Shitstorm – Fluch oder Segen?

Im digitalen Zeitalter nutzt nahezu jedes profilierte Unternehmen das Internet, um verschiedene Firmeninteressen zu kommunizieren. Dabei bietet vor allem das virale Marketing die Chance, mit dem Kunden direkt in Kontakt zu treten. Videos und Botschaften können schneller und einfacher verbreitet und Angebote und Unternehmensphilosophien können direkt vermittelt werden. Neben den Chancen, die soziale Medien bieten, gibt es vor allem ein Risiko, das Verantwortliche in Firmen fürchten – Shitstorms. Doch was ist eigentlich ein Shitstorm, wie entwickelt er sich und muss ein Shitstorm zwangsläufig negative Auswirkungen haben?

von Robert Pintz

Was ist ein Shitstorm?

Die Definitionen für Shitstorms gehen weit auseinander. Für die einen ist ein Shitstorm die bloße Äußerung von Kritik an einem Unternehmen, einer Dienstleistung, einem Produkt oder Ähnlichem, geäußert und gebündelt auf interaktiven Mitteilungsplattformen wie Facebook, Twitter, Blogs, Youtube etc.. Andere Definitionen beschreiben einen Shitstorm erst dann als solchen, wenn die Anzahl von unsachlichen und persönlichen Argumenten die sachlichen und argumentativen Stellungnahmen von Kunden und Nutzern übersteigt. In ein Fegefeuer der Kritik zu geraten, ist jedoch nicht Kern der Probleme, die viele Unternehmen im viralen Marketing haben. Durch ethisches Fehlverhalten, oder unbedachte und oft gar nicht bewusst platzierte Äußerungen passiert es schnell, dass man sich in den sozialen Netzwerken mit Kritik auseinandersetzen muss. Bereits große international agierende Firmen wie Adidas oder Nestlé mussten sich  mit ihren aufgebrachten Kunden auseinandersetzen. Ein Shitstorm ist somit nicht immer zu hundert Prozent abseh-, und verhinderbar. Der elementarste Teil ist jedoch der Umgang damit. Die Eskalation zu verhindern, und mit dem richtigen Management dagegen anzugehen, ist der Schlüssel, um den Shitstorm im Keim zu ersticken, daraus zu lernen, und zukünftigen kritischen Situationen aus dem Weg zu gehen.

Die folgenden Beispiele zeigen zwei Unternehmen, die einem Shitstorm ausgesetzt waren und auf ganz unterschiedliche Weise mit unterschiedlichem Erfolg darauf reagiert haben.

Der TelDaFax-Fall

teldafax-logo

TelDaFax Logo1

Die TelDaFax Holding AG, gegründet im Jahr 2002, war die Dachgesellschaft diverser Tochterunternehmen, die alle in den Bereichen Energieversorgung, Telekommunikation, Touristik, und Finanzdienstleistungen tätig waren. 2011 ging TelDaFax mit der bisher zweitgrößten Insolvenz der deutschen Wirtschaftsgeschichte Pleite. Durch die Medien kursierte der Name allerdings bereits vorher, als sich Verantwortliche der Firma mit dem schlechten Umgang mit Kundenkritik negativ ins Rampenlicht katapultierten.

teldafax-shitstorm

Reaktion TelDaFax auf Kundenkritik2

Im Februar 2011 gab es vermehrt Kundenbeschwerden über den schlechten Service des Unternehmens. Die Reaktion von TelDaFax war dann der Grund, wieso die kritischen Stimmen zu einem echten Shitstorm eskalierten. „Leute, die Seite ist echt nicht der geeignete Platz für Beschwerden und Kundenanliegen.“, hieß es auf der Facebook-Präsenz. Danach kam, was kommen musste. Innerhalb weniger Stunden stiegen die kritischen Beiträge der Kunden exponentiell. Der Kern der entnervten und aufgebrachten Nutzerstimmen spiegelt zugleich das wieder, was das Telekommunikationsunternehmen in diesem Fall falsch gemacht hat. „Dann empfehle ich Ihnen sich von Facebook zurückzuziehen! Das ist Zensur, wenn hier nur genehme Posts bleiben dürfen.“ postete ein aufgebrachter Nutzer unter einer ebenfalls unglücklichen Stellungnahme seitens der Firma. Es sei ja nicht so wie bei Fußballtipps, und Beschwerden hätten auf der Seite nichts zu suchen, schließlich zwinge ja niemand jemanden TelDaFax auf Facebook zu folgen, argumentierte das Unternehmen. Genau da liegt jedoch der Irrtum. Facebook und Twitter sind interaktive Plattformen, die genutzt werden können, um den Austausch zwischen Kunden und dem Unternehmen direkter zu gestalten. Eine einseitige Informationsversorgung des Unternehmens ist von den Kunden nicht nur missbilligt, sondern führt auch zu Irritationen und Unmutsbekundungen, wenn gemerkt wird, dass kritische Stimmen nicht erwünscht sind. Genau daran ist TelDaFax im Umgang mit Social Media gescheitert. Der Sinn und die Chance des Mediums als Kommunikationsplattform wurde nicht erkannt, und führte letztendlich dazu, dass es die Facebookseite, ähnlich wie das Unternehmen selbst, nicht mehr lange geben sollte.34

Honey Maid

KRAFT FOODS LOGOHoney Maid Logo5

Eine ganz andere Möglichkeit der Bewältigung eines Shitstorms präsentierte der amerikanische Cracker-Hersteller Honey Maid. Sie entwickelten ihre „this is wholesome“ Kampagne, in der sie für ihre „rundum gesunden“ Snacks für die ganze Familie werben. Familie definieren sie darin modern, und zeigen auch gleichgeschlechtliche Paare in ihrem Clip.

Werbespot „this is wholesome“6

Im konservativen Amerika führte dies zu zahlreichen empörten Facebook-Posts und Tweets. „das ist ekelhaft“, „grauenvoll“, „ich werde euch boykottieren“ sind nur einige von den vielen geschmacklosen Äußerungen, mit denen sich Honey Maid beschäftigen musste. Anders als TelDaFax fand Honey Maid eine Methode mit dem Shitstorm umzugehen, die die recht unbekannte Marke international in die Medien brachte. Sie engagierten zwei Künstler, die die ganzen negativen Kommentare ausdruckten, sie zu Papierrollen formten und mit ihnen den Schriftzug „Love“ bauten. Da sie dafür unzählige positive Rückmeldungen erhielten, bauten sie diese ebenfalls in ihr Kunstwerk ein. Alles zusammen wurde in einem Clip verarbeitet, der dem Unternehmen ein enorm positives Feedback einbrachte. Honey Maid praktizierte einen vorbildlichen Umgang mit einem Shitstorm der geschmacklosesten Sorte. Sie lehnten die vielen Kommentare nicht ab, oder löschten sie, sondern verarbeiteten diese zu einer ganz tollen neuen Kampagne, die das Unternehmen über Nacht weltweit bekannt gemacht hat, und ihnen den Zuspruch von Millionen Menschen sicherte.78

„Love“9

Fazit

Am Beispiel von Honey Maid kann man den perfekten Umgang mit Shitstorms betrachten. Die in der Headline formulierte Frage „Shitstorm – Fluch oder Segen?“ lässt sich dabei jedoch nur bedingt klar beantworten. Die Entstehung eines Shitstorms lässt sich in der modernen, digitalen Gesellschaft nicht immer verhindern. Jeder Mensch ist dazu in der Lage in der Öffentlichkeit seine Meinung zu äußern. Unbedachtes Fehlverhalten ohne bösartige Intention von Seiten eines Unternehmens kann schnell passieren. Kommt es dazu, sieht sich das Unternehmen der geballten, ungefilterten Menge von Meinung ausgesetzt, die weder quantitativ, noch qualitativ zu kontrollieren ist. Dementsprechend finden sich in Shitstorms auch immer wieder unsachliche, teilweise beleidigende Beiträge, die nicht selten weit unter die Gürtellinie gehen. Die große Kunst ist dann der Umgang mit dem Unmut seiner Nutzer. TelDaFax sah sich angegriffen und akzeptierte die sozialen Medien nicht als Kommunikationsmöglichkeit. Kommentare wurden gelöscht und es wurde keinerlei Bereitschaft zur Kooperation gezeigt. Die Folge waren noch mehr kritische Stimmen und die negative Erwähnung in den Medien und daraus folgend ein immenser Imageschaden für das Unternehmen. Honey Maid reagierte absolut richtig und ging auf die vielen Nutzer ein, beschäftigte sich mit den Kommentaren, und verarbeitete sie zu einer weiteren Kampagne, ohne von der Firmenphilosophie abzuweichen und ohne die Kritiker direkt anzugreifen oder zu verärgern. Dies brachte ihnen riesigen Zuspruch und eine Vorbildfunktion, wie man mit solchen Situationen umgehen kann. Ein Shitstorm ist also nicht immer ein Fluch – im Gegenteil. Er kann zu einem werden, ohne Frage, dennoch kann er auch positiv sein, wenn man die richtigen Leute in seinen Reihen weiß, die in der Lage sind die Kritik aufzunehmen, damit umzugehen, und sie in eine positive Reaktion umzuwandeln. Gelingt dies, kann ein Shitstorm zu einer Chance werden, die sich vielleicht wie im Fall von Honey Maid im Nachhinein zu einem absoluten Segen herausstellt.

  1. Bildnachweis: ©TelDaFax, Zugriff 4.1.2015.  
  2. Bildnachweis: http://t3n.de/news/wp-content/uploads/2011/02/teldafax-facebook-595×279.jpg, Zugriff 4.1.2015.  
  3. Vgl.: http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article13488539/Wenn-ein-Shitstorm-das-Konzern-Image-zerstoert.html, Zugriff 4.1.2015.  
  4. Vgl.: http://t3n.de/news/shitstorms-2011-grosten-aufreger-354013/, Zugriff 4.1.2015.  
  5. Bildnachweis: ©Honey Maid, Zugriff 4.1.2015.  
  6. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=2xeanX6xnRU, Zugriff 4.1.2015.  
  7. Vgl.: http://netzkombyse.de/2014/04/05/wie-honey-maid-einen-shitstorm-als-marketing-chance-nutzt/  
  8. Vgl.: http://www.horizont.net/marketing/nachrichten/Shitstorms-Wie-Honey-Maid-aus-Hass-Tweets-ein-Denkmal-der-Liebe-macht-120024, Zugriff 4.1.2015.  
  9. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=cBC-pRFt9OM, Zugriff 4.1.2015.