von RAYK NEUBAUER
Technologischer Fortschritt und Religion stehen sich traditionell kritisch gegenüber. Vor dem Internet warnen viele religiösen Würdenträger noch heute. Ausgerechnet das Web 2.0 beflügelt nun allerdings die Wiedererstarkung religiöser Missionierung.
Kirchen sind Glaubensgemeinschaften und benötigen vor allem zwei Dinge, um ihr Fortbestehen zu sichern: Einen steten Zustrom neuer Mitglieder, um gesellschaftliche Relevanz zu bewahren, und Geld, um die Weiterführung ihrer operativen Geschäfte zu gewährleisten. Mit dem Geld scheint es vor allem bei der katholischen Kirche rund zu laufen. Sie gilt als vermögendste Organisation und größter Grundbesitzer der Welt.
Problematischer sieht es mit der Werbung neuer Mitglieder aus, zumindest im reichen Westen. Während das Christentum in vielen Entwicklungsländern wächst, bleiben die Kirchen der westlichen Welt vielerorts leer. Vor allem die katholische Kirche genießt den zweifelhaften Ruf des Bremsers und Ewig-Gestrigen. Dessen oberster Vertreter Papst Benedikt XVI. warnt noch heute vor dem Internet, Jahrzehnte nach dessen Kommerzialisierung. Starre Rituale und langwierige Messen scheinen im unüberwindbaren Kontrast zu stehen, zu einer im Internet sozialisierten Generation, die auf Schnelligkeit, Erreichbarkeit und Partizipation konditioniert ist. Doch in die digitale Lücke, die kirchliche Oberhäupter offenbar aus Unverständnis über die neuen Medien entstehen ließen, drängen nun Scharen überzeugter Amateure, die ihren Glauben über das Netz verbreiten wollen.