1.) Wenn ich nichts weiß, weiß ich einen Experten, der (vielleicht) etwas weiß … Das Thema der diesjährigen Tagung der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“ am Wochenende in Hamburg hieß: „Zitieren statt recherchieren“. Denn, sagte Netzwerk-Vorsitzender Thomas Leif, es kämen heutzutage angesichts der Kürzungen journalistischer Ressourcen zu viele Experten zu unwidersprochen zu Wort. Leif meint, beide Seiten, Journalist und Experte, sollten nach der Wahrheit suchen, dabei „die Wirklichkeit mit allen Widersprüchen und Interessen so unabhängig und genau beschreiben wie nur möglich.“ (vgl. BLZ 10.7.10, S.37). Gut gegeben — Leif ist eben Leif, der TV-Chefreporter des SWR.
2.) ZDF-Nachrichtenmoderator Steffen Seibert wurde am 10.7. im MRD-Info-Radio zitiert mit dem Satz, er freue sich auf seine neue Aufgabe als Regierungssprecher in Berlin. Die CDU mit Bundeskanzlerin Merkel setze in ihrer Politik die richtigen Schwerpunkte. Laut BLZ (13.7.10 , S.34) sagte Seibert auch, die Regierung Angela Merkels sichere „Deutschland eine gute Zukunft“. Hatten wir das nicht all die Jahre zuvor bereits gehört, als Seibert noch die Sendungen „heute“ und „heute-journal“ moderierte? Oder bilden wir uns da etwas ein?
Interessant ist die Interpretation von Medienjournalisten wie Daniel Bouhs (FR, BLZ), der zufolge Seibert nicht zuletzt deswegen ins neue Amt als Staatssekretär wechsele, weil ihm im ZDF kaum noch Karrieresprünge vorgezeichnet gewesen wären. Aber vielleicht kann Seibert ja eines Tages sogar als Intendant und Nachfolger Markus Schächters zum ZDF zurückkehren. Genau so, wie nach einem Intermezzo als Merkels Sprecher ja bald auch Ulrich Wilhelm zum Bayerischen Rundfunk zurückkehrt, als – Intendant. Neue Kapitel also zur Norm der „Staatsferne“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, und dabei alles andere als Sommerloch-Themen.
3.) Im Gegensatz zum Gesamttrend der US-Medien stiegen 2009 im dortigen Kabel-Fernsehen die Gewinne sogar. Dabei scheint knallharte Meinung ein wichtiger Erfolgsfaktor zu sein: Der Rechtaußen-Moderator Glenn Beck vom Sender Fox News ruft seine Zuschauer auf, ihre Kirche zu verlassen, wenn der Pfarrer von „sozialer Gerechtigkeit“ redet — dies sei ein Indiz für Kommunismus oder Nazismus. Auch das eher linksliberale Gegenstück zu Fox, MSNBC, hat Erfolg, allerdings weniger. Der große Verlierer der letzten Jahre war CNN — Anfang 2010 hatte Fox bereits doppelt so viele Zuschauer wie der Pionier-Sender CNN.
Für CNN sinken seit dem Wahlkampf 2008 die Quoten, der Sender sieht sich als Opfer einer immer mehr polarisierten Medienlandschaft: Im 2. Quartal 2010 hatte CNN abendlich nur noch 569.000 Zuschauer, MSNBC 758.000 — und der Sender Fox aus dem Hause Rupert Murdoch erreichte 1,9 Millionen Zuschauer. Nun will auch CNN-Chef Jon Klein mehr polemisieren und polarisieren — im Herbst 2010 sollte deswegen Talk-Legende Larry King nach 25 Jahren den Hut und die Hosenträger nehmen – und gehen (SZ vom 27.3.10 und BLZ 13.7.10).
/ /
4.) Chefkommentator Ingo Linsel schreibt in seinem Leitartikel in der Thüringer Allgemeinen am 10.7.: „Die Anschläge der Taliban kosteten allein im Juni 100 alliierten Soldaten das Leben“. Bleibt die Frage, ob es heißt: WEM das Leben kosten? Oder nicht doch: WEN das Leben kosten. Und damit muss es heißen …. Immerhin ist, sprachkritisch gesehen, von Anschlägen und nicht von Terroranschlägen die Rede. Wollen wir also in diesem Falle die Moschee im Dorf lassen.