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Kommentieren wie ein Profi

Wie Facebook einen Journalisten aus dir machen kann

Von Kevin Santa

Wer heutzutage auf Facebook unterwegs ist, weiß wieviel Spaß man beim Lesen der unzähligen literarischen Ergüsse haben kann. Was einem immer wieder kostbare Zeit beim Durchforsten der Beiträge auf der Hauptseite (dem News-Feed) raubt, ist das Lesen der Kommentare der Nutzer. Man kann sich auch nur schwer zusammenreißen es nicht zu tun, denn unsere Neugier siegt fast jedes Mal. Viele Beiträge wollen ein journalisitsches Niveau besitzen, andere hingegen ein Niveau, bei dem man sich nicht mehr sicher sein kann ob dieses Niveau überhaupt existiert. Aber schließlich geht es doch sowieso am Ende nur um eines: Daumen hoch !!
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Vier Augen sehen mehr als zwei – Wie Journalisten Social Media für sich nutzen

Vor einiger Zeit galten Journalisten noch als Social-Media-Muffel. Doch inzwischen wird es für sie immer wichtiger den „digitalen Anschluss“ nicht zu verlieren und sich die neuen Entwicklungen zunutze zu machen. Aber wie verwenden sie die neuen Möglichkeiten?

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„Ich schaue die WM 2014 nicht!“ – schön, und jetzt?

„Der Preis der Fußball-WM“ – ein Artikel, der zur Zeit auf Facebook für Furore sorgt. Viele liken ihn, die ganz Engagierten teilen ihn sogar. Unzählige Kommentare dazu tragen denselben Tenor: „Ich schaue die WM 2014 nicht!“ Viele nutzen den Moment der WM, um sich als gute Menschen darzustellen und sich mit ihrem Mitgefühl für die Bewohner Brasiliens zu brüsten. Zu mehr reicht es schlussendlich dann aber auch nicht. 

Von Danielle Müller

Der Artikel „Der Preis der Fußball-WM“ fasst die Vorkommnisse zusammen, die der Dänische Journalist Mikkel Jensen während seins Aufenthalts in Brasilien 2014 angetroffen hat. Der Schwerpunkt liegt auf der Ermordung von Straßenkindern. Jensen sieht den Auslöser dieser Morde in der Fußball-WM, die von der Fifa 2007 an Brasilien vergeben wurde. Der Journalist veröffentlichte seine Erfahrungen zunächst privat auf seinem Facebook-Profil, schnell wurden sie aber weiter verbreitet und werden nun in Form eines Blog-Eintrages von vielen Facebook-Nutzern geteilt und geliked. Dabei ist den meisten nicht bewusst, dass nicht die Fußball-WM das große Übel ist, dass das Land plötzlich Straßenkinder ermorden lässt. Wenn man sich wirklich für die Thematik interessierte, würde nicht als erstes der „share-Button“ auf Facebook gedrückt werden. Der erste Schritt wäre, sich über die wirkliche Situation im grössten Staat Südamerikas zu informieren.

Diese sieht folgendermaßen aus: Die Existenz von Straßenkindern ist in Brasilien traurige Tatsache. Sie sind die Folge der großen Armut, von welcher in Brasilien viele betroffen sind. Laut einem Bericht von Amnesty International, lebten 2012 mehr als 16,2 Millionen Brasilianer mit weniger als 40 Dollar im Monat. Familien können so ihre Kinder nicht ernähren und diese landen auf der Strasse, wo sie auch oft ein Leben lang bleiben. Weltweit liegt die Zahl der Straßenkinder bei 80-100 Millionen. Eine aktuelle Zahl für Brasilien zu geben, ist unmöglich. Denn die von der Regierung veröffentlichten Zahlen sind meist nicht real und dienen lediglich zur „Verschönerung“ der dramatischen Realität.

Die Gier der lokalen Geschäftsmänner

Hand in Hand mit der Existenz der Straßenkinder geht auch deren Ermordung. Diese blickt in Brasilien auf eine lange, traurige Tradition zurück. Sie fand ihren Anfang in der Gründung von „Death Squads“ 1960. Dies ist die Bezeichnung für Gruppen, welche das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Sie sind der Meinung, dass die Regierung nicht schnell genug Gewaltverbrechen und Drogendelikte verurteilt. Also ermorden sie Menschen, die in ihren Augen Gefahren für die Politik oder Religion sind. Die Death Squads machen dabei bis heute auch keinen Halt vor Straßenkindern. Stephen Brookes schrieb zu diesem Thema 1991 (also 16 Jahre bevor Brasilien als Austragungsland der WM gewählt wurde) eine Reportage für das „Insight Magazine“. Darin beschreibt er den Fakt, dass 1990 alleine schon über 400 Straßenkinder ermordet wurden und diese Zahl über die Jahre hinweg steigen würde. Denn laut der Polizei verdienen Death Squads 40-50 Dollar pro getötetem Straßenkind. Bezahlt werden sie meist von Geschäftsmännern, die in den sozialen Missständen des Landes eine Gefahr für den eigenen Profit sehen.

Dass die von Death Squads ausgeführten Morde während eines Events im Lande aufgrund blühender Geschäfte und medialer Aufmerksamkeit steigen, ist also kein Wunder. Die WM treibt solche Umstände voran und kann sicherlich nicht nur positiv betrachtet werden. Aber dass Menschen so naiv sind, fälschlicherweise anzunehmen, dass die Morde alleine wegen der Weltmeisterschaft existieren, ist tragisch. Viele Facebook-Aktivisten haben folglich keine Bewunderung für ihr anscheinend tiefes Mitgefühl für die Straßenkinder Brasiliens verdient. Denn haben 90% von ihnen vor der WM nie ein Gedanke daran verschwendet, sich für die Kinder, durch bspw. das Unterstützen einer Hilfsorganisation, einzusetzen. Und werden dies wohl auch nach der WM nicht tun. Viel schlimmer: die meisten gucken nicht über ihren Facebook-Tellerrand hinweg und denken, alle Straßenkinder würden vermutlich nach Ende der WM verschont.

Die Weltmeisterschaft nicht zu gucken, ist also das einzige, was sie zur vermeintlichen Änderung der Situation in Brasilien beitragen. Und natürlich ein Daumen-hoch für die getöteten Straßenkinder auf Facebook zu spenden. Dass diese dadurch aber nicht wieder lebendig werden und ihre noch lebenden Leidensgenossen sich davon auch kein Dach über dem Kopf leisten können, verdrängen die meisten selbsternannten Samariter mit Bravour. Facebook mag zwar mächtig sein, doch hat nicht die Macht, die Welt zu verändern.