Social Journalism

Wer gutes Marketing betreiben will, ist auch auf den Social Media Plattformen vertreten. Doch wie sieht es mit dem Journalismus aus? Auch der will clever vermarktet werden. Welche Marketingstrategien benötigen Werbetreibende des Journalismus in sozialen Netzwerken? Und gehört das überhaupt zusammen – Marketing und Journalismus?

von Madlen Geidel

Der Journalismus befindet sich an einem Wendepunkt. Die Print-Auflagen schrumpfen, die Inhalte auf kostenlos zur Verfügung stehenden Online-Plattformen vervielfachen sich, der Konkurrenzkampf steigt. Passt einem Nutzer ein Inhalt nicht, verlässt er die Webseite und wechselt zur Nächsten. Das ist neu. Hat man früher eine Zeitung gekauft, war diese bezahlt und die Verlage hatten ihr Ziel erreicht. Was gelesen wurde und was nicht konnte man nur ahnen. Der Redakteur musste es im Gefühl haben. Heute ist es entscheidend, herauszufinden, an welcher Stelle des Textes der Leser aussteigt und warum. Das Angebot an Informationen auf diversen journalistischen Plattformen und im Rest des Internets ist enorm. Um so wichtiger auf sich und seine Inhalte aufmerksam zu machen – Werbung zu machen. Was würde sich da besser anbieten als seine Inhalte über soziale Netzwerke zu streuen. Dort finden sich alle – von privaten Nutzern bis hin zu großen Wirtschaftsunternehmen. Ein Klick und der User befindet sich auf der eigenen Plattform und liest den eigenen Artikel. Inhalte können über Facebook, Twitter, Instagram und viele weitere Plattformen gepostet, angesehen, gelikt, kommentiert, geteilt und somit gestreut werden. Die Rezipienten übernehmen die Arbeit. Der geteilte Content verbreitet sich und spannt sein Netz durch’s Netz.

Leser als Marketinginstrument

Das Social Media Marketing eignet sich demnach bestens für den Online-Journalismus. Die Strategie profitiert von der digitalen Mundpropaganda. Die eigenen Leser werden als Multiplikatoren eingesetzt. Man muss Ihnen lediglich Inhalte zukommen lassen und sie von ihnen verbreiten lassen. Man erreicht mit geringen Kosten hohe Aufmerksamkeit in relevanten Zielgruppen und somit einen hohen Traffic auf der eigenen Webseite. Statt flächendeckende, gleiche News für alle, spezifische und kleinere Formate, so dass sich jeder in einem solchen wiederfinden kann. Soweit so gut.

Allerdings birgt diese Art des Marketings eine entscheidende Gefahr: Die Reaktionen auf die geteilten Inhalte sind, wenn überhaupt, nur schwer zu kontrollieren. Gefällt einem Leser, sprich einem Multiplikator, etwas nicht, hindert ihn niemand daran, auch seine negative Meinung darüber zu teilen. Stimmen ihm viele zu, kann das einen Shitstorm zur Folge haben.

Umgang mit Nutzermeinungen

Dieses Problem führt zum nächsten großen Knackpunkt. Der wohl größte Unterschied vom herkömmlichen Journalismus zur Social Media Nutzung ist die Tatsache, dass Redaktionen nicht wie gewohnt ihre Inhalte, Meinungen und Kommentare einseitig in die Welt hinaus tragen, sondern dass die Empfänger nun fähig sind, zu antworten. Und diese Möglichkeit wird ausgiebig genutzt. Es reicht nicht, generierte Inhalte auf Facebook lediglich zu teilen. Der Nutzer möchte in den Dialog und die Diskussion treten. Kommentare häufen sich. Fühlt sich der Nutzer hier ignoriert oder nicht ernst genommen, wendet er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit von diesem journalistischen Anbieter ab. Trägt er darüber hinaus seine schlechte Erfahrung weiter, kann sich das negativ auf das Image der Marke auswirken. Redaktionen müssen Strategien entwickeln, in denen sie den Umgang mit Kommentaren und Nutzermeinungen festlegen.  Hierbei stellt sich die Frage: Muss der Journalist ehrliches Interesse am Austausch mit dem Rezipienten hegen oder folgt er einfach nur einer festgelegten Strategie? Diese Frage ist entscheidend, da sie auch die Frage nach dem authentischen und unabhängigen Journalismus enthält.

Gegensätzlich zum Journalismus?

Die Frage, ob Marketingstrategien im Gegensatz dazu stehen, muss geklärt werden. Es müssen Grenzen festgesteckt werden, um einen Qualitätsverlust im Online-Journalismus zu verhindern. Denn dieser ist gerade erst dabei sich zu etablieren und seine Wege zu finden. Es wäre fatal bei diesem wichtigen und spannenden Prozess Qualitätseinschnitte für höhere Werbeeinnahmen hinzunehmen. Das würde gegensätzlich zum Journalismus stehen. Jedoch geht es auch nur schwer ohne Marketing und Werbung, da die meisten journalistischen Inhalte im Internet kostenlos zur Verfügung stehen und das genauso einen Qualitätsverlust zur Folge haben kann, wenn es an Einnahmen fehlt. Es muss also ein Mittelweg gefunden, Richtlinien und Gesetzte neu überdacht werden. Und welche Gefahr steckt eigentlich dahinter, wenn ein milliardenschweres Unternehmen wie Facebook als Instrument genutzt wird und von den Strategien und Fehlern der journalistischen Marken lernt? Noch arbeitet das Unternehmen als Dienstleister für ihre Kunden aus dem Journalismus, um das meiste für sie aus ihrer Plattform herauszuholen. Wie Inhalte beispielsweise am besten in den News Feed eingebettet werden, um am meisten Aufmerksamkeit zu bekommen.

Doch was, wenn Facebook bald selbst journalistische Inhalte liefert? Wie sich diese Inhalte optimalerweise vermarkten lassen, weiß dieses Unternehmen am besten. Dann wäre Facebook auf einmal Konkurrent, statt Instrument. Eine durchaus vorstellbare Entwicklung mit ungewissen Folgen für Verlage und Meinungsvielfalt. Der Journalist David Carr beschreibt Facebook in einem Artikel in der New York Times als großen, sich annähernden Hund im Park, bei dem man nie wisse, ob er mit einem spielen oder einen fressen wolle.1

Es ist festzuhalten, dass der Nutzen von Facebook im Online-Journalismus den journalistischen Unternehmen die Möglichkeit bietet, die eigenen Inhalte themenspezifischer und Zielgruppen orientierter zu platzieren und somit erfolgreicher zu vermarkten, sowie den Lesern die Chance bietet, sich gezielte Informationen leichter einzuholen.Doch auch wenn der Hund sich noch so freundlich und nicht hungrig zeige, so David Carr, weiß dennoch jeder, dass er, wenn er nur groß genug sei, einen zu Tode lecken kann.

  1. Vgl.: http://topics.nytimes.com/top/reference/timestopics/people/c/david_carr/index.html?action=click&contentCollection=Media&module=Byline&region=Header&pgtype=article, Zugriff 25.2.2015.