Der volle Durchblick?

von Katrin Kolossa

Mit Project Glass, einer neuartigen Augmented Reality Brille präsentiert Google eine technische Neuheit mit einem Potential, den gesamten digitalen Markt nachhaltig zu verändern. Project Glass ist eine Sehhilfe mit mobiler Internetverbindung, die dem Benutzer orts- und situationsbezogene Informationen auf der Innenseite der Brille anzeigt. Was damals also in Science-Fiction Filmen mit Tom Cruise als lustige Idee galt, wird nun Wirklichkeit.  Die Brille wird über Sprachbefehle gesteuert und soll so dem Betrachter innerhalb von Sekunden zusätzliche Informationen zu seiner Umgebung ermöglichen. Wann die Brille auf den Markt kommen wird, wurde von Google noch nicht bekannt gegeben. Ebenfalls im Dunklen bleibt, in wie weit sich eine solche Brille – auch aus ästhetischen Gesichtspunkten – in den Alltag integrieren lässt und wie ausgereift ihre Technik tatsächlich sein kann – und letztendlich wird. Es könnte sich als schwierig erweisen, eine derartige Brille in den Alltag zu integrieren, ohne dass man wirkt wie ein Geheimagent.

(Quelle http://www.youtube.com/watch?v=rrDrOWI1AYI, Youtube, Aufruf 10.07.2012)

Dennoch; Project Glass gehört zu den Aufmerksamkeit erregendsten Innovationen der letzten Jahre. Viele Funktionen, für deren Nutzung bislang ein Smartphone benötigt wurde, werden durch die Brille ersetzt und in einem Tool zusammengefasst.

Projekt Glass ist mit seinen funktionellen Vorzügen nicht nur für die Anwender lukrativ, die mit der neuartigen Brille idealerweise gänzlich auf ein Smartphone verzichten könnten, sondern auch für den Konzern selbst. Denn Project Glass wird seine Informationen bevorzugt aus Google-Diensten beziehen und mit diesen interagieren.

Doch so eine mit dem Netz verbundene Brille von einem der führenden Internetkonzerne zeigt auch einmal wieder auf, wie sich die digitale Welt in den nächsten Monaten und Jahren durch rapide fortschreitende technische Errungenschaften auf einen kritischen Punkt zu bewegt. Die digitalen Medien gewinnen immer mehr an Macht und vor allem an Einfluss – derzeit ist ein Leben ohne Internet kaum denkbar. Diese Abhängigkeit wird durch Innovationen ständig verstärkt und erweitert, so dass ein entziehen kaum mehr möglich ist. 

Es geht deshalb nun nicht nur um Google und um das Project Glass.  Sollte Project Glass bei den Verbrauchern Erfolg haben, werden die anderen vier Vertreter der “Big Five” – Apple, Facebook, Amazon und Microsoft – mit vergleichbaren Produkten nachziehen oder noch weiter in das bisherige, normale Leben eingreifen. Das ist einerseits spannend und ein Gewinn für unsere Zeit, andererseits eben doch beängstigend. Wie weit werden diese big five Kontrolle über unsere digitale aber eben auch nicht digitale Lebensbereiche gewinnen? 

Aufgrund ihrer einzigartigen Kombination aus finanziellen und personellen Ressourcen, weitreichendem Know-how und bereits etablierten Ökosystemen sind diese big five Unternehmen in der Lage, ein Produkt wie Project Glass zur Marktreife zu bringen und es auf einen Schlag Millionen von Menschen zu verkaufen und zu suggerieren, dass ihnen ohne dieses Produkt etwas wichtiges fehlt.

Angenommen, die Augmented Reality Brillen der Big Five gehören in einigen Jahren zum gewohnten Straßenbild in unserer Gesellschaft – Der Einfluss der Unternehmen würde sich durch diese Entwicklung noch viel rasanter und breiter ausbauen. Sie hätten ihre Augen und vielleicht auch Ohren damit endgültig überall. Datenschützer, die bereits bei Google Street view Alarm schlugen, befürchten nun einen unkontrollierbaren Umgang mit persönlichen Daten und den Verlust daran. 

In früheren Jahrzehnten dominierten die größten Konzerne der Welt nur einzelne Industriezweige. Doch die Software- und Hardware-Angebote der Big Five werden mittlerweile dazu genutzt, Revolutionen zu organisieren, Demokratien zu errichten und eingestaubte, nicht mehr zeitgemäße Wirtschaftszweige überflüssig zu machen. Gerade an dem Beispiel des arabischen Frühlings wurde deutlich, wie machtvoll und kraftvoll das Internet genutzt werden kann.  Diese Entwicklungen sind zumeist positiv, verdeutlichen aber auch den enormen Einfluss, den diese führenden IT- und Web-Firmen mittlerweile besitzen. Verteilt sich Macht auf zu wenige Schultern, dann steckt darin grundsätzlich immer ein potenzielles Risiko. Erst recht, mit Blick auf den Markt für globale Information und Kommunikation, ohne den heute im Prinzip nichts mehr funktioniert.

Staatliche Eingriffe wiederum scheinen auch keine angemessene Maßnahme zu sein. In Deutschland wird das Thema Internet immer noch nicht in der Größe behandelt, wie es nötig wäre. Erst durch die Wahl der Piratenpartei bekam das Thema eine vorher nicht da gewesene Präsenz, Internet wurde auf einmal zum Thema – bis das nächste kam. Selbst wenn sich die Webgrößen immer stärker in allen denkbaren Lebensbereichen festsetzen und mit Augmented Reality Brillen allerorts ihren Einfluss erweitern, ist doch ein Großteil des Erfolgs der Unternehmen auf ihre Experimentierfreude zurückzuführen.  Regulatorisch einzuschreiten, würde nur bedeuten, wegweisende, innovative Produkte sowie clevere Geschäftsmodelle grundlos zu bestrafen. Dennoch sollte sich die Politik genau mit dem Geschehen auskennen und zur Not eingreifen, wenn die Entwicklung sich in eine kritische Richtung entwickelt. 

Der Vorstoß von Google und die zu erwartenden Gegenmaßnahmen der Konkurrenz werden die Debatte um die Konzentration der Macht im Digitalen neu entfachen. Eine Lösung für dieses Problem ist jedoch nicht in Sichtweite. Vielleicht wäre es am besten, den neuen Zustand einer inoffiziellen Weltherrschaft durch einige wenige Digitalfirmen einfach zu akzeptieren. Allerdings, so wirklich wohl ist zumindest mir, aufgrund der bekannten Risiken von beherrschenden Marktpositionen, dabei nicht – besonders, weil diese hierbei schleichend und mitunter vom Kartellrecht unbemerkt entstehen. Es wird sich zeigen, ob und wie weit sich das Project Glass etablieren wird- dennoch sollten wir weiterhin aufmerksam verfolgen, in wie weit wir zulassen, dass in unser Leben eingegriffen wird. 

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