Von Sebastian Köhler
1.) Der griechische Journalist Kostas (manche Quellen schreiben auch Costas) Vaxevanis wurde in der vorigen Woche in Athen angeklagt, nachdem er in seinem Wochen-Magazin „Hot Doc“ die Namen von mehr als 2000 Griechen veröffentlicht hatte, die mutmaßlich geheime Konten in der Schweiz führen, um Steuern zu hinterziehen (vgl. Printausgabe The Guardian, England, 2.11.2012, S.3). 2010 hatte die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde ihrem griechischen Amtskollegen eine Liste mit solchen Namen übergeben, um mögliche Fälle von Steuerhinterziehung zu untersuchen. Die jetzige Veröffentlichung dieser Liste durch „Hot Doc“ hatte die Politik- und Wirtschaftseliten Griechenlands aufgescheucht. Das griechische Gericht sprach den Journalisten frei, und der sagte zu dem Fall in Anlehnung an Georg Orwell: „Journalismus bedeutet, etwas zu veröffentlichen, was jemand anderes nicht veröffentlicht sehen möchte. Alles andere ist Öffentlichkeitsarbeit“ (Übersetzung aus dem Englischen SeK). Es gibt zum Glück also beides noch in Griechenland – unabhängige Journalisten und unabhängige Richter. Das Land scheint mir alles andere als verloren.
2.) Keine gute Nachricht für die insolvente Nachrichten-Agentur dapd: Die WAZ-Gruppe, die als drittgrößtes Verlagshaus Deutschlands gilt, hat sich laut Mediendienst kress entschieden, wieder zur Nutzung der dpa-Angebote zurückzukehren und somit dapd den Rücken zu kehren. Das ist besonders spannend, weil die WAZ-Gruppe 2009 im Zuge von Ausgaben-Kürzungsvorhaben recht spektakulär von der dpa hin zu dapd gewechselt war. Dort firmiert der Essener Konzern als prestigeträchtiger Kunde, der für etwa vier Prozent des Umsatzes der Agentur sorgen soll (vgl. http://kress.de/mail/tagesdienst/detail/beitrag/118734-post-aus-essen-waz-gruppe-will-dapd-den-laufpass-geben.html, Aufruf am 7.11.12 um 16.13 Uhr).
3.) Gute Nachrichten, was die eigenen Bilanzen angeht, hingegen aus dem Hause „Springer“: Vorstandschef Mathias Döpfner hat angesichts der dritten Quartalsbilanz dieses Jahres erneut ein Rekordergebnis für das Gesamtjahr in Aussicht gestellt (siehe http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/118745-axel-springers-neun-monats-bilanz-digital-geschaeft-traegt-immer-staerker-zum-konzernergebnis-bei.html, Aufruf am 7.11.12 um 16.24 Uhr): Vor allem die Digitalgeschäfte scheinen sehr gut zu laufen, aber auch die inländischen Printmedien (z.B. BILD) spielen laut Döpfner – trotz sinkender Werbe-Einnahmen, also durch Kostensenkungen und entsprechend höhere Verkaufserlöse – Gewinne vor Steuern und Abschreibungen in Höhe von mehr als 20 Prozent ein. Die Konzernoberen sprechen von weiterhin hoher Ertragskraft und sehen als ein weiteres Mittel dazu die angekündigte „Redaktionsgemeinschaft“ von Welt-Gruppe, Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost.
4.) Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Die Kollegen des deutschen Textdienstes von Reuters berichteten am Montag, 5.12., um 13.41 Uhr, die spanische Regierung lege sich bei der Nominierung des Luxemburger Notenbankchefs Yves Mersch für das EZB-Direktorium quer: Im Text hieß es weiter hinten: “Die Euro-Staaten waren sich in der Personalfrage eigentlich bereits seit Juli einig. Nun versagte Spanien einem „schriftlichen Verfahren“ seinen Segen, in dem Mersch eigentlich durchgewunken werden sollte.” Ein Wunk mit dem Zaunpfahl sprachlicher Schmalspuren? Der Duden rät mittlerweile online zur Hauptvariante “durchgewinkt”. “durchgewunken” sei auch, aber vor allem umgangssprachlich möglich, mittlerweile sogar häufig anzutreffen (http://www.duden.de/rechtschreibung/winken, Aufruf am 5.11.12, 14.24 Uhr).
Viel strenger winkt der philologische Zeigefinger von Bastian Sick: “Das Verb „winken“ wird regelmäßig konjugiert: ich winke, ich winkte, ich habe gewinkt. Die Form „gewunken“ ist landschaftlich verbreitet, aber streng genommen ein Irrtum. Zwar heißt es „sinken, sank, gesunken“ und „trinken, trank, getrunken“, doch nicht „winken, wank, gewunken“. Die Formen von „winken“ werden wie die Formen von blinken, hinken und schminken regelmäßig gebildet. http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-abc-gewinkt-gewunken-a-311683.html, Aufruf am 5.11.2012, 14.18 Uhr)” Dasselbe gilt laut Sick für Zusammensetzungen wie eben: Der Lastwagen wurde durchgewinkt. Mir scheint ein ähnliches Argument mit Blick auf die sprachliche Vielfalt wichtig: Sofern die deutsche Sprache folgerichtig und formenreich mit schwachen und starken Verben aufgebaut ist, ist der Leitformen-Weg von “winken” über “wank” oder “wankte” zu “gewunken” schon besetzt durch ein anderes regelmäßiges, schwaches Verb: wanken- wankte – gewankt. Kurzschlüssige Verengungen unserer sprachlichen Möglichkeiten sollten nicht einfach “durchgewunken” werden.