Shitstorm – Die Macht der Konsumenten

Für Unternehmen oder auch private Person bieten die sozialen Netzwerke große Chancen, für sich zu werben und auf sich aufmerksam zu machen. Es ist günstiger, schneller, zielgruppenspezifischer. Doch wie so oft gilt: Wo Licht ist, ist auch Schatten.

von Benjamin Strutz

Shitstorm

Eine treffende Bezeichnung dafür ist ein Akt, welcher sich durch menschlichen Opportunismus bildet. Der Herdentrieb ist den Genen der menschlichen Rasse seit Anbeginn ihrer Existenz immanent. Ursprünglich ein Überlebensinstinkt, ist es heute meist nur Gemütlichkeit und ein fehlender Wille zur Selbstreflexion, der den Menschen dazu treibt, in einem öffentlichen Konsens ein einziges Individuum an den Pranger zu stellen. Die Leichtigkeit, sich als Teil der Masse nicht einem Rechtfertigungszwang aussetzen zu müssen, bewegt viele Menschen dazu, als Shitstorm-Debütanten ihren Unmut zu kanalisieren. Die Gedankenlosigkeit, mit der die meisten Twitter oder Facebook-Shitstormer agieren, übertrifft die des Shistorm auslösenden Beitrags meist um ein Vielfaches und offenbart erschreckende Dynamiken, die an längst vergangene Zeiten erinnern. Durch den direkten Kontakt zum Konsumenten sind die Werbestrategien einem verstärkten Grad der Beobachtung ausgesetzt. Die Reaktion des Interessenten kann sowohl positiv wie auch negativ sein.

Justine Sacco machte einen geschmacklosen Witz über AIDS – mit schlimmen Folgen!    

Im Dezember 2013 reiste die damals 30 Jahre alte Justine Sacco, EX-PR-Chefin des Medienunternehmens IAC, von New York über London nach Südafrika, um ihre Familie zu besuchen. Kurz vor der letzten Etappe der Reise nach Kapstadt postet sie folgenden Tweet1:

Justine Sacco

Klick auf das Bild, um Justine Saccos Twitteraccount zu sehen.

Es überraschte sie erst nicht, dass niemand antwortete. Bei Twitter folgten ihr gerade mal 170 Nutzer. Während ihres halbtägigen Fluges wurde der Tweet von Sam Biddle, Redaktionsleiter des Internetblogs Valleywag, aufgenommen und im sozialen Netzwerk verbreitet. In der Zwischenzeit wurde der Hashtag #HasJustineLandedYet ins Leben gerufen. Von 170 potentiellen Lesern waren es nun mehrere Tausend. Der Shitstorm hatte begonnen! Die Leser kreisten nun wie die Geier um den Tweet und stellten in ihrer Gedankenlosigkeit Sacco mit ihren Kommentaren an den Pranger. Zu dem Zeitpunkt wusste die ehemalige PR Chefin noch nichts von dem Shitstorm. Es gab sogar jemanden am Flughafen in Südafrika, der auf sie wartete, um ein Foto zu knipsen um weiter auf die Schamdrüse drücken zu können. 2

Zu sagen, dass ihr Leben damit ruiniert sei, zumindest für eine Weile, wäre eine Untertreibung. Als langjährige Unterstützerin der Gleichberechtigung der Rassen hatte sie die südafrikanische Familie in Verlegenheit gebracht, und sie wurde von ihrem Job entlassen. Ihr Leben wurde durch einen dummen Tweet zerstört.

Ein Beispiel für den Einsatz von viralem Shitstorm Marketing gegen andere Unternehmen ist die von Greenpeace gestartete Kampagne “Save the Arctic“ und der damit verbundene Video Clip LEGO: Everything is NOT awesome. Zuvor war Ölkonzern Shell eine Partnerschaft mit Kundenliebling Lego eingegangen.3Eine Initiative, um das Image zu verbessern. Der Spielzeughersteller verkaufte Spielzeugautos an Shell. Wer nun an den Shell – Tankstellen mindestens 30 Liter Super tankte, bekam ein Lego-Rennauto als Extra. Der wahrscheinliche Grund, warum der 2011 unterzeichnete Vertag mit Shell nicht verlängert wurde, war die Greenpeace Kampagne.

Welche virale Shitstorm Marketing Strategie wandte Greenpeace an?

Bildschirmfoto 2015-03-02 um 15.08.45Die Absicht von Greenpeace war es, auf die arktischen Ölbohrungen von Shell aufmerksam zu machen. Am Anfang, als das Video veröffentlicht wurde, lief die Kampagne “Save the Arctic” bereits. Das Ziel musste nun sein, Lärm zu verursachen. Da Greenpeace eh über eine breite Basis an Unterstützern verfügte, war es ein Leichtes, das Video LEGO: Everything is NOT awesome. millionenfach viral zu verbreiten. Bei Twitter wurde die Kampagne durch den Hashtag* #BlockShell begleitet.

*Einmal eingeführte Hashtags werden im Rahmen der Antworten auf einen Beitrag wieder aufgegriffen, was bei steigender Bekanntheit dafür sorgt, dass das so referierte Hashtag etabliert wird. 4

Wie schlimm sind die Auswirkungen eines Shitstorms für ein Unternehmen oder eine Marke letztlich?

Als Beispiel: Greenpeace hat in der Vergangenheit mehrmals einen Shitstorm ausgelöst und somit für Aufruhr gesorgt. Somit ist bewiesen, dass Shitstorms negative Auswirkungen auf Unternehmensmarketingstrategien haben kann. Zum anderen zeigt es, dass Shitstorms initiiert sein können und plötzlich auftauchen. Dennoch haben sie aber in der Regel nur eine kurze Lebensdauer. Sei es als Unternehmen, Marke oder Privatperson, jeder sollte im Social Web immer auf Shitstorms vorbereitet sein. In der Vergangenheit haben Shitstorms keinen wirklichen Einfluss auf den Umsatz eines Unternehmens gehabt. Dennoch könnten sie für kurzfristig negative Auswirkungen auf den Umsatz haben.5

In vielen Fällen hatte der Shitstorm sogar positive Auswirkungen. Es gibt also kaum Gründe, sich vor Shitstorms zu fürchten. Im Gegenteil: Gar nicht beachtet zu werden, kann bei Aktivitäten im Social-Media-Bereich weitaus schlimmer sein.

  1. Bildnachweis: http://static.guim.co.uk/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2013/12/22/1387732606928/Justine-Sacco-008.jpg, Zugriff 2.3.2015. ©J. Sacco.  
  2. Vgl.: http://uproxx.com/webculture/2015/02/what-happened-to-justine-sacco-the-woman-whose-life-was-ruined-by-an-aids-joke-she-made-on-twitter/Zugriff 2.3.2015.  
  3. http://www.theguardian.com/sustainable-business/blog/greenpeace-campaigns-companies-lego-mattel-barbie-shell  
  4. http://de.wikipedia.org/wiki/Hashtag#Verbreitung – Zugriff: 2.März 2015   
  5. https://twitter.com/xeitgmbh  

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