, Dortmund, S.10f.). Vor allem kulturell-technisch sind weitere Teilungen und Neu-Schaffungen möglich und auch schon wirklich: Sparten-Medien mit immer genaueren Publikumsansprachen, Teil- und Mikroöffentlichkeiten, neue Formate und (Sub-)Genres, neue Rollen journalistischen Arbeitens (Blogs, Nutzung sozialer Netzwerke, so verschiedene Internet-Plattformen wie YouTube oder Wikileaks etc.), Aktivierung durch Interaktivität. Zugleich lassen sich Prozesse der Entdifferenzierung beobachten, oft ökonomisch oder machtpolitisch induziert, wie die Beispiele des gegenseitigen Austauschens hoher oder sogar höchster Vertreter von Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit (Ulrich Wilhelm, Steffen Seibert u.a.) oder auch jene der Zusammenlegung von Ressorts, ja von ganzen Medien zeigen. Solche Wandlungen sind auch Lünenborg zufolge gesellschaftlich-kulturell zu verorten: „Mithin sind sie nicht als subjektgebundene Handlungsmuster angemessen zu erfassen.“ Eine im weiten Sinne kulturorientierte Journalistik nimmt als integrative also „Produktionsbedingungen von Journalismus ebenso in den Blick“ wie sprachliche, visuelle und oder auch narrative Vermittlungsweisen. Lünenborg weist darauf hin, dass es für die Journalistik nicht um die Dichotomie in den Ansätzen zwischen sozialwissenschaftlich (meist quantitativ, also empirisch-messend zur Wirklichkeitsbeschreibung) versus kulturwissenschaftlich (oft qualitativ, mithin deutend-interpretativ zum Wirklichkeitsverstehen) gehe, was in der deutschen Wissenschaftslandschaft oft die (sozialwissenschaftliche) Kommunikationswissenschaft der (kulturwissenschaftlichen) Medienwissenschaft gegenüberstellte. Das heißt auch: Kultur als allgemeinste menschliche Verkehrsform, Kommunikation und Medien sind auf Makro- (Gesellschafts-), Meso-(Institutionen), Mikro-(Individuen) und sogar Nano-Ebene (innerhalb der einzelnen Menschen) aufeinander bezogen. Wir sollten auch Journalismus integrativ und prozessual verstehen, wegkommen von der tradierten Kommunikator-Zentrierung (was ja auch ganz praktisch im Journalismus geschieht). In den Mittelpunkt rücken dann die Medienproduktion, die jeweiligen Texte und Kontexte, aber nicht zuletzt auch die Rezeption und Aneignung in „alltagsgebundenen Kontexten.“ Bleiben wir dran!
1.) Die TV-Sendungen über die tragischen Entwicklungen während der Love Parade stießen bei den Publika auf großes Interesse – nicht nur bei ARD/ZDF oder bei RTL, sondern auch bei Sendern wie n-tv, der am Sonntag einen Tagesmarktanteil von 2 Prozent meldete – etwa doppelt so viel wie sonst. Die ausführliche Darstellung des Geschehens scheint dabei in Deutschland hoch umstritten: Laut tagesschau.de vom 28.7.10, 15.30 Uhr, sind seit dem Wochenende beim Deutschen Presserat 140 Beschwerden eingegangen – eine relativ hohe Zahl für die Kürze der Zeit. Vielleicht auch entstanden durch die Nutzung von „Social Media“: Im Kurzmeldungsdienst Twitter war „Bild“ schnell im Fokus von Kritik. Zahlreiche der auf Twitter verkehrenden „Mikroblogger“ riefen zum Boykott auf und veröffentlichten den Link zum Beschwerdeformular des Presserates (vgl. BLZ 27.7.10, S.30). Insgesamt 137 diese Beschwerden haben sich laut „tagesschau.de“ gegen die Berichte bei „Bild“-Zeitung und „bild.de“ gerichtet. „Bild.de“ hatte vor allem in der Person von Oliver Pocher gemeinsam mit der Kette „McFit“ (deren Chef wiederum der Paraden-Veranstalter Rainer Schaller ist) ausführlich live aus Duisburg berichtet. Die Nutzer, die sich beschwerten, sehen laut Presserat vor allem Verstöße gegen Pressekodex-Ziffer 11. Dieser richtet sich unter anderem gegen eine „unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid“. Betroffen ist auch Ziffer 8 zu Persönlichkeitsrechten: „bild.de“ hatte unter anderem am Samstag Fotos von nur notdürftig mit Tüchern zugedeckten Leichen veröffentlicht. Ein Sprecher der Axel Springer AG verteidigte die Berichterstattung: „Wie alle Medien berichtet auch ‚Bild‘ – aus unserer Sicht angemessen und verhältnismäßig – über die tragischen, schockierenden Ereignisse während der Loveparade.“ Von Beschwerden beim Presserat sei ihm bislang nichts bekannt. Sollte der Presserat jedoch zu einer Stellungnahme auffordern, werde man dem natürlich nachkommen. 2.) Die investigative Internet-Plattform Wikileaks hat – erstmals in Zusammenarbeit mit weltweit anerkannten Medien wie New York Times, Guardian und Spiegel – mit ihrer Veröffentlichung von über 90.000 bisher geheimen Dokumenten am 26.7. 2010 zum Afghanistan-Krieg der Jahre 2004-2009 für neue Einsichten gesorgt. Die Plattform war 2006 von Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Programmierern gegründet worden. Ein Wiki ist ein Programm, mit dem viele Nutzer gemeinsam Inhalte im Netz publizieren können – das englische Wort „Leak“ heißt Leck, also undichte Stelle. Das Projekt veröffentlicht geheime Dokumente anonym auf seiner Website. Öffentlich treten dabei nur Mit-Gründer Julian Assange aus Australien sowie der Deutsche Daniel Schmitt auf. Das zugespielte Material wird jeweils von mehreren Mitwirkenden überprüft, die als Factchecker nichts voneinander wissen sollen, um Absprachen zu verhindern. Die jährlichen Kosten von 600.000 Euro werden laut Assange durch Spenden finanziert. Daniel Schmitt sagte im Interview (BLZ, 27.7.2010), er hoffe, „dass mit der Transparenz (…) sich mehr Menschen ein informiertes Urteil über die Situation bilden können und anhand dieses Urteils eine Veränderung herbeiführen.“ Letzte Äußerung ist bemerkenswert, da Schmitt andererseits sagte, man sei neutral: „Deshalb sehen wir uns nicht der einen oder anderen Seite verpflichtet.“ Zur Frage von Sanktionen z.B. durch US-Regierungsstellen sagte er: „Die Natur dessen, was wir machen, bedingt, dass es anderen Leuten nicht gefällt und dass immer Leute versuchen, das zu sanktionieren.“ 3.) Nach dem Bahnunglück in der Schweiz habe ich am 24.7. für einen Reuters-Online-Beitrag zu Bildern von der zu räumenden Eisenbahnstrecke getextet: „Die Schweizer Eisenbahn zählt zu den am besten organisierten Bahnen der Welt. Doch diesmal blieb hier leider ein Mensch auf der Strecke.“ Dazu gab es Rückmeldungen von Kollegen anderer Medien, die diese Metapher nicht ganz angemessen fanden. „Auf der Strecke“ blieben demzufolge eher Abstrakta wie eine Gesundheitsreform oder Ähnliches. Allerdings ergab die Google-Suche eines kritischen Kollegen, dass beispielsweise auch „Zeit online“ diese Redewendung auf konkrete Menschen bezieht. Ein Beispiel für die Schwierigkeit der Balance zwischen Sachlichkeit und szenischem Bezug, zumal mit Blick auf die hier verwendeten Bewegtbilder.
1.) Die Printmedien in Deutschland sind mittlerweile mehr von den Nutzern als von der Werbe-Industrie abhängig. Nach Angaben des Branchenverbandes der Zeitungsverleger BDZV lagen im Jahre 2009 erstmals die Vertriebsumsätze (Abo, Straßenverkauf) über den Anzeigen-Einnahmen (Quelle www.bdzv.de vom 15.7.2010): Die Gesamtumsätze sanken zwar um sieben Prozentpunkte auf 8,5 Milliarden Euro (so viel oder wenig wie 1993). Doch während die Werbeerlöse sogar um 16 Prozentpunkte niedriger waren als im Vorjahr, stiegen die Verkaufsumsätze um 2,3 Prozent. Allerdings nur dank Preiserhöhungen, denn die Gesamtauflage der Zeitungen in Deutschland fiel um 2,5% auf 24,6 Millionen Exemplare pro Tag — nun also gilt im Schnitt für die Einnahmequellen: Zwei Drittel von den Nutzern — ein Drittel durch die Werbung. Jahrzehntelang war es genau umgekehrt. Und dennoch bleibt die Zeitung absolut der größte Werbeträger in Deutschland, gefolgt von: Fernsehen, Zeitschriften, Online, Hörfunk und Plakat. Hoffnungen setzt die Zeitungsbranche laut Geschäftsführer Wolff auf die Tablet-PCs, da sie — im Unterschied zum normalen Online-Auftritt — den Verlagen ein Geschäftsmodell mit einem Mix aus Vertriebs-, Abo- und Werbeerlösen bieten, ähnlich wie bei Print-Zeitungen. Der Apple-Konzern gerät hier in die Kritik, weil der mit seinem iPad zu sehr das Geschäft allein bestimmen wolle.
2.) Das Bundeskartellamt in Bonn hat jüngst zwei Veränderungen erlaubt: Beim Nachrichten-TV-Sender N24 darf zur Ablösung von der ProSieben.Sat.1-Gruppe der Medienunternehmer und Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust einsteigen. Er soll künftig 26 Prozent der Anteile halten, so viel, wie auch das N24-Management um Geschäftsführer Thorsten Rossmann. Und die Behörde hat den für September 2010 geplanten Start der Nachrichtenagentur „dapd“ erlaubt. Marktführer dpa hatte eine kartellamtliche Prüfung wegen der Übernahme des deutschen Dienstes von AP durch die deutsche Agentur ddp verlangt, weil sonst der Wettbewerb der Nachrichtenagenturen erheblich reduziert und damit auch die Angebotsvielfalt im Bereich der Presse berührt sei. Das Kartellamt sah das ganz anders und beschied die dpa, dass der Zukauf Ende 2009 kartellrechtlich nicht einmal anmeldepflichtig gewesen sei. Beides ist bemerkenswert. Erstens, dass die dpa hier für Vielfalt plädiert — anscheinend soll nur der Abstand der wichtigsten Konkurrenten zum Marktführer möglichst groß sein. Und zweitens darf schon gefragt werden, was die Vielfaltsnorm im grundlegenden Bereich der Agenturen für das Kartellamt bedeutet. Eine (weitere) Institution auf dem Weg zum zahnlosen Tiger? (Quellen BLZ und kress-report vom 19. und 21.7. )
3.) Auf Seite Eins der Potsdamer Sonntagsausgabe der PNN (Tagesspiegel-Holtzbrinck-Gruppe) lautete am 18.7.2010 einer der Teaser: „Kult-Königin: Zum 200. Mal jährt sich morgen der Todestag von Luise. Heute und in den nächsten Tagen wird ihr gedacht.“ Preußenkult geht natürlich in Potsdam (fast) immer, aber vielleicht hätten die Verfasser zuvor auch mal „dem Duden gedenken“ sollen.
1.) Wenn ich nichts weiß, weiß ich einen Experten, der (vielleicht) etwas weiß … Das Thema der diesjährigen Tagung der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“ am Wochenende in Hamburg hieß: „Zitieren statt recherchieren“. Denn, sagte Netzwerk-Vorsitzender Thomas Leif, es kämen heutzutage angesichts der Kürzungen journalistischer Ressourcen zu viele Experten zu unwidersprochen zu Wort. Leif meint, beide Seiten, Journalist und Experte, sollten nach der Wahrheit suchen, dabei „die Wirklichkeit mit allen Widersprüchen und Interessen so unabhängig und genau beschreiben wie nur möglich.“ (vgl. BLZ 10.7.10, S.37). Gut gegeben — Leif ist eben Leif, der TV-Chefreporter des SWR.
2.) ZDF-Nachrichtenmoderator Steffen Seibert wurde am 10.7. im MRD-Info-Radio zitiert mit dem Satz, er freue sich auf seine neue Aufgabe als Regierungssprecher in Berlin. Die CDU mit Bundeskanzlerin Merkel setze in ihrer Politik die richtigen Schwerpunkte. Laut BLZ (13.7.10 , S.34) sagte Seibert auch, die Regierung Angela Merkels sichere „Deutschland eine gute Zukunft“. Hatten wir das nicht all die Jahre zuvor bereits gehört, als Seibert noch die Sendungen „heute“ und „heute-journal“ moderierte? Oder bilden wir uns da etwas ein?
Interessant ist die Interpretation von Medienjournalisten wie Daniel Bouhs (FR, BLZ), der zufolge Seibert nicht zuletzt deswegen ins neue Amt als Staatssekretär wechsele, weil ihm im ZDF kaum noch Karrieresprünge vorgezeichnet gewesen wären. Aber vielleicht kann Seibert ja eines Tages sogar als Intendant und Nachfolger Markus Schächters zum ZDF zurückkehren. Genau so, wie nach einem Intermezzo als Merkels Sprecher ja bald auch Ulrich Wilhelm zum Bayerischen Rundfunk zurückkehrt, als – Intendant. Neue Kapitel also zur Norm der „Staatsferne“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und dabei alles andere als Sommerloch-Themen.
3.) Im Gegensatz zum Gesamttrend der US-Medien stiegen 2009 im dortigen Kabel-Fernsehen die Gewinne sogar. Dabei scheint knallharte Meinung ein wichtiger Erfolgsfaktor zu sein: Der Rechtaußen-Moderator Glenn Beck vom Sender Fox News ruft seine Zuschauer auf, ihre Kirche zu verlassen, wenn der Pfarrer von „sozialer Gerechtigkeit“ redet — dies sei ein Indiz für Kommunismus oder Nazismus. Auch das eher linksliberale Gegenstück zu Fox, MSNBC, hat Erfolg, allerdings weniger. Der große Verlierer der letzten Jahre war CNN — Anfang 2010 hatte Fox bereits doppelt so viele Zuschauer wie der Pionier-Sender CNN.
Für CNN sinken seit dem Wahlkampf 2008 die Quoten, der Sender sieht sich als Opfer einer immer mehr polarisierten Medienlandschaft: Im 2. Quartal 2010 hatte CNN abendlich nur noch 569.000 Zuschauer, MSNBC 758.000 — und der Sender Fox aus dem Hause Rupert Murdoch erreichte 1,9 Millionen Zuschauer. Nun will auch CNN-Chef Jon Klein mehr polemisieren und polarisieren — im Herbst 2010 sollte deswegen Talk-Legende Larry King nach 25 Jahren den Hut und die Hosenträger nehmen – und gehen (SZ vom 27.3.10 und BLZ 13.7.10).
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4.) Chefkommentator Ingo Linsel schreibt in seinem Leitartikel in der Thüringer Allgemeinen am 10.7.: „Die Anschläge der Taliban kosteten allein im Juni 100 alliierten Soldaten das Leben“. Bleibt die Frage, ob es heißt: WEM das Leben kosten? Oder nicht doch: WEN das Leben kosten. Und damit muss es heißen …. Immerhin ist, sprachkritisch gesehen, von Anschlägen und nicht von Terroranschlägen die Rede. Wollen wir also in diesem Falle die Moschee im Dorf lassen.
1.) Die dpa hat nicht nur 2009 erstmals Verluste gemacht, sondern sie hat jetzt auch erstmals einen einheimischen und echten Herausforderer: Der neue Dienst „dapd“ als Summe von ddp und deutschem Dienst von AP will ab September 2010 die dpa verzichtbar machen, mit einem Komplettangebot „Basisdienst“ (außer Sport). Einige Zahlen zum Vergleich für 2010 – dpa: 800 Meldungen täglich, 2000 Fotos, 450 Journalisten und 50 deutsche Büros, dapd: 500 Meldungen, 2000 Fotos, 300 Journalisten und 31 Büros. Chefredakteur und Geschäftsführer ist seit April 2010 Cord Dreyer, der zuvor lange Jahre für dpa arbeitete. Er gründete für dapd auch eine eigene Recherche-Abteilung mit sechs Journalisten. Ein Hoffnungsschimmer für die dpa mag trotz des Abspringens der größten deutschen Regionalzeitung „WAZ“ (Januar 2009) sein, dass die Agentur sich seit ihrer Gründung 1949 im genossenschaftlichen Besitz vieler deutscher Verlage befindet – und wer sägt schon ganz einen Baum ab, den man selbst gepflanzt hat? (Quelle BLZ 4.7., S.33) 2.) Radio ist weiter „in“: Laut der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse, seit 1954 ein Interessenverband von Werbe-Wirtschaft und Medien, stieg 2009/2010 die tägliche Hördauer um sechs auf 198 Minuten. Männer hören laut AGMA mit 210 Minuten deutlich länger Radio als Frauen (186 Minuten). Ältere hören absolut mehr Hörfunk – die 30- bis 59-Jährigen 228 Minuten pro Tag. Bei den Jüngeren sind es zwar nur 141, aber interessant scheint hier die Tendenz: Fünf Minuten mehr als bei der Erhebung zuvor. Der – sicherlich interessierte – AG-Vorstand Dieter Müller sieht damit das Vorurteil widerlegt, dass die höhere Internetnutzung der 10- bis 29-Jährigen deren Radio-Nutzung verringere. (Quelle BLZ 7.7.2010, S.30) 3.) Katrin Müller-Hohenstein ist nicht nur die manchmal etwas launige Gesprächspartnerin von Oliver Kahn im ZDF am Rande der Fußball-WM (die schon mal vom „inneren Reichsparteitag“ eines Miroslav Klose spricht). Ihr scheint es zu gehen wie auch manch anderem moderierenden „Kopf“ des Senders (wir erinnern uns des Falles von Moderatorin Andrea Kiewel wegen einer Schleichwerbungsaffäre im Zusammenhang der Diät-Firma „Weight Watchers“ im Dezember 2007) : Das Trennungsgebot zwischen Journalismus versus Werbung/PR (siehe Pressekodex-Ziffer 7) erscheint eher milchig als klar. Der Müller-Milch-Konzern (nomen est omen, der Name ist ein Zeichen) hatte mit seiner Molkerei-Marke Weihenstephan – bekannt auch als Werbekunde des ZDF-Morgenmagazins – einen Vertrag mit Frau Müller-Hohenstein, aus dem auch Web-Werbeauftritte der Moderatorin für die Molkerei unter dem Label „eine professionelle Journalistin“ als „Schirmherrin“ eines so genannten „Qualitätsbeirates“ der Firma resultierten. Spannend war nun die Debatte, was die ZDF-Verantwortlichen ihrer freien Mitarbeiterin Müller-Hohenstein ausdrücklich erlaubt hatten, oder eben auch nicht. Im „Spiegel“ hieß es schließlich, Ex-Chefredakteur Nikolaus Brender habe seinerzeit Frau Müller jede werbliche Tätigkeit explizit untersagt. Sein Nachfolger Peter Frey wurde vom „Medium Magazin“ zitiert, er sei „nicht glücklich“ über diese Art der Präsentation und auch des Vertrages eines „journalistischen Kopfes“ des ZDF. Und die Moderatorin? Sie bedauert laut Medienberichten das Engagement, wolle nun alle Einnahmen spenden und sagte: „Es war nie meine Absicht, zu werben“. So oder so – alles Müller, oder was? (Quellen vor allem: SZ und BLZ vom 5.-7.7., Medienseiten) 4.) Und nun noch einen halben Liter Sprachkritik. Denn was schreibt die „Süddeutsche“ (5.7., S.15) zur Affäre unter dem Kürzel tyc: „“ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein hat sich bei Chefredakteur Peter Frey (…) entschuldigt“. Auch das noch – wenn selbst Kollegen der SZ anscheinend nicht wissen, was „entschuldigen“ bedeutet, dann ist wohl bald wirklich alles Müller – oder was?
1.) Die größte deutsche Nachrichtenagentur dpa machte im Jahre 2009 erstmals Verluste. Der Fehlbetrag liegt bei 3,8 Millionen Euro, laut dpa-Geschäftsführung vor allem umzugsbedingt (Hamburg – Berlin, wo im September die neue Zentrale in den Axel-Springer-Passagen starten soll). Das bedeutet einen Umsatzrückgang gegenüber 2008 von 4,1% auf 90,3 Millionen Euro. Hauptgrund ist laut dpa die Kündigung 2009 durch die auflagenstärkste deutschen Regionalzeitung (WAZ/Essen). Spannend sind die Entwicklungen zu einem Nebeneinander von Journalismus und PR bei der dpa und beim großen innerdeutschen Konkurrenten ddp/APAD: Laut dpa-Geschäftsführer Malte von Trotha finanziert sich das nachrichtliche Kerngeschäft auch 2010 nicht selbst: Es sei schade, dass der journalistische Wert nicht so goutiert werde, dass eine Null herauskomme. Deshalb arbeite die dpa mit einem eigenen PR-Dienstleister „News Aktuell“, wie auch der Konkurrent ddp/APAD mit ddp direct. Ständig wird hier laut Trotha investiert, um neue Produkte zu starten.
Und auch weltweit gibt es Bewegung bei den Nachrichtenagenturen: Der Nachrichtensender CNN kündigte der US-Agentur AP, um künftig eigene Schlagzeilen zu verkaufen. Der in Atlanta ansässige Sender betreibt seit 1980 in den USA und seit 1985 international TV-Nachrichtenkanäle, Ableger auch in der Türkei, Spanien, Chile und Indien. Jetzt im Juni 2010 kündigte CNN der Agentur AP mit dem Ziel, selbst Nachrichtenschlagzeilen zu verkaufen. Allerdings blieb AFP und kam nach dreijähriger Pause Reuters wieder hinzu als Lieferant. CNN als eigene Quelle und werdende Agentur? CNN News Wire und CNN Share sind die neuen Marken des Konzerns. CNN News Wire verkauft Recherchen einzeln oder im Abo. CNN-Chef Jim Walton sagte: „Ab sofort werden wir die Hauptquelle für alle unsere Plattformen sein“ Plattformen von CNN sind TV-Sender, News-Portale im Netz und Radio-Nachrichten. Darüber hinaus experimentiert CNN mit einer ganz neuen Technologie: „Newstin“ als Plattform aus Prag, deren „Emerging Stories Detector“ das Netz gemäß Nutzerbedürfnissen nach aufkommenden Storys durchsucht. Laut Medienberichten ist CNN dazu auch mit deutschen Sendern und der Bild-Zeitung im Gespräch. (Haupt-Quelle: BLZ vom 26. und 28.6.2010, S.30 und 34)
2.) Fußball scheint gerade dieser Tage immer zu laufen (wenn nicht gerade eine Prinzessin heiratet) – das sport-kulturelle Magazin „11 Freunde“, laut IVW im ersten Quartal 2010 monatlich beim Heftpreis von 3,90 Euro immerhin mit einer Auflage von 79.000 Exemplaren (mehr als die tägliche taz beispielsweise), läuft ab jetzt für den Verlag Gruner + Jahr (Hamburg) auf. G+J +übernahm 51 Prozent der Anteile. Der bisherige Chefredakteur Philipp Köster bleibt im Amt und auch Mitgesellschafter, hält nun aber statt 25 Prozent nur noch 15,7 Prozent der Anteile am Geschäft. Und wird am 26.6. vom Branchendienst kress mit der Aussage zitiert (http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/104844-fussball-kultur-am-hamburger-baumwall-g-j-uebernimmt-mehrheit-an-11-freunde.html: „Gruner + Jahr steht wie kein zweiter Verlag in Deutschland für Qualitätsjournalismus, aber auch für hoch professionelle Vermarktung. Wir haben einen Partner gefunden, der unserem Magazin weit reichende Entwicklungsperspektiven bietet.“ Und der lesende Fußball-Interessierte fragte sich – gilt weiter der Fußball-Legende Adi Preißlers Motto „Entscheidend is’ auf’m Platz!“ – oder mittlerweile dessen Modernisierung: „Entscheidend is’ auf’m Marktplatz!“.
3.) Info-Radio (RBB)-Moderator Dietmar Ringel am 30.6. um 8.44 Uhr: „Jetzt, wo sich alles um Fußball dreht“. Und da kann man sich natürlich auch nach dem Jahr fragen, „wo“ er seinen Journalistik-Abschluss gemacht hat, oder? Das waren noch Zeiten, als gutes, weil vielseitiges Deutsch gelehrt und gelernt wurde. Aber „wo“ wir gerade dabei sind ,-) ….