Erst denken, dann klagen

Vor 20 Jahren gingen die meisten Verlage mit ihren Publikationen online. Visionäre Mitarbeiter kämpften für ein Budget, um auch in dieser neuen digitalen Welt mitspielen zu können. Das Ergebnis war, dass jede Zeitung auch bald einen Online-Auftritt besaß und hier ihre Artikel der ganzen Welt kostenlos zur Verfügung stellte. Seitdem wurde viel Zeit, Mühe und Tinte in die Diskussion „Print oder Online“ gesteckt. Mathias Müller von Blumencron veröffentlichte am 11.09.2014 in der FAZ einen ausführlichen Artikel zu dieser Debatte1. Darin ruft er dazu auf, den Diskurs ad acta zu legen und stattdessen qualitativ hochwertigen Journalismus auf beiden Kanälen zu erzeugen. Sozusagen eine Symbiose beider Medien zu schaffen.

Dieses größer werdende Bewusstsein darum, dass auch die online publizierten Artikel von journalistischer Qualität sind und als solche gewürdigt werden sollten, zeigt sich in Deutschland auch in dem Bemühen der heutigen VG Media, ihre Leistungen zu schützen und diese auch in der Netzwelt wirtschaftlich zu halten. Im Zuge dieses Leistungsschutzrechts (LSR) spürt die Verwertungsgesellschaft nun erste Konsequenzen: Web.de, GMX und T-Online haben alle Ergebnisse von Mitgliedern der VG Media aus ihrem Suchindex ausgeschlossen. Schritt ist die Reaktion auf die Bemühungen der Verwertungsgesellschaft, Lizenzgelder auf dem Klageweg zu erhalten. Stefan Niggemeier berichtete dazu auf seinem Blog2, Kim Rixecker veröffentlichte einen Artikel dazu bei t3n3 und auch sonst berichtet die Medienlandschaft derzeit ausgiebig zu dieser Entwicklung.

Deindexierung von welt.de bei t-online

Hintergrund dieses Vorgehens ist die im Juli 2014 angekündigte Absicht der VG Media, die Suchanbieter Google, Yahoo und 1&1 zu einer „angemessenen Vergütung“ auf Grund des LRS zu verklagen. Dass diese sich aber offensichtlich nicht zur Kasse bitten lassen wollen, war der VG Media anscheinend nicht so klar.

Deindexierung von morgenpost.de bei gmx.de

An der Situation ist etwas sehr Bizarres, was deutlich wird, wenn man die Grundlagen in ein anderes Szenario überträgt: Stellen wir uns eine Firma vor, die Max Mustermann kostenlos Merchandiseartikel zur Verfügung stellt. Jahrelang. Max erzählt daraufhin anderen Leuten wie toll diese Firma ist und macht sie noch bekannter. Bei genauerer Prüfung stellt unsere Firma jedoch überraschend fest, dass ihr so aber natürlich Einnahmen entgehen. Das gefällt unserer Firma natürlich nicht. Also soll Max Mustermann jetzt für die Merchandiseartikel zahlen. Max Mustermann will aber nicht. Er ist auf die Artikel gar nicht angewiesen und hat genügend andere Firmen, die ihm weiterhin gratis Produkte geben. Also will die Firma Max Mustermann zwingen, für ihre Artikel zu zahlen. Resultat: Max Mustermann nutzt nun gar nichts mehr von dieser Firma und erzählt auch keinem mehr wie gut unsere Firma ist. Doofe Situation.

Kurzum: Ich kann niemanden, dessen Leistungen ich gewinnbringend nutze, zu Zahlungen zwingen. Dabei schieße ich mir selbst ins Knie. 1&1, zu dem die Dienste von Web.de, GMX und T-Online gehören, kann diesen Schritt aufgrund seiner Marktgröße ohne Weiteres gehen. Sollte Google jedoch eine ähnliche Reaktion in Erwägung ziehen, wird die VG Media von einem „Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung“ sprechen. Dabei lassen wir sogar einmal außen vor, dass Web.de, GMX und T-Online die Google Suche nutzen. Sowohl bei der Google-News-Suche als auch der Google Desktop-Search sind alle VG Media Mitglieder derzeit noch indexiert.

Indexierungsstatus bei der Desktop-Search

Indexierungsstatus bei der News-Search

Das Verhalten der Verlage ist meiner Meinung nach wohlwollend als bigott zu betrachten, weiß man darum, wie viel Geld die Verlage mit Linkverkauf und Anzeigen über Google verdienen. Es bleibt abzuwarten, wie der Suchmaschinenkonzern reagieren wird. Doch selbst eine Deindexierung der Online-Auftritte von VG Media Mitgliedern, müsste nach Leistungschutzrecht maximal den Index des News-Angebots betreffen. Ein Faktum, dass die meisten Journalisten nicht realisieren und den Newsindex immer noch mit dem Searchindex von Google gleichsetzen. Im Zuge dieser Entwicklung wird es interessant werden, ob und wie das Journalisten- und Verlagswesen die Denkanstöße von Mathias Müller von Blumencron neu denken werden.

  1. Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/20-jahre-online-journalismus-13148307.html  
  2. Quelle: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/19058/leistungsschutzrecht-wirkt-mehrere-suchmaschinen-zeigen-verlagsseiten-nicht-mehr-an/  
  3. Quelle: http://t3n.de/news/leistungsschutzrecht-gmx-t-online-bild-welt-567174/?utm_content=buffera41a6&utm_medium=social&utm_source=facebook.com&utm_campaign=buffer  

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