Transparente Reporter ohne Grenzen?

Von Sebastian Köhler

1.) Seit Jahren wird heiß diskutiert, inwiefern Whistleblower-Plattformen wie „Wikileaks“ oder „Open Leaks“ künftig zum Journalismus beitragen. Selbst Spielfilme wie gerade „Inside Wikileaks“ entstehen in diesem Kontext. Die Wikileaks-Unterstützerin Sarah Harrrison, eine britische Journalistin, hat sich dieser Tage von Deutschland aus mit einem offenen Brief zu ihrer Sicht auf die Debatten um Edward Snowden zu Wort gemeldet (siehe
http://www.tagesschau.de/inland/harrisson-erklaerung100~_origin-81a43420-410d-497c-92a8-f1b85830a3fd.html, Aufruf am 14.11.2013, 10.51 Uhr). Ihr Kernargument scheint mir zu sein (ganz im Sinne der öffentlichen Aufgabe journalistischer Medien auch in Deutschland, was die Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber Mächtigen und Einfluss-Reichen angeht): In Zeiten eines neuen Maßes von Geheimhaltung und Machtmissbrauch gebe es nur eine Lösung – Transparenz. „Wenn unsere Regierungen so kompromittiert sind, dass sie uns nicht die Wahrheit sagen wollen, dann müssen wir nach vorne treten und die Transparenz zu ergreifen. Wenn die Leute die eindeutigen Belege in Form von Originaldokumenten sehen, dann können sie sich wehren.“ Natürlich wirft das auch Fragen auf, zum Beispiel hinsichtlich des etwaigen Einebnens durchaus fortschrittlicher Differenzierungen zwischen Privatheiten und Öffentlichkeiten, oder hinsichtlich möglicher Verselbständigung der selbsternannten Kontrolleure und Kritiker. Aber immerhin – dass auch diese Fragen überhaupt gestellt werden (können), dürfte ein demokratisierender Schritt sein.
2.) Im Kaleidoskop dreht es sich diesmal um eher inhaltliche Sprach- oder besser Rechenkritik. In der Reuters-Meldung vom 8.10.2013, 11:51 Uhr, wurde Horst Seehofers Wiederwahl als Ministerpräsident von Bayern im Landesparlament in München vermittelt. Der Text lautete dann: „Für Seehofer votierten 100 der 180 Abgeordneten. Ihm fehlte damit eine Stimme aus dem Kreis der 101 CSU-Parlamentarier im neuen Landtag in München. Die CSU war nach Angaben eines Fraktionssprechers in voller Stärke im Plenum vertreten.“
Da solche Wahlen selbst in Bayern noch immer geheime Abstimmungen sind, erhebt sich die Frage, wie der Berichterstatter diese Zahlenverhältnisse errechnet hat? Oder doch eher hellgesehen? Was sich hätte schreiben lassen, wäre in etwa gewesen: „Damit erhielt Seehofer eine Stimme weniger, als seine Fraktion Mitglieder zählt“. Denn vielleicht haben ja beispielsweise sogar zwei Mitglieder der oppositionellen Fraktionen für Seehofer gestimmt – und damit wären es nach Adam Ries immerhin schon drei CSU-ler gewesen, die ihrem Chef die Gefolgschaft verweigert hätten. Alles selbst in Bayern sicher nicht undenkbar. Wie gesagt – so lange die Wahlen geheim sind und bleiben. Was lehrt uns dieser Fall? Geheimes Wählen kann anstrengend sein.

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