Kommerzielle Kommunikation kommt kolossal korrekt?

 

Von Sebastian Köhler

1.) Neues im Online-Journalismus: Die „Berliner Morgenpost“ probiert neue digitale Formate aus. Die Axel-Springer-Zeitung, die demnächst offiziell zur Funke-Gruppe gehören dürfte, hat ein so genanntes „Talkie“ veröffentlicht, eine Art sprechender Datenvisualisierung (siehe http://kress.de/alle/Detail/Beitrag/125808-datenvisualisierung-berliner-morgenpost-experimentiert-mit-talkie.html,Aufruf am 9.4.2014, 15.56 Uhr) Unter morgenländische/verbotene-Flugrouten erklärt die Redaktion, sie wolle mit dieser Form des digitalen Storytellings zeigen, dass die Vorzüge von linearer Erzählweise in Kombination mit interaktiven Elementen Geschichten für Nutzer auf eine neue Art erlebbar machten.

Im „Talkie“ erzählt eine Stimme aus dem Off die Geschichte in 100 Sekunden. Dazu werden aufwändige Datenvisualisierungen gezeigt. Inhalt des Beitrages ist in diesem Fall, dass immer mehr Flugzeuge vorzeitig von den vorgeschriebenen Flugrouten abweichen und im Tiefflug über Berlin fliegen. Die interaktive Anwendung basiert laut MoPo auf Auswertungen einer eigenen Datenbank der „Berliner Morgenpost“, die die Flugbewegungen von rund 96% aller Flüge der Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld erfassen soll.

  1. Fernsehen ist vor allem, was gern gesehen wird und was für Unterhaltung sorgt. YouTube-Stars und -Sternchen liegen da ganz weit vorn bei den ca. Acht- bis 29-Jährigen. Empfehlungen auf YouTube-Kanälen wie dem von Sami Slimani, Y-Titty oder von Daaruum können Produkte binnen Stunden zu Verkaufsschlagern machen – zumindest sorgen sie für Hingucker sowie Gesprächsstoff und verdienen offenbar nicht schlecht daran (wobei die noch viel spannendere Frage wäre – ähnlich wie bei hochbezahlten Sportlern als Werbeträgern: Wie profitieren Konzerne á la Samsung, Coca Cola oder eben auch Google als YouTube-Eigentümer von diesen Verwertungsprozessen?). Aufsichts-Experten wie Jürgen Brautmeier, derzeitig Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, finden das Gebaren der YouTubePromis auf Anfrage von öffentlich-rechtlichen TV-Magazinen wie Report Mainz (SWR) oder Zapp (NDR) „hochproblematisch“ (http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/media/zapp7353.html., Aufruf am 5.4.2014, 15.03 Uhr) Es geht im Kern um das Trennungsgebot von redaktionellem Inhalt und Werbung bzw. Product Placement. Dazu sagt das Telemediengesetz von 2007 als einer der zentralen Rahmen des Internet-Rechtes in Deutschland: 1. Kommerzielle Kommunikationen müssen klar als solche zu erkennen sein; 2. Die natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag kommerzielle Kommunikationen erfolgen, muss klar identifizierbar sein; 3. Angebote zur Verkaufsförderung wie Preisnachlässe, Zugaben und Geschenke müssen klar als solche erkennbar sein, und die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme müssen leicht zugänglich sein sowie klar und unzweideutig angegeben werden. (http://www.gesetze-im-internet.de/tmg/__6.html, Aufruf am 5.42014, 15.07 Uhr). Postwendend nach den öffentlich-rechtlichen Vorwürfen starteten „Vloggerinnen“ (Video-Bloggerinnen) wie Daaruum, xKarenina oder Ebru ihre Gegenkampagnen unter den Slogans #angeber oder #youtuberfürtransparenz. Erklärtes Ziel: Künftig (noch) klarer angeben, von wem sie wofür genau bezahlt werden, direkt und indirekt (http://www.wuv.de/digital/angeber_youtube_blogger_starten_kampagne_gegen_schleichwerbung; Aufruf am 5.4.2014, 15.25 Uhr). Unterm Strich mag der Streit sogar für etwas Aufklärung sorgen – es geht kaum um „Social Media“ bei YouTube, Facebook, Instagram, Vine, WhatsApp & Co. – das ist vor allem ein griffiges Wort aus PR- und Werbeperspektive. Nein, es geht nicht um soziale und vernetzte und freie Kommunikation um ihrer selbst Willen. Die genannten Global Player des „Social Web“ und viele andere sind WWW-Geschäftsplattformen als Mittel zum Zweck (neben den machtpolitischen und geheimdienstlichen Verbindungen), betriebswirtschaftlichen Umsatz und Gewinn zu erzielen/zu steigern (via schneller Aufmerksamkeit und Pseudo-Interaktivität). Nutzende bezahlen dabei mit ihren Daten, die tendenziell komplett ausgewertet und verwertet werden können. Und Vermittler wie die jetzt etwas umstrittenen Vloggerinnen und Vlogger bekommen dabei eben ihr (eher kleines) Stück vom ziemlich großen Kuchen. Auch das kann ja mal „angegeben“ werden, im Sinne gesellschaftlicher Transparenz. Ent-Täuschung mag so produktiv wirken.
  2. Zum sprachkritischen Kaleidoskop: Die Überschrift einer Reuters-Text-Meldung vom 7.4.2014 lautete: „Separatisten fordern Abspaltung von Ost-Ukraine“. Das lässt sich, um Wittgenstein zu bemühen, klarer sagen: So ist die Version zumindest doppeldeutig – entweder: die Ost-Ukraine soll sich von der gesamten Ukraine abspalten, oder aber: die Separatisten fordern, sich wiederum von der Ost-Ukraine zu abzuspalten. Gemeint ist sicher Ersteres, weswegen zu schreiben wäre: „Separatisten fordern Abspaltung der Ost-Ukraine.“ Ist kein bisschen länger, aber deutlich klarer.