Suchttherapie – Die virtuelle Droge Facebook

Von Sinah Engel

Es schürt Unzufriedenheit, Neid und Missgunst. Es stiehlt uns Daten, Zeit und Privatsphäre. Es verändert nicht nur unser Kommunikationsverhalten, es macht uns auch zu wirtschaftlichen Erfolgsgrößen ohne jegliche Rechte. Der Fisch stinkt vom Kopf her und das stinkt uns. Facebook nervt und doch können wir nicht ohne die virtuelle Droge.

„Die Sucht nach Facebook“. © Sinah Engel, 03.03.2013

Beim Börsengang im letzten Jahr ließ der Kopf des Unternehmens, Mark Zuckerberg, verlauten, Facebook solle dem Guten in der Welt dienen. Tatsächlich jedoch, haben sich die Nutzungsbedingungen seit dem Börsengang gravierend verschlechtert. Im Kampf um neue Einnahmequellen, höhere Gewinne und einen stabilen Kurs sind keine Daten mehr sicher. Das Unternehmen gewinnt, das Produkt verliert. Und das erkennen nicht nur Datenschützer sondern mittlerweile auch viele Kunden.

Schon seit langem häufen sich die Gründe für einen Austritt aus dem vermeintlich sozialen Netzwerk. Automatische Gesichtserkennung, die Überwachung der Privatnachrichten oder der freie Gebrauch von privaten Bildern sind nur einige der Kritikpunkte. Seit knapp einem Jahr streut Facebook auch die sogenannten Sponsored Stories in den News Feed und macht den Konsum unerwünschter Werbung unausweichlich. Der Höhepunkt: Die Abschaffung der Mitbestimmung und die fehlende Möglichkeit, die vielen Eingriffe in die Privatsphäre zu verhindern.

Im Januar 2013 präsentierte Zuckerberg der Welt seine neuste Innovation. Die erweiterte Suchfunktion Graph Search gibt den Usern die Option, nach bestimmten Eigenschaften und Vorlieben seiner Freunde zu suchen. Der männliche, sportbegeisterte Single kann sich per Knopfdruck alle ledigen Freundinnen mit ähnlicher Sportbegeisterung anzeigen lassen. Obwohl diese Funktion bisher nur ausgewählten Nutzern zur Verfügung steht, kritisieren Datenschützer schon heute den weiteren Eingriff in die Privatsphäre der Facebook-Nutzer. Es wird befürchtet, dass schon bald auch Dritte einen vereinfachten Zugang zu diesen sensiblen Daten erhalten.

http://www.youtube.com/watch?v=SD951tHz38g

Vorstellung von Graph Search Beta. YouTube, www.youtube.com/watch?v=SD951tHz38g, Zugriff am 03.03.2013

Doch nicht nur die Nutzungsbedingung verschlechtern sich stetig. Auch unser soziales und kommunikatives Verhalten wird stark beeinflusst. Ein Siebtel der Weltbevölkerung, also mehr als 1 Milliarde Menschen und 25 Millionen Deutsche bewohnen das virtuelle Dorf. Einst überzeugten die Möglichkeiten mit seinen Freunden in Kontakt zu bleiben und seine Freizeit zu organisieren. In den Vordergrund sind jedoch Selbstdarstellung und Neid getreten. Die Studie „Envy on Facebook: A Hidden Threat to Users‘ Life Satisfaction?“ fand heraus, dass mehr als ein Drittel der Befragten bei der Nutzung von Facebook Unzufriedenheit und Neid verspüre. Dafür verantwortlich seien die positiven Nachrichten der Freunde und die Vereinfachung des Vergleichens. Experten sprechen von einer Neidspirale. Um die Selbstzweifel zu kompensieren, verstärken wir die Präsentation eigener Erfolge. Wir haschen nach virtueller Aufmerksamkeit und verkommen zu missgünstigen Zuschauern. Ein Drittel der Facebook Nutzer besucht die Site mehrmals am Tag. Unsere Konzentrationsfähigkeit nimmt ab und wir verschwenden wichtige Zeit. Unser Verständnis von Freundschaft wird manipuliert und das wahre soziale Leben zum Teil ausgehebelt.

Es scheint, als sei Facebook zu einer Sucht gereift. Einer unliebsamen Eigenschaft die wir nicht ablegen können. Wir wollen nicht mit, aber auch nicht ohne das soziale Netzwerk. Wir sind hin- und hergerissen zwischen Selbstdarstellung und Selbstzweifeln, fühlen und manchmal als Teil einer großen dörflichen Gemeinschaft doch viel häufig alleingelassen vor dem häuslichen Bildschirm. Noch dazu kann kaum jemandem entgangen sein, dass für das Unternehmen schon lange nicht mehr der soziale Austausch im Vordergrund steht, sondern der Tausch von Datenware gegen Geld. Der Wunsch, einer der 6 Milliarden zu sein, die der Droge Facebook nicht auf den Leim gegangen sind, wächst mit jedem Rückfall.

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