~ von Denis Winkelmann
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger (LSR) soll diesen das ausschließliche Recht einräumen, ihre Erzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zu machen.[1] Sprich, selbst kurze Textstücke (Snippets) online verfügbarer Artikel sollen von Aggregatoren wie Google bezahlt werden. Funktionieren soll das über Lizenzierungen durch die Presseverleger.
Am 1. März 2013 hat der Bundestag in dritter Lesung mit 293 Stimmen für das umstrittene LSR gestimmt. Ganze 243 Abgeordnete stimmten dagegen.[2] Netzpolitiker der Opposition drohen, den Entwurf im Bundesrat einheitlich zu blockieren.[3] Sie und viele weitere Netzaktivisten sehen im LSR den Versuch deutscher Verlage, das Geschäft mit den Netzpublikationen falsch zu monetarisieren. Was kommen könnte, ist ein Ausfall der Vermarktung des deutschen Online-Journalismus.
Leistungschutzrechte sind Teil des Urheberrechts. Ab §§ 70 ff. UrhG definieren sie, welche Gegenstände schützenswert sind. Die Palette geht dabei von wissenschaftlichen Werken, über Lichtbilder bis hin zum Schutz ausübender Künstler.[4] Seit dem Sommer 2009 fordert der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger (BDZV) nun die Erweiterung des Gesetzes, um sich gegen die kostenlose Ausbeutung ihrer qualitativen Inhalte zu wehren.[5]
Konkret geschützt werden sollen sogenannte Snippets, also kürzeste Textabschnitte, die den Artikeln im Netz als Einleitung anhängen. Diese werden auf den Seiten von News-Aggregatoren wie Google News oder Netzzeitung angezeigt, wenn diese ihr Angebot mit dem Inhalt der Seiten der Presseverleger bestücken.
Die Presseverlage kritisieren daran, dass News-Aggregatoren für die verlinkten (Kurz-)Inhalte der Snippets nichts bezahlen, doch dank geschalteter Werbung auf ihren Seiten Geld verdienen. Befürchtet wird weiter, dass sich durchschnittliche Nutzer für den nachrichtlichen Überblick nur noch der News-Aggregatoren bedienen, eben auch die Werbung konsumieren, ohne aber das journalistische Produkt tiefer gehend zu nutzen. Damit würden zusätzlich die Nutzerzahlen auf den Seiten der Presseverlage sinken.
Massive Mängel
Die Bundesregierung hat sich der Forderung angenommen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel strebt eine ausgewogene Regelung an, die allen Beteiligten Rechnung trägt.[6] Soweit die Lage. Nun die Schwierigkeiten. Die Formulierung des aktuellen Entwurfs[7] erlaubt es den Suchmaschinen weiterhin, einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte kostenfrei zu nutzen. Diese erst kürzlich vorgenommene Änderung sorgt für massive Rechtsunsicherheit[8], da sie nicht konkret definiert, wie viel denn jetzt nun zu viel ist.
Auch kollidiert das neue LSR der Presseverleger mit dem Rechtsschutz des Artikelurhebers, sprich, des eigentlichen Autors. Dieser ist durch das Urheberrecht geschützt und hat hinsichtlich der Publikation seines Artikels das Namensnennungsrecht. Mit dem ausschließlichen Entscheidungsrecht auf Publikation durch die Presseverleger, wie im Entwurf formuliert, entsteht eine Rechtsverletzung beim Autor.[9] Generell kann auch davon ausgegangen werden, dass es hinsichtlich seiner beruflichen Laufbahn im Interesse des Autors liegt, namentlich in den publizistischen Produkten über die Aggregatoren genannt zu werden.
Generell stellt sich die Frage der Praxistauglichkeit des neuen LSR in Deutschland. Denn neben Globalplayern wie Google gibt es unzählige mittelständische und kleine Unternehmen, die die Zusammenstellung und Aufbereitung von Informationen anbieten. Viele von ihnen werden weder finanziell in der Lage noch willens sein, entstehende Lizenzgebühren zu bezahlen.[10]
Konsequenzen
Eine mögliche Konsequenz wäre, dass journalistische Produkte gar nicht mehr verlinkt werden würden. Zumindest wäre eine detailliertere Recherche mithilfe von besagten Snippets nicht mehr möglich. Entstehender wirtschaftlicher Schaden würde hauptsächlich auf Autoren und Presseverleger selbst zurückfallen.
Vermutlich würden Verlage in der Praxis kostenfreie Lizenzen herausgeben, um im Wettkampf auf dem Aufmerksamkeitsmarkt Internet nicht ihre Relevanz einzubüßen. Gleichzeitig müssten Aggregatoren ihrerseits den Quellenbezug eines jeden Mediums rechtlich prüfen lassen, bevor sie die Verlinkungen setzen. Eine bürokratische Mammutaufgabe.
Um Rechtsverletzungen aus dem Weg zu gehen, wäre es denkbar, dass sich Aggregatoren aus dem deutschen Markt des Online-Journalismus zurückziehen und deutsche Produkte technisch blockieren. Gleichzeitig würde der Entwurf an den Grenzen Deutschlands seine Schranken finden, da ein derartiges Leistungsschutzrecht darüber hinaus (noch) nicht existiert. Das würde es ausländischen Unternehmen leicht machen, Verlinkungen auf deutsche Produkte zu setzen und so deutsche Aggregatoren in einen Wettbewerbsnachteil drängen.[11]
Alles in allem erscheint das LSR als ein verkrampfter Versuch der Zeitungsverlage, eine kurzweilige Bezahlstrategie für den Online-Journalismus zu erwirken. Dabei scheinen die Argumente hinsichtlich der Vermarktung im Internet zu wenig durchdacht. Die wettbewerblichen Nachteile sind offensichtlich. Es bleibt zu vermuten, dass der Bundesrat sein Veto geltend machen wird.
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[1] Bundestag.de: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/114/1711470.pdf Letzter Zugriff: 03.03.2013
[2] Spiegel.de: http://www.spiegel.de/flash/0,5532,22868,00.html#abstimmung=307&hilfe=false Letzter Aufruf: 03.03.2013
[3] Spiegel.de: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-bundestag-beschliesst-google-gesetz-a-886270.html Letzter Aufruf: 03.03.2013
[4] Gesetzeiminternet.de: http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html#BJNR012730965BJNG001501377 Letzter Aufruf: 03.03.2013
[5] Axelspringer.de: http://www.axelspringer.de/downloads/153453/Hamburger_Erklaerung.pdf Letzter Zugriff: 03.03.2013
[6] Bundesregierung.de: http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/09/2011-09-19-bkin-zeitung.html Letzter Zugriff: 03.03.2013
[7] Bundestag.de: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/125/1712534.pdf Letzter Zugriff: 03.03.2013
[8] Spiegel.de: http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/leistungsschutzrecht-bundestag-beschliesst-google-gesetz-a-886270.html Zitat von Beck, Volker, Bündnis 90/Grüne; Letzter Zugriff: 03.03.2013
[9] Max-Planck-Institut für Immaterialgüter und Wettbewerbsrecht: http://www.ip.mpg.de/files/pdf2/Stellungnahme_zum_Leistungsschutzrecht_fuer_Verleger.pdf Seite 4 f., Letzter Zugriff: 03.03.2013
[10] Max-Planck-Institut für Immaterialgüter und Wettbewerbsrecht: Ebenda, Seite 2 f., Letzter Zugriff: 03.03.2013
[11] Max-Planck-Institut für Immaterialgüter und Wettbewerbsrecht: Ebenda, Seite 6, Letzter Zugriff: 03.03.2013