Kommentieren wie ein Profi

Wie Facebook einen Journalisten aus dir machen kann

Von Kevin Santa

Wer heutzutage auf Facebook unterwegs ist, weiß wieviel Spaß man beim Lesen der unzähligen literarischen Ergüsse haben kann. Was einem immer wieder kostbare Zeit beim Durchforsten der Beiträge auf der Hauptseite (dem News-Feed) raubt, ist das Lesen der Kommentare der Nutzer. Man kann sich auch nur schwer zusammenreißen es nicht zu tun, denn unsere Neugier siegt fast jedes Mal. Viele Beiträge wollen ein journalisitsches Niveau besitzen, andere hingegen ein Niveau, bei dem man sich nicht mehr sicher sein kann ob dieses Niveau überhaupt existiert. Aber schließlich geht es doch sowieso am Ende nur um eines: Daumen hoch !!

„Heute hat Toyota in Japan die Serienversion eines wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenautos präsentiert – und damit abermals die deutschen Konkurrenten düpiert.“, heißt es in einem Beitrag auf der Facebook-Seite von Spiegel Online 1. Jan K. ist bereits wenige Minuten, nachdem der Artikel online gestellt wurde, mit einem Kommentar von 86 Wörtern dabei, seine Meinung offen kund zu tun. Seine Aussage ist politisch, wirtschaftlich und intelligent zugleich. Der eine Rechtschreibfehler lässt da dran auch nichts rütteln. Hat bestimmt sowieso niemand bemerkt. Die Anzahl der „Likes“ für diesen Kommentar? Vier Daumen. Insgesamt 35 Kommentare kommen für den Spiegel- Beitrag in einer Stunde zusammen und jeder ist absolut einzigartig. Von simplen „one-linern“, wie „Krass“, bis hin zu purem Sarkasmus, ist alles dabei, um seine eigene Meinung von anderen beeinflussen zu lassen. Doch die Amerikaner setzen im Gegensatz zu uns deutschen Kommentatoren deutlich einen drauf.

YAHOO! News berichtet auf ihrer Facebook-Seite 2, dass Nordkorea die USA vor einem Vergeltungsschlag warne, falls es zum Release des im Oktober erscheinenden Seth Rogen / James Franco Films „The Interview“ kommt, in dem die beiden Protagonisten erfolgreiche Journalisten mimen, die von der CIA beauftragt werden, um den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-Un zu eliminieren 3. Gerade einmal eine Stunde ist seit der Veröffentlichung des Beitrags vergangen und es rieselt einen Kommentar nach dem anderen. Um genau zu sein sind es 1.718 Kommentare und 3.537 Likes. Da kann Spiegel-Online mit seinem Brennstoffzellenauto kaum mithalten. Auch hier gibt es wieder eine breite Palette an verschiedensten Meinungsäußerungen. „Leave it to Seth Rogen to start WWIII“, heißt es im obersten Kommentar des Beitrags, unter den gleich 20 Antworten anderer Nutzer folgen. Der Verfasser wird für seinen scharfsinnigen Beitrag angefeuert, aber auch kritisiert. Doch ihm kann die Meinung der anderen egal sein, denn schließlich hat er dafür 422 Däumchen kassiert. Sein Ego ist immens gewachsen, daran gibt es so gut wie keinen Zweifel.

© Kevin Santa

© Kevin Santa

Solche Beiträge findet man auf Facebook heutzutage überall. Es wird gelacht, gestritten, geliked und gedacht. Die Medienangebote, die durch ihre Printausgaben bekannt geworden sind, werden nun in digitaler Form, als ein virtuelles Diskussionspodium für Entertainer genutzt, welches sich auf Zuckerberg‘schem Boden befindet. Unter manchen Beiträgen kommt es sogar vor, dass so genannte „Memes“ (witzige Beiträge [meist in Form von schlecht „gephotoshopten“ Bildern], die sich schnell zu einem Massentrend entwickeln) ihren Platz unter den Kommentaren finden. Schließlich ist dies relevant und man sammelt dadurch viel Reputation, nicht wahr?

Man hat unglaublich viele Möglichkeiten seinen Senf zu den Hard und Soft News dazuzugeben, dass man sich fast schon wie ein professioneller Journalist fühlt, der ganz entspannt von zu Hause aus arbeitet. Ob einfache Kommentare, wertvolle Reviews, Fotos oder Videos ohne großen Zusammenhang. Die Qualität des Contents unterscheidet sich von manchen Redaktionen doch sowieso nicht. Wieso steckt man bloß Tausende von Euros in eine Journalismus-Ausbildung, wenn das hier so unkompliziert und einfach funktioniert und mir noch zusätzlich virtuell auf die Schulter geklopft wird, weil mein Beitrag so geil war? Der gute Zuckerberg scheint alles richtig gemacht zu haben, um den Weg für zukünftige Informationsvermittler zu ebnen. Das Konzept läuft wunderbar.

„Vielleicht sollte ich noch schnell einen journalistisch-relevanten Kommentar unter den Syrien-Beitrag auf der ZEIT Online Seite schreiben, damit ich vorm Schlafen gehen noch ein paar Likes kassiere?“, grübelt Mario S., Student der Hochschule für Journalismus, Kommunikation und Wirtschaft. Und wieder einmal hat es sich für ihn gelohnt. „Congratulations! You won the internet for today!“, heißt es binnen kürzester Zeit unter seinem Post. „Aber das wollte ich doch eigentlich gar nicht“, denkt sich der Student, „denn.. I just came here to read the comments!“

So ein Ärger aber auch…

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Quellen:
1 www.facebook.com/spiegelonline?fref=ts (letzter Zugriff am 25.06.2014 um 20:30 Uhr)
2 www.facebook.com/yahoonews/posts/10152498211681037 (letzter Zugriff am 25.06.2014 um 21:00 Uhr)
3 www.imdb.com/title/tt2788710/ (letzter Zugriff am 25.06.2014 um 21:10 Uhr)


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