Archiv für den Monat: Juni 2014

Von Diskussionen und Diskurs – die Nutzungsmöglichkeiten von Kommentaren

Die zunehmende Digitalisierung zwingt nicht nur Zeitungen zum Umdenken. Auch der Nutzer steht vor der Aufgabe das Rezipieren und vor allem das Interagieren und Diskutieren neu zu überdenken.

Durch Kommentarspalten auf Homepages oder Social-Media-Kanälen ist die Interaktion mit dem Nutzer erheblich vereinfacht worden. Doch diese Vereinfachung bringt leider nicht nur fruchtbare Diskussionen mit sich. Die Anonymität des Internets verleitet so manchen Leser heutzutage seine Meinung unmittelbar und unverblümt zu einem bestimmten Thema kundzutun.

Oft ist diese nicht immer gerade fundiert, in manchen Fällen sogar beleidigend oder diskriminierend. Die Unmittelbarkeit des Internets und auch die schiere Masse an Nutzern und Beiträgen bringen gerne kritische und direkte Äußerungen hervor. Denn wo es früher noch Redaktionen für Leserbriefe gab, die von Hunderten eingesandter Briefe eine Handvoll wohlwollender Meinungen abdruckten (oder gleich selbst schrieben), ist es heute zunehmend schwerer geworden den Input der Nutzer auf Kommentarseiten zu selektieren.

Pro forma unterliegt der Kommentar übrigens, obgleich welchem Kanal entsprungen, den gleichen Regeln wie der Leserbrief, so der Deutsche Presserat. Dies bedeutet keine Diskriminierung seitens der Nutzer sowie die Gültigkeit der Unschuldsvermutung.

Auch wenn der Ton bei Kommentaren zum Teil ein sehr rauer ist, müssen wir diese Art von Interaktion und Diskussion als essentiell für die Zukunft des Journalismus erachten. Nutzer messen dem Austausch über Nachrichten einen enormen Wert zu.

Im Idealfall entsteht eine fruchtbare Diskussion zwischen Nutzern (und Verfasser), bei der es Pro und Kontra gibt und bei der Meinungen und Hintergrundinformationen aufeinander treffen und Fehler aufgedeckt werden. Durch solche Diskussionen hat der Nutzer die Möglichkeit sich ein noch ausgereifteres Meinungsbild zu machen und bis daher unentdeckte Zusammenhänge zu erkennen.

Außerdem kann man als Journalist die Kommentarfunktion als eine Art Selbstkontrolle zu nutzen. Denn durch die Schwarmintelligenz von Hunderten von Nutzern können etwa falsche Fakten oder unbeleuchtete Aspekte aufgedeckt werden und tragen somit sogar zu einem besseren Journalismus bei. Der Journalist als Einzelner kann das Wissen gar nicht aufbringen, welches eine Masse der Online-Community, durch Diskussion erreicht.

Der Diskurs mit dem Leser zeigt dem Journalisten auch den Zeitgeist auf. Was ist die öffentliche Meinung zu einem Thema? Welche Themen sind für die Öffentlichkeit relevant? Der kleine Mann auf der Straße ist dem Mann am Bildschirm gewichen.

Daher sollte die Interaktion mit Nutzern weiterhin genutzt und ausgebaut werden. Es gibt bereits von Blättern wie Krautreporter und ProPublica erste Ansätze, welche die Online-Community in die Recherche mit einbinden und somit diese Tendenz bestätigen. Jedoch liegt es auch an uns Nutzern dieser neuen, wichtigen Rolle im Journalismus gerecht zu werden und diese mit Respekt zu behandeln um einen Dialog auf Augenhöhe zu ermöglichen.

 

Vier Augen sehen mehr als zwei – Wie Journalisten Social Media für sich nutzen

Vor einiger Zeit galten Journalisten noch als Social-Media-Muffel. Doch inzwischen wird es für sie immer wichtiger den „digitalen Anschluss“ nicht zu verlieren und sich die neuen Entwicklungen zunutze zu machen. Aber wie verwenden sie die neuen Möglichkeiten?

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Journalismus-Praktikum in Amerika, Afrika, Asien oder sonst wo gefällig?

Deutschsprachige Medien weltweit – ein Interview mit Björn Akstinat, Gründer der international agierenden Organisation Internationale Medienhilfe (IMH).

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© Björn Akstinat

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Wie bringe ich den Stein ins Rollen?

Oder auch: Wie überleben die Printmedien mit dem Internet?

Immer wird geklagt, Printjournalismus hätte keine Chance neben den ganzen Online-Medien zu überleben. Doch ist dieses wirklich eine Tatsache oder hat man einfach nur Angst vor der Digitalisierung? Der Rolling Stone Deutschland zeigt, wie ein Printmedium durchaus mit dem Internet profitieren kann. Weiterlesen

„Ich schaue die WM 2014 nicht!“ – schön, und jetzt?

„Der Preis der Fußball-WM“ – ein Artikel, der zur Zeit auf Facebook für Furore sorgt. Viele liken ihn, die ganz Engagierten teilen ihn sogar. Unzählige Kommentare dazu tragen denselben Tenor: „Ich schaue die WM 2014 nicht!“ Viele nutzen den Moment der WM, um sich als gute Menschen darzustellen und sich mit ihrem Mitgefühl für die Bewohner Brasiliens zu brüsten. Zu mehr reicht es schlussendlich dann aber auch nicht. 

Von Danielle Müller

Der Artikel „Der Preis der Fußball-WM“ fasst die Vorkommnisse zusammen, die der Dänische Journalist Mikkel Jensen während seins Aufenthalts in Brasilien 2014 angetroffen hat. Der Schwerpunkt liegt auf der Ermordung von Straßenkindern. Jensen sieht den Auslöser dieser Morde in der Fußball-WM, die von der Fifa 2007 an Brasilien vergeben wurde. Der Journalist veröffentlichte seine Erfahrungen zunächst privat auf seinem Facebook-Profil, schnell wurden sie aber weiter verbreitet und werden nun in Form eines Blog-Eintrages von vielen Facebook-Nutzern geteilt und geliked. Dabei ist den meisten nicht bewusst, dass nicht die Fußball-WM das große Übel ist, dass das Land plötzlich Straßenkinder ermorden lässt. Wenn man sich wirklich für die Thematik interessierte, würde nicht als erstes der „share-Button“ auf Facebook gedrückt werden. Der erste Schritt wäre, sich über die wirkliche Situation im grössten Staat Südamerikas zu informieren.

Diese sieht folgendermaßen aus: Die Existenz von Straßenkindern ist in Brasilien traurige Tatsache. Sie sind die Folge der großen Armut, von welcher in Brasilien viele betroffen sind. Laut einem Bericht von Amnesty International, lebten 2012 mehr als 16,2 Millionen Brasilianer mit weniger als 40 Dollar im Monat. Familien können so ihre Kinder nicht ernähren und diese landen auf der Strasse, wo sie auch oft ein Leben lang bleiben. Weltweit liegt die Zahl der Straßenkinder bei 80-100 Millionen. Eine aktuelle Zahl für Brasilien zu geben, ist unmöglich. Denn die von der Regierung veröffentlichten Zahlen sind meist nicht real und dienen lediglich zur „Verschönerung“ der dramatischen Realität.

Die Gier der lokalen Geschäftsmänner

Hand in Hand mit der Existenz der Straßenkinder geht auch deren Ermordung. Diese blickt in Brasilien auf eine lange, traurige Tradition zurück. Sie fand ihren Anfang in der Gründung von „Death Squads“ 1960. Dies ist die Bezeichnung für Gruppen, welche das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Sie sind der Meinung, dass die Regierung nicht schnell genug Gewaltverbrechen und Drogendelikte verurteilt. Also ermorden sie Menschen, die in ihren Augen Gefahren für die Politik oder Religion sind. Die Death Squads machen dabei bis heute auch keinen Halt vor Straßenkindern. Stephen Brookes schrieb zu diesem Thema 1991 (also 16 Jahre bevor Brasilien als Austragungsland der WM gewählt wurde) eine Reportage für das „Insight Magazine“. Darin beschreibt er den Fakt, dass 1990 alleine schon über 400 Straßenkinder ermordet wurden und diese Zahl über die Jahre hinweg steigen würde. Denn laut der Polizei verdienen Death Squads 40-50 Dollar pro getötetem Straßenkind. Bezahlt werden sie meist von Geschäftsmännern, die in den sozialen Missständen des Landes eine Gefahr für den eigenen Profit sehen.

Dass die von Death Squads ausgeführten Morde während eines Events im Lande aufgrund blühender Geschäfte und medialer Aufmerksamkeit steigen, ist also kein Wunder. Die WM treibt solche Umstände voran und kann sicherlich nicht nur positiv betrachtet werden. Aber dass Menschen so naiv sind, fälschlicherweise anzunehmen, dass die Morde alleine wegen der Weltmeisterschaft existieren, ist tragisch. Viele Facebook-Aktivisten haben folglich keine Bewunderung für ihr anscheinend tiefes Mitgefühl für die Straßenkinder Brasiliens verdient. Denn haben 90% von ihnen vor der WM nie ein Gedanke daran verschwendet, sich für die Kinder, durch bspw. das Unterstützen einer Hilfsorganisation, einzusetzen. Und werden dies wohl auch nach der WM nicht tun. Viel schlimmer: die meisten gucken nicht über ihren Facebook-Tellerrand hinweg und denken, alle Straßenkinder würden vermutlich nach Ende der WM verschont.

Die Weltmeisterschaft nicht zu gucken, ist also das einzige, was sie zur vermeintlichen Änderung der Situation in Brasilien beitragen. Und natürlich ein Daumen-hoch für die getöteten Straßenkinder auf Facebook zu spenden. Dass diese dadurch aber nicht wieder lebendig werden und ihre noch lebenden Leidensgenossen sich davon auch kein Dach über dem Kopf leisten können, verdrängen die meisten selbsternannten Samariter mit Bravour. Facebook mag zwar mächtig sein, doch hat nicht die Macht, die Welt zu verändern.

Gestatten: Tilo Jung

13-Tilo-Jung
Quelle: http://krautreporter.de/images/autoren/13-Tilo-Jung.jpg

von Michelle Melanie Wlodarczak

Das Social-TV bekommt frischen Wind
Er hat es geschafft, ja das hat er. Mit Hilfe von dem seit einigen Jahren bekannten „Crowdfunding“ hat dieser Mann etwas erreicht, was nicht wirklich einfach ist. Jetzt ist er sein eigener Herr, besser gesagt sein „eigener“ Chefredakteur. Doch wer ist „Er“? Er – das ist Tilo Jung. Jemand, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Menschen für das Thema „Politik“ zu begeistern. Quasi Politik für Desinteressierte.

Wie hat er dieses ambitionierte Ziel verwirklicht? Es ist eigentlich so einfach, dass es auf der Hand liegt. Für seine Idee machte sich Tilo Jung die moderne Technik zu Nutzen und legte sich einen Channel auf der beliebten Video-Plattform YouTube an. Zunächst finanzierte sich der 27-Jährige über die Plattform Krautreporter, welche ihm zu besserer Technik verhalf. Sein Konzept: Fragen zu stellen, die sonst keiner stellt und diese für alle Altersgruppen so verständlich wie möglich auszuformulieren, damit auch Jugendliche Interesse an politischen Themen finden. Rasant entwickelte sich eine Fangemeinde, da Tilo Jung mit seinen Videos schnell Aufmerksamkeit erregte. Mittlerweile hat er es mit seiner Idee sogar ins Free-TV geschafft. Zur besten Sendezeit kann man Tilo Jungs Sendung „Jung & Naiv“ jetzt auf dem Jugendkanal „joiz“ sehen. Damit das mediale Interesse gesteigert wird, gibt es auch einen Twitter- und Facebook-Account, wo aktuelles zur Sendung, aber auch zu dessen Thema „Politik“ aufzufinden ist und man sich austauschen kann. Zudem schafft er es, bekannte Politiker aus der Reserve zu locken. Immer forsch und geradeaus – das ist seine Devise. Ob Steinbrück oder Trittin, keiner scheint mehr vor ihm sicher. Er bekommt sie alle vor das Mikro, selbst Appelbaum, der bekannt wurde durch seine Enthüllungsreportage mit Edward Snowden.

Des weiteren bevorzugt es Tilo Jung , seine Interviews uncut zu veröffentlichen – damit hält er natürlich auch die Authentizität. Spezialisieren auf Politik möchte er sich allerdings nicht ausschließlich. In einem Interview erwähnte er, dass er solange Politik macht bis es ihm zu langweilig wird oder er schon alle Politiker vors Mikrofon bekommen hat. Dem Chefredakteur Jung ist es wichtig gegen das Gerücht anzugehen „Wir Bürger haben eine Politikverdrossenheit.“ Doch liegt es nach dem digitalen Nomaden nicht daran, dass wir uns nicht wirklich dafür interessieren, viel mehr liegt der Fehler bei den Massenmedien. Die Sprache der Politiker wird übernommen und detailliert erklärt. Die Frage darauf, wie die Politik jedoch wirklich funktioniert, bleibt unbeantwortet. Der mittlerweile von Google gesponserte Tilo Jung kann von seiner Arbeit als freier Journalist sehr gut leben. Anfangs erfreute er sich über Sponsoren zur Beisteuerung besserer Technik, hatte er doch nur ein Handy, um die Videos zu drehen. Nun kann er seine Themen mit professionellen Kameras umsetzen.

Seine Sendung „Jung & Naiv“ läuft so erfolgreich, dass diese im Sendeplan fest verankert wurde und als dauerhaft geplant ist. Bereits nach nur 10 Folgen erreichte er ein positives Feedback.
Seine „naiven“ Fragen, die für Jung ein markantes Stilmittel sind, erlauben es ihm nicht zuletzt freier zu agieren als jeder andere Journalist. Tilo Jung achtet auch darauf das seine Interviews eher kurz und bedacht sind, da es für ihn, einem nettem Plausch und lockerem Gespräch nahe kommen soll.

Auch vom „Duzen“ will er sich nicht abbringen lassen und so wird er auch weiterhin versuchen, Richtlinien zu umgehen, um interessante Fakten undGeschichten auszupacken.

Bleiben wir „Desinteressierten“ also gemeinsam dran!…