Markus Beckedahl im Interview: Die Zukunft des Online-Journalismus

Das Internet und der technische Fortschritt haben die journalistische Arbeit in den letzten zehn Jahren stark verändert. Verlage suchen nach neuen Möglichkeiten qualitativ hochwertigen Journalismus zu finanzieren und Regierungen, Unternehmen und Bürger diskutieren über das Thema Netzneutralität. Die Studenten des Studienganges Journalismus und Unternehmenskommunikation im 6. Semester der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Berlin hatten die Gelegenheit, Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org, einige Fragen bezüglich seiner langjährigen Erfahrung als Journalist und Blogger zu stellen. Dabei erzählt Markus Beckedahl von seiner zwölfjährigen Arbeit bei netzpolitik.org und seiner Motivation dahinter, täglich rund 40 000 Lesern Information rund um das Thema Politik in der digitalen Gesellschaft zu liefern.

Studierende: Herr Beckedahl, sehen Sie sich mit netzpolitik.org nach über 10 Jahren Online-Arbeit heute eher als Journalist, Aktivist oder Blogger?

Markus Beckedahl: Im Grunde genommen von allem etwas. Anfangs war ich mehr Aktivist und habe mir nach und nach Journalismus selbst beigebracht. Ich wollte ursprünglich nie Journalist werden. Doch plötzlich war ich einer und das, nicht weil ich mich selbst so nannte, sondern andere Journalisten mich so bezeichneten. netzpolitik.org stellt nicht den Anspruch neutral und objektiv zu sein. Wir berichten mit Blick auf die digitalen Bürgerrechte, sind dabei aber parteiunabhängig und transparent.

Studierende: Wieso haben Sie damals einen Blog gestartet und sich nicht dazu entschieden, Ihre Themen auf einem anderen Kanal oder Medium zu publizieren?

Markus Beckedahl: Ich bin mit einem Blog gestartet, ohne zu wissen, dass es sich um einen Blog handelt. Damals, 2002, ging es mir darum, im Internet publizieren zu können, ohne HTML verwenden zu müssen. Schließlich stieß ich auf eine Blog-Software und fing an, tagebuchartig von internationalen Konferenzen oder dem Europaparlament zu berichten. Im Zuge der US-Präsidentschaftswahlen 2004 gab es dann eine erste größere mediale Berichterstattung über Blogs und ich begriff, welche Möglichkeiten sich da boten. 2004 entstand dann auch das ursprüngliche Format von netzpolitik.org, welches alles rund um das Thema Netzpolitik archivieren und kuratieren sollte. Mit netzpolitik.org wollte ich einen Filter für medieninteressierte Menschen bieten.

Studierende: Welche Ansporn hatten Sie zu Beginn von netzpolitik.org und ist die Motivation heute noch die Selbe?

Markus Beckedahl: Die Motivation hatte verschiedene Gründe. Ich wollte zum einen einen Ort im Netz bieten, wo alle Informationen zum Thema Netzpolitik gesammelt werden. Darüber hinaus war mein Ziel, einen Kommunikationsort bzw. einen Netzwerkknoten zu schaffen, wo sich an Netzpolitik Interessierte organisieren können. Vor zehn Jahren schien Netzpolitik noch nicht so relevant und Themen wie Datenschutz, Urheberrechte, Netzneutralität oder Überwachung wurden höchstens auf den hintersten Seiten der Medien behandelt. Ich fand es damals außerdem spannend, per live-blogging während der Bundestags-Debatte in Echtzeit Kommentare versenden zu können, zu denen ich wiederum sofort eine Rückmeldung erhalten habe. Daraufhin beschäftigten sich dann auch Journalisten mit dem, was wir machten und so konnten wir zum gewissen Teil etwas zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Dies alles mithilfe eines Blogs im Internet.

Studierende: Denken Sie, dass Internet wird über kurz oder lang die konventionellen Medien wie das Fernsehen oder Radio ersetzen bzw. überflüssig machen?

Markus Beckedahl: Die Antwort auf diese Frage ist sicher abhängig vom Befragten. Vertreter der Fernsehbranche sind sogar der Meinung, das Fernsehen übernähme das Internet, indem es Inhalte jetzt einfach auch auf diesem Kanal verteilt. Ich finde es spannend, vor allem mithilfe des Internets, mehrere Medienformate bespielen zu können. Ich habe mir schon als ich klein war gewünscht, dass es Computer wie heutzutage gibt. Heute ist in jedem Handy ein Fernseh- oder Radiostudio eingebaut. Wir verfügen zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit über eine Demokratisierung der Produktionsmittel wie sie immer angestrebt wurde. Heute ist nur noch Internet und ein günstiger Computer nötig und du bist dein eigener Fernsehsender.

Studierende: Journalisten und Verlage stellen sich aktuell die Frage, wie sich qualitativ hochwertiger Online-Journalismus zukünftig finanzieren lässt. Welche Finanzierungs-Modelle halten Sie heute und zukünftig für sinnvoll?

Markus Beckedahl: Obwohl ich früher skeptisch war, denke ich mittlerweile, dass eine Paywall bei einigen Medien funktionieren kann. Allerdings sollte es in der deutschen Online-Verlagslandschaft ein allgemeines Payment-System geben, welches zunächst das Geld zusammenträgt und es dann den Medien zu ihren jeweiligen Anteilen ausschüttet. Ich bin froh, dass momentan, zumindest in Deutschland, meist noch klar zwischen Werbung und Inhalt getrennt wird. Allerdings gibt es jetzt schon immer mehr jüngere Medien und Blogs aus nicht politischen Bereichen, die auf Advertorials setzen. Diese bringen schließlich deutlich mehr Geld ein als herkömmliche Bannerwerbung.

Studierende: Wie stehen Sie dem Thema Netzneutralität gegenüber und was halten Sie von den Plänen zu einer Überholspur im Internet, welche bezahlenden Unternehmen ermöglichen soll, dem Kunden Inhalte schneller zu präsentieren als nicht bezahlende?

Um auf diese Frage zu antworten müssen unterschiedliche Ebenen beschrieben werden. Unabhängig von der Frage zur Netzneutralität geht es um den Breitbandausbau in Deutschland. Momentan befinden wir uns was Breitbandverfügbarkeit angeht im europäischen hinteren Mittelfeld. Allerdings haben andere Länder teilweise auch den Vorteil, das der Staat finanzielle Unterstützung beim Ausbau des Netzes leistet. Deutschland lässt hingegen allein den Markt in diese Infrastruktur investieren. Die Infrastruktur sollte nicht allein vom Markt getragen werden, denn ansonsten wollen die Kommunikationsunternehmen auch entsprechende Zugeständnisse erhalten. Wäre die Infrastruktur des Internets in Deutschland bereits mit Unterstützung des Staats ausgebaut, würde das Thema Netzneutralität gar nicht erst aufkommen. Das Hauptproblem ist, dass sobald die erste Überholspur eingerichtet ist, große Unternehmen auch bereit sind dafür zu bezahlen, um bevorzugt behandelt zu werden. Kleinen Anbietern hingegen fehlt dafür das Geld und letztendlich kann dies alles Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit und das Entstehen von Innovationen haben. Denn kleinen Start-Ups fehlen die finanziellen Mittel um Kunden genauso schnell zu erreichen wie es die größere Konkurrenz kann. Ein Zwei-Klassen-Internet hätte zur Folge, dass bereits bestehende Machtverhältnisse im Netz noch weiter zementiert würden und das kann nicht im allgemeinen gesellschaftlichen Interesse liegen.


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