Von Sebastian Köhler
1.) Facebook ist durch die NSA-Überwachungsdebatten nicht mehr oder weniger in der Kritik als Microsoft, Apple, Google, Yahoo und wie sie alle heißen. Das Kern-Problem bei den verharmlosend „Späh-Affäre“ genannten Phänomenen sehe ich darin, dass wir Bürgerinnen und Bürger im Modus „Überwachung 2.0“ tatsächlich von zwei Seiten „erkundet“ werden – von Geheimdiensten namens demokratisch verfasster Staaten und von den Global Playern des mittlerweile (auch) informationsgetriebenen Kapitalismus. Schwer zu sagen, was schlimmer ist. Aber Facebook scheint als ein Pionier der Branche schon mal die „Rasterfahndung für alle“ (BLZ 11.7.2013, S.25) eingeführt zu haben: Die neue Suchfunktion „Graph Search“ soll es erklärtermaßen einfacher machen, gemeinsame Interessen zu „erkunden“. Doch Kritiker monieren, dass die Detailgenauigkeit und die Eingrenzungsmöglichkeiten jenen Rasterfahndungen aus den 1970er-Jahren ziemlich nahekommen könnten. Facebook als sogenanntes „soziales Netzwerk“ (Datensammel- und Datenverkaufskonzern scheint mir sachlicher) verfügt zufälligerweise von seinen (im Mai 2013 nach eigenen Angaben) weltweit 1,11 Milliarden Mitgliedern über umfängliche und detaillierte Datensätze. Und „Graph Search“ dürfte diese verstreuten Mosaik-Steine auf neue Weise sehr zielgenau zusammensetzen können – Unternehmer mögen so erfahren, welcher Bewerber als gewerkschaftsnah gelten kann oder wie überhaupt dessen politische Einstellungen sind. Das Blog „ http://actualfacebookgraphsearches.tumblr.com/“ listet dazu beispielhaft auf, dass man (Aufruf am 17.7.2013; 22.05 Uhr) auf Facebook mittels „Graph Search“ weniger als 100 Mütter von Juden finden könne, die Schinken mögen. Dagegen gebe es mehr als 100 Tesco-Mitarbeiter, die auf Pferde stehen. Und so weiter … Facebook hat den Trend erkannt (oder erst mit-etabliert?), dass wir im Netz tendenziell danach suchen (werden), was uns Freunde empfehlen. Und wo gibt es die meisten „Freunde“ und „Freunde von Freunden“? Meinen Erkundungen zufolge bei Facebook.
2.) Im Literatur-Magazin des RBB-Inforadios hieß es am Morgen des 14.7.2013, „es ist kaum ein abenteuerlicheres Leben vorstellbar wie das von Joachim Ringelnatz“. Fragt sich – ist das selbst schon Kunst (als bei Ringelnatz), oder kann das weg?