Medienrevolution oder Medienevolution?

Es ist recht mühsam, einmal nicht in irgendeiner Art an Pegida oder Putin erinnert zu werden. Immer wieder zeigen die Qualitätsmedien von FAZ, Spiegel, Stern, Süddeutsche Zeitung usw. unter penetranter Intensität mit dem Finger auf das von ihnen ernannte Böse und wir alle müssen betroffen unsere Häupter senken und uns die Welt erklären lassen. Bis vor 20 Jahren waren TV, Radio und Print die einzige Möglichkeit auf dem Laufenden zu bleiben und ihr Wort hatte Gewicht. Doch mit dem Aufkommen der alternativen Medien im Internet tun sich plötzlich neue Fragen auf: Was ist aus dem „Jahrhundertprozess“ um Beate Zschäpe geworden? Was ist Fakt in der internen Untersuchung zum Pädophilie-Skandal bei den Grünen? Stellen die Iraner noch Atomwaffen her? Hat schon jemand die fehlenden Seiten aus dem Folterbericht der CIA gefunden? Und dann war da noch ein Buch eines langjährigen FAZ-Journalisten…

von Marc Linde

Die letzten Jahre waren für den deutschen Journalismus nicht gerade einfach. Der Qualitätsjournalismus sah sich gefährdet durch das plötzliche Auftreten des „Zeitungssterbens“ im Zeitalter des schnelleren, aktuelleren und kundenorientierteren Internets. Dass den großen Zeitungen die Leser davonlaufen, ist allerdings kein plötzliches Phänomen, sondern eine stete Entwicklung über Jahre hinweg. Im November 2012 verkündete mit der Frankfurter Rundschau, eines der ältesten Blätter der Bundesrepublik, mit seinem Insolvenzantrag seinen endgültigen Redaktionsschluss und beförderte eine Debatte in den Medien, die an Selbstdarstellung, Ignoranz, Arroganz und Realitätsverweigerung kaum zu überbieten war. Es kamen die Fragen danach auf, wie die Leser heute die Nachrichten konsumieren, welche Formate sie bevorzugen und welche Rolle das Internet dabei spielt, statt zu fragen, WAS sie lesen wollen. Fühlen sich die Menschen durch die Berichterstattung noch informiert? Gibt es unterschiedliche Grundhaltungen und Kontroversen in Print und TV oder hat der Rezipient das Gefühl, dass alle in eine Richtung marschieren und sich nur über die Details streiten?

An dieser Schnittstelle zwischen Zielgruppe und Redaktion entsteht ein Vakuum, welches nun durch häufig unabhängige Journalisten gefüllt wird, deren Öffentlichkeit sich ins digitale Netz verschoben hat, in dem ihre Texte, Videos, Meinungen und Beiträge von interessierten Leuten geteilt und Diskutiert wird. Durch die Möglichkeiten des Internets sind neue Formate entstanden, die mit geringem Budget, aber mit Willen, Überzeugung und gewisser Professionalität die Massen ansprechen. Speakers Corner, Querdenken.TV, NuoViso.TV, Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Wissensmanufaktur, Compact TV, Bildblog und KEN.FM1 sind nur wenige Vertreter der alternativen Medien, die gerade jetzt in Krisenzeiten große Beliebtheit, wegen ihres Bemühens um Gegendarstellung erlangen.

Der Fall Pegida

Man kann über Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) denken wie man möchte, das ist völlig legitim. Manch einem gefällt der Anblick von Demonstranten, die ihr verfassungsmäßiges Grundrecht zur Meinungsäußerung wahrnehmen und manch einer bleibt gern an der Islamisierungfrage hängen. Nichtsdestotrotz polarisieren diese Montagsveranstaltungen durch ihren medialen Widerhall, der die Welt erneut in Gut und Böse teilt: Rechtspopulisten/Nazis/Islamhasser/Ausländerfeinde/Faschisten gegen das bunte Aufgebot von Antifaschisten, Glaubensvertretungen, Flüchtlingsorganisationen, Journalisten und Politikern. Einer aus der Gegenbewegung, Jakob Augstein, machte seinem Ärger in einer Spiegel-Kolumne unter dem Titel „Null Toleranz für Pegida“ Luft, indem er per Rundumschlag die Demonstranten samt ihrer Sympathisanten als „Idioten und Rassisten“ bezeichnete, ehe er auf den „Hass auf Muslime der deutschen Spießer“ zu sprechen kam. Wenige Wochen später präsentierte die Technische Universität Dresden ihre empirischen Studienergebnisse zu den Inhalten und Zielen von Pegida und stellte fest, dass die überwiegende Mehrheit der Demonstranten ein Problem mit der Politik und der Berichterstattung hat und nicht mit Migranten per se. Wie viele potenzielle und aktive „Spiegel“ Leser Jakob Augstein mit seiner undifferenzierten Äußerung vor den Kopf stieß, ist nicht bekannt. Wohl aber die Tatsache, dass das Magazin ebenfalls von der Medienkrise betroffen ist.

Wider besseren Wissens „warnen“ auch hochrangige Politiker vor dieser bundesweiten Bewegung und können/wollen ihren Unmut über dessen Erfolg nicht zurückhalten. In einer Gesprächsrunde bezeichnete der Grünen-Politiker, Cem Özdemir, die Teilnehmer als „Mischpoke“2 und blies dabei in das gleiche Horn wie Jakob Augstein, wenn auch etwas offizieller. Auch Kanzlerin Merkel bezog in ihrer Neujahrsansprache Position und verkündete: „Zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen“3. Ein Fazit, das gut auf die antifaschistischen Gegendemonstranten zutreffen mag….

Antifa4Die alternativen Medien, allen voran Compact mit Chefredakteur Jürgen Elsässer, besuchten die Demonstrationszüge persönlich und berichteten auf ihren Blogs, Internetseiten, auf sozialen Medien und per Video auf Youtube aus erster Hand über die Geschehnisse in Dresden und erreichten so eine weit höhere Glaubwürdigkeit als ihre Kollegen in den Funkhäusern und diversen Redaktionsstuben. Jedoch ist man nicht automatisch für Pegida, weil die großen Zeitungen sich eher negativ dazu äußern, sondern weiß, in der Berichterstattung aufgrund der professionellen Distanz zwischen Masse und Einzelpersonen zu unterscheiden. So wurde das Motto der Bewegung „Wir sind das Volk“ überwiegend positiv aufgefasst, während die kriminelle Vergangenheit des Initiators, Lutz Bachmann, kritisch hinterfragt wurde. Dies erklärt auch, warum Pegida-Teilnehmer sich weigerten, mit Journalisten der „Qualitätsmedien“ und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sprechen.

Politik und Medien beleidigen und maßregeln die eigene Bevölkerung, ohne dabei zu differenzieren und sehen sich im Kampf gegen den gemeinsamen Feind von rechts darin legitimiert – so ähnlich kennt man das aus Einparteiensystemen sehr gut, doch würde dies heute im Zentrum Europas niemand verorten. In einem Land, in dem die Meinungsfreiheit in der Verfassung verankert ist, merkt der Philosoph, Norbert Bolz, in einer Gesprächssendung an5: „Wir leben weit entfernt von Meinungsfreiheit […]. Zur Meinungsfreiheit gehört fundamental der Respekt vor Andersdenkenden.“

Man kann über Akademiker denken, wie man möchte, das ist völlig legitim. Doch diese Worte regen zum Nachdenken an.

Wer hat Angst vor dem bösen Verschwörer?

Wer hätte das kommen sehen? In der innenpolitisch recht instabilen Ukraine beginnen Bürgerunruhen, die in Schusswechseln, Verwundeten, Tote durch einen Flugzeugabsturz und Landnahme münden. Die Annexion der Krim durch Russland im März 2014 beförderte die Krise auf ein neues Level und westliche Politiker wie der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, verurteilten die Einverleibung der Krim als völkerrechtswidrig6. Die Streitigkeiten in der Ostukraine und der Übergang der Krim unter russische Kontrolle führten schließlich seitens des Westens im Juli zu Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die das Land unter anderem von der Lieferung wichtiger Gerätschaften zur Ölgewinnung abschneiden sollte7 und welche im Herbst noch einmal verschärft wurden.

Im Schatten dieser Entwicklungen etablierten sich in Deutschland mit den Montagsmahnwachen regelmäßige Treffen in Berlin und überregional verschiedener Friedensaktivisten, die sich in der Tradition der Montagsmahnwachen der DDR von 1989/90 sehen. Jede Woche wurde auf diesen Veranstaltungen für eine Deeskalation des Ukraine-Konflikts und ein Ende der anti-russischen „Hetze“ in den Medien demonstriert. Der Vorwurf der einseitigen Berichterstattung machte schnell die Runde und die alternativen Medien boten mit Konferenzen wie der von Compact8, Interviews und Beiträgen zum kulturellen und gesellschaftlichen Hintergrund der Konfliktparteien ein Gegengewicht zur allgemeinen medialen Position. Doch genau diese Beiträge zum Frieden mit einem der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands quittierten die Zeitungen mit Hohn, Spott9 und verkrampften Negativbelegungen wie „Putin-Freunde“ oder „Putin-Versteher“10. „Die Welt“ schloss sich der Herabwürdigung der alternativen Medien an und sprach sogar von „Nato-Hassern“, „Friedensstiftern“ und „Putin-Trollen“11, die sich in sozialen Netzwerken tummeln und sich auf der Straße ergießen. Grund hierfür waren die Erwähnungen in Gesprächsrunden bei NuoViso und Compact, dass das NATO-Bündnis entgegnen mündlicher Versprechungen12 sich nicht in Richtung Russland ausdehnen würde13, dies aber mit dem Beitritt von Polen, Tschechien und Ungarn im Jahr 1999 hinfällig wurde14.

Den Titel „Verschwörungstheoretiker“ verdienten sich Teile die alternativen Medien mit der Behauptung, Deutschland würde in der Ukraine-Krise nicht eigenständig handeln und die Interessen der Amerikaner vertreten15, bzw. die deutschen Massenmedien würden aus Washington gesteuert. Zumindest das Handeln für fremde Interessen bestätigten die deutschen Wirtschaftsnachrichten16 mit einem Ausschnitt einer Rede des US-Vizepräsidenten Joe Biden, während einer Rede an der Kennedy School of Government der Universität Harvard im Oktober 2014. Bekräftigt wurde dieser Sachverhalt durch eine Rede17 des russischen Ökonomen und langjährigen Berater Putins, Sergei Glasjew, 2014, in der er davon berichtete wie deutsche Politiker ihm gegenüber gestanden, nicht souverän handeln zu können und Anweisungen von den Amerikanern bekämen.

Bezüglich Pegida und Putin haben die großen Blätter gezeigt, dass ihre Objektivität in der Berichterstattung sehr fragwürdig, wenn nicht sogar tendenziös ausgelegt ist. Ein Mann, der den deutschen Journalisten seit Jahren kein gutes Zeugnis ausstellt, ist der langjährige FAZ-Journalist und Politikwissenschaftler Udo Ulfkotte. Mit seinem kürzlich erschienen Buch „Gekaufte Journalisten“ geht er mit zahlreichen seiner Kollegen hart ins Gericht und übt dabei auch reichlich Selbstkritik. Im Interview mit KEN.FM und Compact TV schildert er die Arbeitsweisen der FAZ, die systematische Manipulation von Journalisten und die Aushöhlung journalistischer Standards. Trotz seiner teils schweren Anschuldigungen, hüllen sich die Medien über sein Werk in Schweigen, wodurch der Wahrheitsgehalt nur weiter bestätigt werden dürfte.

Wir sind intellektuelle Prostituierte

Dass es um den Beruf des Journalisten schon immer kritisch bestellt war, bestätigt auch eine Rede des amerikanischen Journalisten und Publizisten, John Swinton, aus dem Jahr 1880 vor dem renommierten New Yorker Presseklub:

„Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren […]. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen […]. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“

Glücklicherweise haben Journalisten heute durch das Internet deutlich mehr Möglichkeiten, ihre Sicht der Dinge zu schildern und auf Hintergründe hinzuweisen, die sie wegen interner Regularien in den Redaktionen nicht so einfach abdrucken lassen können/dürfen. Es ist keine Revolution des Journalismus, die selbigen neu erfindet, sondern vielmehr eine Evolution der Berichterstattung, welche nun nicht mehr von politischer Korrektheit und politisierten Medienkonzernen (wie Bertelsmann und Springer Verlag) bestimmt wird, sondern über neue Plattformen dem Anspruch der Ausgeglichenheit gerecht werden kann. Soziale Netzwerke bieten heute die Möglichkeit, eine bestimmte Leserschicht oder die breite Masse anzusprechen, Informationen ungefiltert weiterzuleiten und ein Korrektiv zur öffentlichen Meinung anzubieten. Dadurch erhalten die Rezipienten eine neue Sichtweise und so Anregungen zur eigenen Meinungsbildung. Die Gefahr der Fehlinterpretation bleibt jedoch auch hier bestehen.

  1. Videonachweis. https://www.youtube.com/watch?v=BudZk3xyNtU, Zugriff 1.3.2015.  
  2. Vgl.: Maybrid Illner – Aufstand für das Abendland: https://www.youtube.com/watch?v=_4IytXLCgvw, Zugriff: 20.02.2015.  
  3. Vgl:. Spiegel.de: http://tinyurl.com/lgzrwtn, Zugriff: 20.02.2015  
  4. Bildnachweis I: https://www.youtube.com/watch?v=AQho9lZLK-g, Zugriff: 15.03.2015 Bildnachweis II: http://tinyurl.com/m47jrl2, Zugriff: 15.03.2015  
  5. Vgl.: https://www.youtube.com/watch?v=vZRH0SQCt0E, Zugriff: 20.02.2015.  
  6. Vgl.: Ntv.de, http://tinyurl.com/ovyhv7r, Zugriff: 26.02.2015  
  7. Vgl.: Faz.net, http://tinyurl.com/p6fcc88, Zugriff: 26.02.2015  
  8. Vgl.: Elsässers Blog, http://tinyurl.com/pw6rcrl, Zugriff: 28.02.2015  
  9. Vgl.: Zeit.de, http://tinyurl.com/o7z7k5l, Zugriff: 28.02.2015  
  10. Vgl.: Bild.de, http://tinyurl.com/m44qomw, Zugriff: 28.02.2015  
  11. Vgl.: Welt.de, http://tinyurl.com/n5co2h3, Zugriff: 22.02.2015  
  12. Vgl.: Propagandaschau.wordpress.com, http://tinyurl.com/nwq6weh, Zugriff: 28.02.2015  
  13. Vgl.: Faz.de, http://tinyurl.com/qb7s7vc, Zugriff: 28.02.2015  
  14. Vgl.: Bits.de, http://tinyurl.com/p2vjd4o, Zugriff: 01.03.2015  
  15. Vgl.: KEN.FM, http://tinyurl.com/nh3m5sk, Zugriff: 28.02.2015  
  16. Vgl.: Deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, http://tinyurl.com/lbd9ojp, Zugriff: 15.02.2015  
  17. Sergei Glasjew, Youtube.com, http://tinyurl.com/nwz2euv, Zugriff: 20.02.2015