Wenn Sport zur Sucht wird

Der Mensch strebt nach Verbesserung, nach Weiterentwicklung, nach Optimierung. Der Trend zur Self-Optimization hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen, vor allem was den eigenen Körper und die Fitness angeht. Während Ärzte in den letzten Jahren noch vor einer adipösen Gesellschaft warnten, zeigt sich seit geraumer Zeit ein anderes, genauso erschreckendes Phänomen, die Sportsucht.

von Anica Nagel

Wer Ausdauersport extrem betreibt, riskiert eine Sportsucht.

Sportwissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg befragten bereits 2013 1089 Sportler nach ihrem Trainingspensum und ermittelten, dass bereits 4,5% der Teilnehmer stark gefährdet seien. 1 Genau wie andere Süchte, isoliert sich der Betroffene von seinem Umfeld, zeigt Entzugserscheinungen und wird depressiv, wenn er keinen Sport treibt. Experten sprechen bereits von Bulimia athletica (Sport -Bulimie) und Anorexia athletica (Sport- Magersucht), die Betroffenen trainieren sich die Kalorien ab. Während die weiblichen Patienten ihrem vermeintlichen Idealgewicht hinterherjagen, ist bei Männern der Aufbau von Muskeln das oberste Ziel.2

Vor allem Anfänger verlassen sich mittlerweile häufig auf bekannte Health-Apps

Der Sporttrend der letzten Jahre nimmt immer stärkere Ausmaße an, schon längst reicht eine Mitgliedschaft im Fitnesstudio nicht mehr aus, man quält sich durch Marathon, Triathlon und andere Extremwettkämpfe und macht dabei noch eine gute Figur.

Ausdauersportler quälen sich oft über ihre Schmerzgrenzen hinaus. Immer auf der Jagd nach der Bestzeit.

Wer sich als Anfänger langsam an das Thema Sport herantasten möchte, hat heute eine Vielzahl an Apps die den Weg in die Bewegung erleichtern.Die mobilen Online-shops reagieren, allein Google-Play bietet seinen Android Nutzern rund 3901 kostenpflichtige Apps im medizinisch- sportlichen Bereich an.3 Man kann sich nicht nur während des Sports „beobachten“ und „vermessen“ lassen, sondern auch seinen Schlaf analysieren und mittels der App be- und auswerten. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die von Nike bereitgestellten kostenlosen Apps, Nike+ Running und NTC.

So praktisch und unscheinbar, wie diese Apps wirken, so bergen sie doch eine gewisse Gefahr ihren Nutzer in die Sportsucht zu treiben. Schnürte man früher als passionierter Hobbyläufer einfach seine Schuhe und lief los, reicht das heute bei weitem nicht mehr aus. Die GPS- Uhr muss erst das Signal finden, dann wird noch ein Selfie für die sozialen Netzwerke geschossen und erst dann geht es los. Die Apps bilden aber nicht nur die sportlichen Erfolge des Nutzers ab, sie lassen auch einen Vergleich mit den Leistungen der Freunde und Bekannten zu. Das kann sich einerseits positiv auswirken und motivieren, es kann den Nutzer aber auch dazu treiben, sich vollkommen zu übernehmen, um nicht als Letzter auf der Liste zu stehen und somit zu „verlieren“. Man erkämpft sich Kilometer um Kilometer, unbeachtet der körperlichen Fitness oder dem Verletzungsrisiko.

Der digitale Coach lässt nicht locker

Viele Apps bieten einen Coach, der mit einem detailierten Trainingsplan den Nutzer innerhalb eines kurzen Zeitraums verbessern soll. Täglich erinnert einen die App daran, welche Strecke am nächsten Tag ansteht und wie viel schon erreicht wurde. Der digitale Coach lässt nicht locker, ganz egal ob der Nutzer sich fit genug für einen acht Kilometerlauf fühlt oder nicht. Er beachtet auch nur eingeschränkt das Fitnesslevel seines Nutzers und „verlangt“ einem Anfänger 20 Kilometer innerhalb einer Woche ab.

Experten sehen darin eine erhebliche Gefahr das Gefühl für den eigenen Körper zu verlieren und in die Sportsucht zu verfallen. „Wenn jemand einen so zwanghaften Drang verspürt, Sport zu treiben, dass der Verzicht auf seine gewohnte Dosis ihn psychisch oder sogar körperlich leiden lässt, ist das nicht normal“, erklärt Jens Kleinert, Professor für Sport- und Gesundheitspsychologie an der Deutschen Sporthochschule Köln: „Man kann da schon von Suchtverhalten sprechen.“

Health- Apps sind ein praktischer Begleiter, sollten aber nicht den Alltag bestimmen, damit der Mensch nicht das Gefühl verliert, wann zu viel zu viel ist.

  1. Quelle:http://www.welt.de/gesundheit/article117611520/Wenn-zu-viel-Sport-suechtig-macht.html  
  2. Quelle:http://www.fitforfun.de/sport/fitness-studio/sportsucht-report/sportsucht_aid_3878.html  
  3. Quelle:http://de.statista.com/statistik/daten/studie/440141/umfrage/anzahl-von-gesundheits-und-medizin-apps-in-google-play-nach-kategorie/