Der Online-Journalismus erfährt seit einigen Jahren einen strukturellen Wandel. Seine zunehmende Bedeutung als überwiegend kostenfreies Informationsmedium stellt die Branche vor neue Herausforderungen. Es müssen neue Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden, welche weder die Integrität noch die Unabhängigkeit des Online-Journalismus anrühren.
von Madlen Geidel
Die klassische Variante ein journalistisches Online-Portal über Wasser zu halten, oder es gar schwarze Zahlen schreiben zu lassen, ist Werbung. Werbliche Inhalte lassen sich online wunderbar in diversen Varianten platzieren. Vom Billboard über Superbanner und Wallpaper bis hin zu Videos ist alles möglich. Ansprechend gestaltet für einen guten Preis.
Jedoch gibt es immer mehr journalistische Organisationen, die ihre Plattform aus einem ideologischen Motiv heraus alternativ finanzieren, um ihren Anspruch an integren, unabhängigen und somit qualitativ hochwertigen Journalismus zu garantieren und dabei auch ihre Leser viel stärker in die inhaltlichen Entscheidungsprozesse mit einbinden, als es konventionelle Medienhäuser tun.
Nicht nur ideologische Argumente sind für die Suche neuer Finanzierungsmöglichkeiten verantwortlich, sondern schlichtweg die Tatsache, dass der Online-Journalismus allein durch das Anzeigengeschäft kaum bis überhaupt nicht kostendeckend, geschweige denn profitabel ist.
Aus diesen Problemen und Ansprüchen heraus hat sich Crowdsourcing als eine geeignete Lösung für manche journalistischen Plattformen erwiesen. Crowdsourcing, was sich aus dem Wort „Crowd“ und „Outsourcing“ zusammensetzt, beschreibt die Idee, Funktionen an Dritte, beispielsweise Internetuser, weiterzugeben und sie somit in den Prozess eines Projektes mit einzubinden, während bei Crowdfunding Nutzer in der Regel lediglich in den Bezahlungsprozess mit eingebunden werden. So können zum Beispiel Internetuser für ein journalistisches Projekt, welches sie gerne unterstützen möchten, spenden.
Krautreporter
Im deutschen Journalismus wurde Crowdfunding als ernstzunehmende Finanzierungsmöglichkeit erst durch die Krautreporter richtig in die Öffentlichkeit gerückt. „Mehr Zeit für Journalismus“ lautet ihr Slogan. 900.000 Euro1 hat der Gründer Sebastian Esser mit seinem Team für das Online-Magazin per Crowdfunding sammeln können. In diesem Maß ist das in Deutschland bisher einzigartig. 60 Euro kostet das Abonnement für ein ganzes Jahr. Während die Artikel für jeden öffentlich sichtbar sind, haben nur Mitglieder die Möglichkeit zu kommentieren. Mittlerweile haben Krautreporter laut eigenen Angaben 18.000 Abonnenten.2
Crowdspondent
Mittlerweile gibt es weitaus mehr solcher interessanter Crowdfunding-Projekte in Deutschland, wie beispielsweise Crowdspondent. Gegründet wurde die Plattform von Steffi Fetz und Lisa Altmeier. Die beiden Journalistinnnen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die persönlichen Reporterinnnen ihrer Crowd zu sein und dort Reportagen zu drehen, wo die Leser sie gerne hätten. Die Crowd finanziert also nicht nur über das Crowdfunding-Portal Startnext ihre Reportagen, sondern entscheidet auch aktiv mit wohin es für die beiden geht und über was berichtet werden soll. Die Crowd hat die beiden Frauen unter anderem schon nach Brasilien in die Favelas geschickt und sie Flüchtlinge aus den 90er Jahren in Deutschland suchen lassen. Ihr Konzept, ihre Leser zu ihren Auftrags- und Geldgebern zu machen, geht auf.3
Weeklys
Ein weiteres spannendes und junges Magazin ist Weeklys, dass sich auf gründliche Reportagen spezialisiert. Der Gründer Jasper Fabian Wenzel möchte unabhängig von Verlagen ausreichend Zeit für gründlich recherchierte Reportagen haben, was Crowdfunding ihm ermöglicht hat. So kann man im Abonnement beispielsweise 12 Reportagen für zehn Euro kaufen, 26 Reportagen für 20 Euro oder das Magazin mit einem frei gewählten Betrag unterstützen. Die angebotenen Reportagen haben eine Länge, wie man es kaum noch gewohnt ist und es scheint, als hätten User darauf gewartet. Die aktuelle Weeklys Reportage unternahm der Autor Nagieb Khaja in den Afghanistan, um über Scharia-Gerichte zu berichten.4
Block-Magazin
Anders als Crowdfunding für Online-Magazine macht es das Block-Magazin, welches sich zwar über Crowdfunding finanziert, jedoch eine gedruckte Ausgabe zum Ziel hat. Das eher künstlerisch fokussierte Magazin wird erst ab einer Bestellanzahl von 1000 Exemplaren gedruckt. Auf der Website kann man das Magazin vorbestellen und einen Blick ins Heft erlangen. Mehr als das Alltagsgeschehen möchte Block-Magazin einen Raum für Kreative schaffen.5
Der Online-Journalismus hat in Deutschland bisher eher zur Beschleunigung von Nachrichten gedient, was teilweise zu einer Oberflächlichkeit der Berichterstattung geführt hat. Eigenständige Formate mit tiefgreifender Recherche sind daher essentiell, um den Ruf des unabhängigen Journalismus im Internet zu verteidigen. Crowdfunding bietet für diesen Anspruch geeignete Rahmenbedingungen. Die Zielgruppen werden kleiner und spezifischer, dafür interessierter und eher bereit für Qualitätsjournalismus Geld zu zahlen.
Eins bleibt jedoch sowohl bei der klassischen Anzeigenfinanzierung wie auch beim Crowdsourcing unverändert: Die Idee und der Inhalt müssen überzeugen, sonst funktioniert auch dieses Modell nicht.