Blog vom 6.6. 2012 von Sebastian Köhler:
1.) Facebooks anlegerfreundliches Gesicht scheint Kratzer zu bekommen: Erst kündigte der Autokonzern General Motors an, keine Werbung mehr auf der Plattform zu schalten, weil die bezahlten Anzeigen zu ineffizient seien (http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/116409-reuters-umfrage-werbung-auf-facebook-verleitet-nicht-zum-kauf.html. Aufruf am 6.6.2012, 10.31 Uhr). Nun hat eine Umfrage von Reuters/Ipsos unter 1.032 US-Bürgern ergeben, dass – laut deren eigenen Angaben – bei vier von fünf Nutzern Werbung oder Kommentare auf Facebook nicht zum Kauf geführt hätten. Ebenfalls unvorteilhaft: 34% der Befragten erklärten, weniger Zeit auf Facebook zu verbringen als noch vor sechs Monaten (während 20% sagten, sie verbrächten jetzt mehr Zeit auf der Seite).
Diese Ergebnisse sind Wasser auf die Mühlen derer, die die Facebook-Aktie für überbewertet halten. Mit einem Ausgabepreis von 38 US-Dollar und einer daraus resultierenden Bewertung von 104 Mrd. Dollar war das Unternehmen am 18. Mai an die Börse gegangen. Seitdem musste die Facebook-Aktie mächtig Federn lassen – am 5.6. schloss sie bei 26,90 $. Facebook hat nach eigenen Angaben weltweit über 900 Millionen Mitglieder – die Geschäftszahlen fallen aber im Vergleich mit anderen Börsengiganten eher bescheiden aus: Im vergangenen Jahr gab Facebook 3,7 Mrd. Dollar Umsatz und eine Mrd. Dollar Gewinn an. Das mit Abstand meiste Geld dabei wird mit Werbung eingefahren. Zum Vergleich: Google erzielte in beiden Sparten im Jahr 2011 rund das Zehnfache.
2.) Der Publizist, Schriftsteller und Journalist Neil Gaiman hielt im Mai 2012 eine Rede für die Absolventen der University of the Arts in Philadelphia (USA) (http://vimeo.com/42372767, Aufruf 6.6.2012, 9.50 Uhr – vielen Dank für den Hinweis an Bernd Ziegenbalg, Geschäftsführer Raufeld Medien in Berlin). Er sagte dabei, immer mehr der publizistischen Erwerbstätigkeit werde „Freelance Work“, also Honorararbeit als mehr oder weniger Selbständiger. Das sei bei aller Unübersichtlichkeit sogar systematisch zu verstetigen, wenn man drei Bedingungen erfülle: die Beiträge müssten gut sein, man selbst ein leicht zu handhabender Typ und die Lieferungen pünktlich. Genaugenommen reichten jeweils sogar zwei der drei Anforderungen: Auftraggeber würden es tolerieren, wie nervend man sei, wenn nur die Arbeit gut und die Lieferung pünktlich ist. Sie würden auch Unpünktlichkeit vergessen können, wenn die Arbeit gut ist und sie Dich, den Freelancer, mögen. Und schließlich müsse man auch gar nicht so hervorragend sein, wenn man zumindest nett und pünktlich erscheine.
3.) Nach jahrelangen Debatten hat im Mai 2012 ein neues Gesetz zur Pressefreiheit in Deutschland die parlamentarischen Hürden Bundestag und Bundesrat mehrheitlich genommen. Es trägt die Handschrift der Regierungskoalition und wird von Vertretern der Journalistenverbände kritisiert: Beispielsweise Ulrich Janßen, Vorsitzender der dju in ver.di, sagt, es handele sich um ein „Gesetz zum Versuch, die Pressefreiheit wenigstens ein bisschen zu fördern.“ Vor allem versäume das Gesetz, Journalisten als Träger von Berufsgeheimnissen anzuerkennen, wie das weiterhin für Abgeordnete, Geistliche oder Rechtsanwälte gilt. Eine gewisse Verbesserung sieht Janßen darin, dass Journalisten nun nicht mehr wegen „passiven Geheimnisverrates“ verfolgt werden dürften, also nicht mehr der Beihilfe zum Geheimnisverrat beschuldigt werden dürften, wenn ihnen brisantes Material von Informanten zugespielt wird. Im Falle „aktiven Geheimnisverrates“, also wenn Journalisten selbst aktiv werden und sich brisantes Material besorgen, bleiben die bisherigen Sanktionen bestehen (vgl. MMM 3/2012, S.4).
4.) Der Linken-Parteitag am Wochenende in Göttingen war auch für ein sprachkritisches Kaleidoskop ergiebig:
Gerd Joachim von Fallois sagte am 2.6. um 19.20 Uhr auf „Phönix“ zum Verhältnis der Linken-Politiker Gregor Gysi und Oskar Lafontaine: „Das Tischtisch ist zerstritten“. Solche Bonmots gehen natürlich weg wie frisch zerstritten Brot. Oder wie es der Sprachkritiker Karl Kraus gesagt hätte: Den Journalisten mache aus, keinen eigenen Gedanken zu haben und das dann auch noch schlecht auszudrücken.
Bei „Stern online“ hieß es, gleichsam intern plural und in voller Pressefreiheit (von der Wahrheit): „(Die neue Vorsitzende Katja) Kipping wird keinem der beiden Flügel zugerechnet (…). Die 34-jährige, die dem Reformflügel der Partei zugerechnet wird, gewann die Abstimmung auf dem Parteitag in Göttingen gegen die 63-jährige Hamburger Fraktionschefin Dora Heyenn.( http://www.stern.de/politik/deutschland/parteitag-der-linken-kipping-und-riexinger-sind-die-doppelspitze-1835747.html, Aufruf am 2.6., 23.58 Uhr). Und wenn der „Stern“ Kipping selbst gefragt hätte, wäre vermutlich noch eine dritte Position herausgekommen.