Epic Fail oder Wahlsieg: Die Chancen und Risiken der virtuellen Accessoires

Politik gibt es schon seit den alten Griechen. Soziale Netzwerke sind Errungenschaften, die wir erst im 21. Jahrhundert für uns entdeckt haben. Es war nur eine Frage der Zeit, bis beides miteinander verschmelzen würde. Dass diese Netzwerke gerne von Stars und Sternchen genutzt werden, ist nicht neu. Auch, dass Politiker vermehrt darauf zurückgreifen, hört man nicht zum ersten Mal. Trotzdem liegen zwischen Qualität und Effektivität der unterschiedlichen Accounts Welten. Oder lesen Sie häufiger von vermeintlichen Geschlechtskrankheiten Ihrer Abgeordneten?

Von Kristin Werner

http://www.youtube.com/watch?v=cmjktiStSqY

Quelle:http://www.youtube.com/watch?v=cmjktiStSqY, Zugriff am: 09.03.2013 

Die „Heute Show“ rezitierte die Tweets von Birgit Rydlewski

Auf Facebook oder Twitter einen kleinen Beitrag zu verfassen ist leicht. Die Resonanz beschränkt sich auf die Freunde oder Follower, kleine Skandale oder Diskussionen mit inbegriffen. Wir sind allzu leichtsinnig, zu offenherzig, zu unbedacht, in dem was wir über uns preisgeben. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, bewegen sich allerdings in einen überschaubaren Rahmen. Das kann sich aber ganz schnell ändern, wenn man ein Politiker von nationaler oder internationaler Größe ist. Inzwischen wird nämlich munter aus dem Landtag, Bundestag oder Europarat getwittert, gebloggt und gepostet. Politiker haben den Erfolg der sozialen Netzwerke zwar in ihren Anfängen verschlafen, dafür überschwemmt uns jetzt eine regelrechte Welle von Posts und Tweets.

Laut der Digital Policy Council (DPC) sind die Zahlen der Regierungen, die Twitter nutzen,  regelrecht explodiert: Im Jahr 2010 waren es nur 20 Prozent, im Dezember 2012 schon 75 Prozent. Das heißt, drei von vier Staatschefs twittern inzwischen.1 Oftmals stecken nicht die Politiker selbst hinter den kritischen oder witzigen Posts, sondern ein teuer bezahltes Team aus hoch kompetenten Marketingspezialisten, die den medialen Auftritt perfekt machen sollen. Besonders aktiv werden diese Teams, wenn die nächste Wahl vor der Tür steht.

Erfolg macht sexy

Einer, der alles goldrichtig zu machen scheint, ist Barack Obama. Sein Twitteraccount hat zum derzeitigen Zeitpunkt knapp 28.000.0002 Follower, sein Facebook Konto kann über 35.000.0003 Likes verbuchen. Natürlich ist Obama international bekannt und hat deswegen eine höhere Resonanz, als so manch anderer Politiker, aber trotzdem sind diese Zahlen gigantisch. Obamas Facebook Seite gibt den Usern das Gefühl direkt mit dem Präsidenten zu kommunizieren und ihm nahe zu sein. Seine Fotos und Statusmeldungen bestehen nicht aus statistischen Erhebungen und leeren Wahlversprechen. Er postet vornehmlich Fotos von sich und seiner Frau, die beide in vertrauter Zweisamkeit zeigen, Fotos mit knuddeligen Hunden, welche die Überschrift „Buddies“ tragen und einen zerknirscht aussehenden Obama, der die Opfer des Hurrikans „Sandy“ tröstet. Das alles macht ihn sympathisch, macht ihn greifbar. Seine Statusmeldungen sind fröhlich, persönlich aber auch mitfühlend und bestimmend. Ob Obama all diese Werte, die er verkauft auch tatsächlich repräsentiert, sei mal dahingestellt, aber er schafft es die Mehrheit genau das glauben zu machen. Sein Team hat es im Jahr 2012 geschafft, durch gezielte Veröffentlichungen auf Twitter und Facebook Obama in das rechte Licht zu rücken, unentschlossene Wähler zu überzeugen und seine Fans zu mobilisieren.

Dagegen sah Konkurrent Mitt Romney alt aus. Sein Twitteraccount konnte mit 1,6 Millionen Follower4 und 11 Millionen Likes auf Facebook5 nicht die gleichen Massen mobilisieren. Seine Posts und Tweets wirkten oft fantasielos und unpersönlich. Dafür wurde ordentlich auf Obamas Politik geschimpft. Alles in allem ist das Konzept Romneys, wenig Privates von sich preiszugeben und dafür auf Wahlversprechen zu setzen, nicht aufgegangen. Aber fairerweise muss man hinzufügen, dass Romney auch der erste Präsidentschaftskandidat aus dem konservativen republikanischen Lager war, der sich an einer Kampagne in den sozialen Netzwerken versucht hat. Die Amerikaner wollen einen volksnahen Präsidenten, keinen stur agierenden Politiker, der sich im Weißen Haus verkriecht. In Deutschland schert man sich weniger um die Hunde und Ehepartner der einheimischen Politiker. Andere Länder, andere Tweets.

So lieber nicht

Seit der Wahl in den USA, kann man auch deutsche Politiker vermehrt beim twittern, bloggen und posten beobachten. Was in den Medien hängen bleibt, sind leider größtenteils die Pleiten und Pannen, die sich aus den diversen Veröffentlichungen ergeben. Im Internet kursieren zahlreiche Seiten, die sich mit den Cyber-Fettnäpfchen der Politiker und deren PR-Sprechern befassen.

Für einen besonders peinlichen Zwischenfall sorgte die Abgeordnete der Piraten, Birgit Rydlewski. Sie twitterte jüngst über gerissene Kondome, Bettgeschichten der letzten Nacht und ihren negativen HIV-Test. Das sorgte für viel Spott und Hohn. Aber sie ist bei weitem nicht die Einzige, die die Dynamik von Twitter und Co. unterschätzt hat. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, ließ seine Facebook-Seite mit Blondinen-Witzen aufpeppen, die Facebook Community fand das allerdings gar nicht lustig. Die Konsequenz: Der verantwortliche Mitarbeiter musste seinen Hut nehmen, die Posts wurden gelöscht. Für einige Lacher sorgte Regierungssprecher Steffen Seibert, als er in einem Twitter-Post anstatt Osama, Obama schrieb. Ein simpler Tippfehler, der seinem Tweet einen völlig neuen Kontext gab. Zu lesen war jetzt: „Kanzlerin: Obama verantwortlich für Tod tausender Unschuldiger, hat Grundwerte des Islam und aller Religionen verhöhnt.“6

Welcher Vorteil ergibt sich für die Wähler?

Tatsächlich sind es nicht nur die Politiker, die von den sozialen Netzwerken profitieren, sondern auch die Wähler. Durch Twitter und Facebook wird unsere Politik immer transparenter und ist somit für uns auch besser nachzuvollziehen. Informationen, die der Wähler früher am schnellsten durch die Medien erfahren konnte, sind im Internet jetzt blitzschnell abrufbar und das direkt von der Quelle. Es ist leichter geworden, politische Entscheidungen zu verstehen und die verschiedenen Parteien im Blick zu behalten. Über Facebook und Twitter kann der Wähler auch sofort sehen, was die Allgemeinheit von einem Thema hält und welche anderen Meinungen es gibt.

Was lernen wir daraus?

Dass Politiker inzwischen fast genauso viele Follower wie Rockstars oder Schauspieler haben können, zeigt, dass durchaus Interesse an den Entscheidungen und Aufgaben besteht. Das schnelle Mobilisieren der Massen ist ein Werkzeug, das auch jetzt noch in den Kinderschuhen steckt und nur von wenigen optimal genutzt wird. In jedem sozialen Netzwerk steckt noch immer riesiges Potenzial.

Trotzdem sind Twitter und Facebook bereits jetzt eine tolle Möglichkeit für Politiker, den direkten Kontakt zu den Wählern zu pflegen und nebenbei auch noch Eigenwerbung zu betreiben. Wenn Politiker die sozialen Netzwerke für ihren Wahlkampf nutzen wollen, müssen verschiedene Faktoren beachtet werden. Eine ständige Online-Präsenz ist unabdingbar, lange Pausen zwischen Posts oder Tweets lassen die Aufmerksamkeit schnell schwinden.

Die Inhalte der verfassten Texte müssen relevant sein, das heißt nicht, dass Details aus dem Privatleben tabu sind. Ein kleiner Blick hinter die Kulissen kann Sympathie erzeugen, zu private Informationen wirken schnell lächerlich. Im Mittelpunkt sollte der Dialog mit dem Wähler stehen – denn die haben letztendlich immer das letzte Wort.

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