„Was isst du denn da?“ – Food Porner haben Instagram und Co für sich entdeckt

Der halbe Erdball lässt die Hüften zu Gangnam Style und Harlem Shake kreisen, Partys werden mit organisierten Flashmobs lahm gelegt1 und Grup Tekkan landete vor Jahren mit „Wo bist du mein Sonnenlicht“ statt einer Chartnummer eher eine Lachnummer. Im Internet folgt ein Trend dem anderen. Aber ein Phänomen hält sich ganz besonders: Food Porn.

Von Lisa Brückner

Der neuste Schrei

Ohne den Sharing-Effekt wären „Gangnam Style“ und der „Harlem Shake“ sicher an uns vorbei gegangen und keiner hätte zu den Beats getanzt. Ohne Facebook wäre manch eine Party richtig langweilig geworden, vor allem würden nur wenige Gäste kommen. Ohne das Internet wäre die Germersheimer Band Grup Tekkan niemals in die Charts gekommen. Und ohne das Internet wüssten wir nicht, was bei unseren Nachbarn täglich auf den Tellern landet.

Food Porn – ein Phänomen im Internet, welches sich durchgesetzt hat. Es handelt sich hierbei um keine Eintagsfliege. Im Gegenteil: Netzwerke, in denen sich alles um Fotos dreht, werden von Food Porn überflutet. Doch was ist das eigentlich dieses Food Porn? 2

Jedes Gericht ist ein Gedicht

Max Mustermann kocht. Er bereitet mit voller Inbrunst und Leidenschaft ein leckeres Gericht für seine Freundin zu. Er schneidet knackige Karotten in Würfel, zieht der frischen Tomate die Haut ab, streift mit einem Gemüseschäler ganz sanft der Gurke die Schale ab.

Eine Stunde später. Die Freundin Maxima Mustermann ist ganz entzückt von dem, was ihr Freund Max da gezaubert hat. Riesengarnelen auf Roculasalatbettchen mit zart gedünsteten Möhren-Tomaten-Gemüse. Maxima findet, dass diese Leistung der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden darf. Sie zückt ihr Handy, rückt die Riesengarnelen noch  ins rechte Licht und knipst ein etwas überbelichtetes Foto, welches sie noch nachträglich bearbeitet. Das Endprodukt, ein Foto im Stil alter Polaroidfotos, lädt sie sofort auf Instagram hoch. Die ersten Kommentare lassen natürlich nicht lange auf sich warten.

Alles andere als Food Porn: Zwei staubtrockene Knäckebrotscheiben reichen als Motiv nicht aus. Hier fehlt es ganz klar an Raffinesse und Finesse. © Lisa Brückner

Food Porn hat im eigentlichen Sinne nichts mit Pornografie zu tun, obwohl knackige Hähnchenschenkel, zarte Putenbrüste und süße Liebesknocken abgelichtet werden.3 Aber je kunstvoller und schmackhafter eine zubereitete Mahlzeit angerichtet worden ist und je kreativer das Motiv, desto mehr drücken am Ende „Gefällt mir“. Sex sells, also auch beim Essen. Das Steak muss nur so vor Fett triefen, die Tomate muss blutrot glänzen und das Sushi muss nach Manufaktur aussehen. Je appetitlicher, desto besser. Das Auge isst bekanntlich mit.

Wo kann Nahrungsmittelpornografie verbreitet werden?

Eine Foto-Sharing-Plattform ist für jemand, der die Welt an seinen Mahlzeiten teilhaben lassen möchte, eine ideale Möglichkeit, um die eigenen Fotos zu präsentieren. Zudem sind Millionen andere in diesen Netzwerken unterwegs. Viele Augen essen also mit. Wer seinen selbstgemachten Wrap oder das Eis beim Italiener ablichtet, ist hier also genau richtig und kann auf viele Reaktionen hoffen.

Typisch für Food Porn: Fotos bekommen mit Vorliebe ein ansprechendes Retro-Design verpasst. So sieht sogar Zucchini richtig edel aus. © Lisa Brückner

Bei der Fotocommunity Flickr können Bilddateien unproblematisch und jederzeit hochgeladen werden. Es können Alben angelegt, Schlagworte können hinzugefügt und Fotos mit passenden Tags versehen werden.4 So ist Food Porn auch für die anderen User nicht zu übersehen. Auch Pinterest ist eine tolle Option für die Präsentation eines fotografierten Stilllebens. Food Porner können ihre Fotos an virtuelle Pinnwände heften und darauf hoffen, dass ihr Foto von jemand anderes ge-“repinned“ wird.5 Bei Food Pornern besonders beliebt, ist Instagram. Das Angebot von Instagram wird durch eine Foto-Sharing-App fürs Handy komplettiert. Mit der App lassen sich Fotos mit verschiedenen Filtern bearbeiten. Besonders beliebt sind Fotos im Retro-Design.6 Wer sich durch Instagram und Co klickt, wird schnell mit Food Porn konfrontiert und merken, dass es Hardcore Food Porner gibt, die einfach alles, was ihnen zwischen die Zähne gerät, fotografisch festhalten müssen, auch wenn es nur ein simpler Schokoriegel ist.

Für welche Plattform man sich am Ende entscheidet, es ist wie beim Essen, pure Geschmackssache. Eines haben aber alle Plattformen gemeinsam: Hier können Food Porner sich so richtig schön ausleben.

Viele Augen essen mit

Unbearbeitete Fotos sind wenig „pornös“. Ein gutes Food-Porn-Motiv ist etwas überbelichtet, etwas milchig und wurde mit Filter und Effekten aufbereitet. Aber wird die ständige Visualisierung von Nahrungsmitteln auf Dauer nicht langweilig? Anscheinend nicht, denn dieser Trend ist nicht Tod zu kriegen. Ein Grund könnte sein, dass wir neugierig sind und alles wissen wollen. Es interessiert uns brennend, was bei unseren Internetfreunden so täglich auf dem Teller landet. Obwohl den Betrachter meist etwas vorgelogen wird, stört es viele nicht, dass die eigentlich ziemlich blasse Kartoffel auf einmal goldgelblich glänzt.

Food Porn soll Geschmacksnerven anregen und Freude am Essen ausstrahlen. Die abgeerntete Kresse macht trotz den Einsatz schöner Effekte einen eher traurigen Eindruck. © Lisa Brückner

Manch ein Kritiker des Trend geht sogar soweit  zu vermuten, dass exzessives Food Porn zu einer Essstörung führen kann. Wer immer und überall dokumentiert, was er isst, der könnte laut einiger Psychologen bald sein gesundes Verhältnis zu Essen verlieren.7 Ob dies tatsächlich der Fall sein könnte, sei dahin gestellt. Aber eines muss man Food Porn lassen: Es macht Lust auf mehr.

  1. Quelle: http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/facebook-flashmobs-randalieren-in-schriesheim–64380950.html  
  2. Quelle: http://www.pm-magazin.de/r/gute-frage/wie-funktioniert-%C2%BBfood-porn%C2%AB  
  3. Quelle: http://www.tagesschau.de/schlusslicht/foodporn100.html  
  4. Quelle: http://www.computerwoche.de/a/10-fotosharing-portale-im-vergleich,2501917,10  
  5. Quelle: http://www.focus.de/digital/internet/der-hype-um-pinterest-der-facebook-killer-fuer-schoengeister-boomt_aid_709957.html  
  6. Quelle: http://www.computerwoche.de/a/10-fotosharing-portale-im-vergleich,2501917,5  
  7. Quelle: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/571286/Ein-Facebook-voller-Essstoerungen  

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