Bandsalat kann man nicht essen

SalatDBDatenspeichernde Medien werden immer kleiner und ihr Datenvolumen immer größer. Der Gebrauch verschiedener Medien gehört zur Selbstverständlichkeit im Alltag eines jeden. Doch wie sieht es mit der Wertschätzung von Medien aus, die scheinbar an Attraktivität verloren haben?

Ein Essay von Dalanda Barry

Bandsalat. Was zunächst nach einem neuen und verlockenden Gericht klingt, hat nicht im Geringsten mit Essen zu tun. Feinschmecker der jüngeren Generationen mögen nun enttäuscht sein. Bei  anderen wird dieser Begriff alte  Erinnerungen wecken. Doch worum handelt es sich nur? Aus Verwunderung wird Neugier. Um sich die Begrifflichkeit vor Augen zu führen, wird schnell der Freund und Helfer des 21. Jahrhunderts, Google, um Rat gebeten. Wikipedia klärt schließlich auf: „Als Bandsalat bezeichnet man umgangssprachlich ein in der Mechanik eines Abspielgerätes (…), verwickeltes Magnetband“. Magnetband? Ein verwunderter Blick trifft den iPod. Nein, hier hängen keine Bänder. Der ein oder andere kann sich nur schwer, die „Generation Apfel“ schon gar nicht mehr, vorstellen, welches datenspeichernde Medium sich eines solchen Bandes bedient. Denn es ist fast schon eine vergessene Sache, Musik nicht nur als Datei besitzen zu können. Und dennoch gab es sie, eine  Zeit weit vor dem digitalen Dasein von Musik. Fernab von Mp3, iTunes und Filesharing. Eine Zeit, in der sich die Kassette in den Herzen der Musikliebhaber verewigte. Diese Kassette macht sich das Magnetband zu Nutzen. Machen wir eine Zeitreise zurück in das Jahr 1963. Die Kassette wird zunächst als Speichermedium für Diktiergeräte auf den Markt gebracht. Schnell setzte sich das neue, handlich kleine, preiswertes Medium mit den Maßen 10,16 × 6,35 × 1,27 cm, durch. Die Verbraucher verstehen schnell, und ohne jegliche beim Denken helfende Technologie, den praktischen Nutzen. Rund zehn Jahre später etabliert sich der Walkman, der Urgroßvater aller iPods. Mit ihm kann man erstmals unterwegs, ganz mobil, Musik von der Kassette abspielen und über Kopfhörer hören. Damals eine Sensation! Musikfans beginnen Radiosendungen aufzunehmen und eigene Kassetten zu bespielen. Aufnehmen. Schon wieder eines dieser befremdlichen Wörter, der Vergangenheit.

Der analoge Weg zur Playlist
Heutzutage ist es ein leichtes an seine Lieblingssongs zu gelangen. Mit geringem Aufwand und in kurzer Zeit erstellt man sich seine perfekte Playlist, um sie auf dem iPod oder gar iPhone zu ziehen. In einer Zeit in der alles nur noch einen Mausklick entfern ist, ist es schwer sich vorzustellen, dass das Zusammenstellen von Songs auf einer Kassette mit einem hohen Aufwand verbunden war. Es war eine Geduld, Zeit und Ausdauerübung. Gespannt und aufmerksam wartet man auf das Erklingen seines Lieblingssongs, stets den Finger drückbereit auf der Recordtaste. Endlich erklingt der ersehnte Song, der dann aber meist nicht einmal bis zum Ende ausgespielt wird. Dennoch, 2/3 des Songs sind besser als nichts! Voller Stolz hält man nun eine mit maximal 90 Minuten liebevoll bespielte Kassette in den Händen. Das Magnetband läuft über zwei Räder in einem Gehäuse, welches aus Plastik besteht. Bereit zum Anhören oder zum Verschenken. Mit beiliegenden Aufklebern zur Beschriftung gibt man seiner Kassette einen Namen- per Handschrift versteht sich. Auf der Innenseite der Kassettenhülle ist Platz für Widmungen und andere Verzierungen, eben so wie für die Ablaufliste der Songs. Auch das Cover der Hülle lässt sich individuell gestalten. Ein selbst bespieltes, kunstvolles Handwerk. Voller Vorfreude wird die Kassette nun in den Kassettenrecorder eingelegt. Doch dann kündigt ein kurzes Haken im Kassettenrecorder das bevorstehende Unheil an. Das Magnetband verheddert sich. Jetzt nur die Ruhe bewahren. Behutsam versucht man das Band vom Kassettenrecorder zu trennen. Gerissene Stellen werden mit Tesafilm wieder eins gemacht. Mit einem Stift oder auch dem kleinen Finger dreht man nun an der Spule am kleinen Innenrädchen, um das Band wieder auf seinen rechtmäßigen Platz zu befördern. Gleichzeitig hofft man auf ein zukünftig problemloses Abspielen.

Der Tod kam schleichend
Ende gut alles gut? Nicht ganz. Schon längst erinnert sich fast keiner mehr an die Kassette, geschweige denn an den Bandsalat. Die digitale Welt verdrängt die Kassette, welche somit zu einem Schatz der Erinnerung wird. Der Tod kam schleichend. Knapp 50 Jahre nach der bahnbrechenden Erfindung, fand die Kassette ihr bitteres Ende. Im Jahr 2009 wurde die Produktion in Deutschland eingestellt. Es scheint, als konnte sich die Kassette nicht mit der vorangeschrittenen Technik des 21. Jahrhunderts versöhnen. Somit gehört sie zu den wenigen Medien, die im Wandel von Technik und Technologie entgegen der Medienkonvergenz entwickelte. Denn fragen wir uns, wo wir heute stehen, dann sind Musiksammlungen zunehmend digitalisiert und Musik ist ein selbstverständlicher Begleiter des Alltags. Vielleicht war Musik früher einmal wirklich mehr wert. Das Erstellen einer Kassette war mühsam. Die Verbreitung von Musik wurde durch nicht vorhandene Mittel erschwert. Künstler bekamen das Geld was ihnen zustand. Illegale Downloads und Urheberrechtdebatten standen in den Sternen. Die Kassette macht Musik zu etwas Ewigem. Während allerlei digitale Pannen den Musikdateien zum Verhängnis werden können, ist es umso schöner und von enormen Wert etwas fest in seinen Händen halten zu können, auf das man jederzeit zurückgreifen kann. Bandsalat kann man nicht essen, aber man kann ihn beheben.


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