Au-Tomaten auf den Augen und Maden im Speck?

Von Sebastian Köhler
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied im Mai 2013, dass die Autocomplete-Funktion des Internet-Konzerns und klar dominierenden Suchmaschinen-Weltmarktführers Google im Einzelfall rechtswidrig sein kann. (http://kress.de/mail/tagesdienst/detail/beitrag/121255-bundesgerichtshof-hat-entschieden-googles-autocomplete-funktion-kann-rechtswidrig-sein.html, Aufruf am 15.5.2013, 11.17 Uhr). Damit wird auf neue Weise bestätigt, was zum Beispiel Marcel Machill (Uni Leipzig) seit vielen Jahren von Journalisten fordert – dass ihre Recherche online mit Google beginnen mag, aber jedenfalls nicht damit enden sollte. Insbesondere geht es hier um den dritten Systembestandteil von allgemeinen Suchmaschinen wie Google, um die sogenannten „Query Processors“, die wir uns als automatisierte Routinen-Erkenner oder Gedankenleser vorstellen können. Ein Unternehmer hatte geklagt, weil seine Aktiengesellschaft durch Googles spezielle Vervollständigen-Funktion mit den Begriffen „Scientology“ und „Betrug“ in Verbindung gebracht wurde. Weil Google die Funktion trotz Rüge nicht abschaltete, habe das Internet-Unternehmen Prüfpflichten verletzt, entschied der BGH.
Für die Zukunft hat Google laut dem Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke zwei Möglichkeiten: Entweder, die Autocomplete Funktion werde in Deutschland deaktiviert, oder aber jedem beliebigen Nutzer werde automatisch die Möglichkeit gegeben, zusätzliche Begriffsvorschläge zu entfernen. „Dies wiederum würde ganz sicher Suchmaschinen-Optimierer auf den Plan rufen, die so gezielt Suchanfragen für ihre Zwecke manipulieren würden“, vermutet der Anwalt. Auch bei Google & Co. gilt also nunmehr erneut: An allem ist zu zweifeln – aber verzweifele nie! Und natürlich: Recherche braucht Zeit und Kompetenz.
2.) Comeback der Tageszeitung? In den USA könnten Anzeichen für einen neuen Branchentrend gelesen werden (vgl. BLZ vom 14.5.2013, S.25): Die Zeitung „Times Picayune“ in New Orleans (die laut Fachblatt Columbia Journalism Review einst eine wirklich gute Redaktion hatte und zwischendurch mächtig auf Kürzungskurs getrimmt wurde) sollte ab Mai 2013 wieder täglich in Printversion erscheinen. Auch eine andere sehr traditionsreiche US-Zeitung, der „Philadelphia Inquirer“, sollte wieder häufiger gedruckt zu haben sein. Vielleicht ist es tatsächlich business as ususal, denn Warren Buffett, als Multi-Milliardär einer der reichsten Menschen auf Erden, hat dieser Tage für „seine“ erst in den vergangenen zwei Jahren erworbenen 28 Zeitungsunternehmen gerade mal wieder satte Gewinne verkündet. Buffett lässt (siehe MMM 1/2013, S.38ff.) den Fokus dabei auf Lokalberichte legen – das Blatt als Informationsmedium für den Nahbereich. Eine Zukunft hätten vor allem Zeitungen in stark von Gemeinschaftssinn geprägten Städten: Daher werde man sich auf kleine und mittlere Blätter in alteingessenen Gemeinden konzentrieren. Buffett mag auf der Metaebene für mächtige Konzentrations- und Zentralisationstendenzen des Kapitals stehen – auf der Objektebene (der Zeitungs-Titel, die ihn auch als einstigen Zeitungs-Boten zu interessieren scheinen) gilt hier wohl eher: „Small is beautful“.
3.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Im Tagesspiegel-Ableger „Potsdam am Sonntag“ hieß es am 28.4. im Aufmacher auf Seite 1 unter der Überschrift „BER-Kosten steigen weiter“: „Die Flughafengesellschaft hatte, obwohl der Planfeststellungsbeschluss anderes vorsah, einen abgespeckten Lärmschutz veranschlagt, der sich auf 139 Millionen Euro belaufen hätte“. Jaja, dieser Lärmschutz – hatte er also im Laufe der Jahre so richtig schön Speck angesetzt, war in ungesundem Maße gewachsen und letztlich so richtig fett und aufgebläht. Da kann doch ein wenig „Abspecken“ kaum schaden – zumal es ja auch die Kostenseite entlasten würde. Doch statt der Flughafengesellschaft als einem Hort gesünderen, schlankeren Lebens dankbar zu sein, fällen Richter speckige Urteile und richten sich Anwohner wie die Maden in ihrem Besitzstands-Speck ein. Zum Glück verlieren zumindest manche Zeitungsmacher nicht den Blick für das große Ganze und für total fitte Metaphern.

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