Die Geschichtenjäger

Der Journalismus ist ein hartes Pflaster. Der einstige Traumberuf des Journalisten lässt heutzutage weder ein regelmäßiges Einkommen noch einen konstanten Arbeitsalltag zu. Sich in der Branche, als zumeist Freiberufler, einen Namen zu machen, fällt in Anbetracht des überfüllten und vermeintlich gesättigten Marktes und der wegrationalisierten Arbeitsplätze deutlich schwer. Printprodukte sterben aus, Festanstellungen gibt es kaum noch: Seit 2012 gingen um die 1.000 redaktionelle Stellen verloren.

von Maren Schaub

1Um die 15.000 von vom Deutschen Journalisten Verband geschätzten 73.000 Journalisten in Deutschland waren im Jahr 2014 ohne Arbeit.                                                                                                                              Die Digitalisierung macht auch vor dem Handwerk der Reporter nicht halt und Chancen auf einen Auftrag haben vor allem die Omnitalente der Branche. Gute Autoren und Rechercheure, die sowohl web- und mobilspezifischen Anwendungen beherrschen, als auch mit Audio- und Video-Schnittfertigkeiten glänzen. Die eierlegende Wollmilchsau liegt stark im Trend. 2

„Netzwerken“ lautet das Zauberwort. In sozialen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn, die der beruflichen Kontaktpflege dienen und die Verbindung zwischen möglichen Arbeitgebern und Arbeitnehmern erleichtern sollen, können all diese Fähigkeiten und Kompetenzen dann präsentiert werden.                                                                          Noch spezifischer wurde der Markt 2012. Plattformen speziell für Journalisten und Medienschaffende sollen seither die Wege der Freiberufler ebnen.

Ein Beispiel für eines der derzeit erfolgreichsten Netzwerke ist das 2012 von zwei Auslandskorrespondenten in New York gegründete und erst Ende 2014 gelaunchte Startup-Unternehmen Storyhunter. Die zwei ehemals freien Journalisten Alex Ragir und Jaron Gilinsky haben sich zur Aufgabe gemacht Freelancer und Medienhäuser zusammenzubringen und sowohl Vermittlung als auch Bezahlung zu koordinieren.

Die Startseite der Storyhunter, ©STORYHUNTER

Die Startseite der Storyhunter, ©Storyhunter

Der Bedarf ist offenkundig nicht abzustreiten: Nicht einmal ein Jahr nach der Einführung des Netzwerkes ist vergangen und es verzeichnet bereits über 6.000 registrierte Freelancer weltweit.                                                                                                                       Wegen des bereits erwähnten Aufbegehrens des digitalen Marktes lag der Fokus des Unternehmens zunächst nur auf Videoproduzenten und Dokumentarfilmern, die der aufkommenden Prominenz der Online Videos und der Social Media Clips nachkamen. Mittlerweile hat sich das Unternehmen auch den Schriftstellern und Fotografen geöffnet. Die Vimeo– und YouTube-Channel des Unternehmens haben dennoch eine besonders tragende Rolle und werden regelmäßig upgedated.

Journalisten stellen ihre Ideen und Arbeitsproben online und Unternehmen beteiligen sich an Projekten, vergeben Aufträge an favorisierte Journalisten, veröffentlichen aber auch eigene Profile um „Mitarbeiter“ zu werben.                                                                       Auch Medienhäuser wie unter anderen die New York Times, Yahoo News, The Economist und Al Jazeera Plus, haben sich registriert und so die Möglichkeit, geeignete Freiberufler für mögliche Aufträge zu entdecken und sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, wahrgenommen. Das Unternehmen fordert von ihnen eine monatliche Servicegebühr und hat mit weiteren Investoren so schon über eine Million US Dollar gesammelt. Pro vermittelten Auftrag erhält das Unternehmen von den Journalisten zehn Prozent ihres Honorars.

Das Startup bietet dem ganzen eine öffentliche Plattform, so dass auch für Verträge, redaktionelle Begleitung, Honorare, die garantiert innerhalb von vier Wochen ausgezahlt werden, aber auch freie Versicherungen im Falle von Einsätzen in Krisengebieten, gesorgt ist. Diese werden nämlich den Freiberuflern, die sich in Gefahrensituationen begeben, von Medienhäusern oftmals nicht gestellt.                                                                                 Der Schutz der eingesetzten Journalisten liegt den New Yorkern besonders am Herzen – sie bieten neben den Versicherungen auch freie Schulungen für diejenigen an, die sich, trotz deutlichen Abratens, in Krisen- und Kriegsgebiete begeben.3 4

Die Twitter-Präsenz des Unternehmens. ©Storyhunter

Die Twitter-Präsenz des Unternehmens. ©Storyhunter

Ein deutsches Pendant der Website ist das journalistisch digitale Kollektiv torial. Die Plattform arbeitet ähnlich wie Storyhunter sowohl mit Unternehmen, als auch Journalisten zusammen. Seine Stärken sieht torial ebenfalls im Zusammenschluss der verschiedenen Expertisen: Eine einzelne Webpräsenz sei weniger effektiv und weitreichend als die Gemeinschaft.

Für engagierte Journalisten ist diese Form des Netzwerkens eine gute und faire Möglichkeit ihre Arbeit zu verbreiten und Aufträge zu bekommen. Sie haben die Möglichkeit ihren eigenen Namen als Marke zu etablieren. Nischenprojekte können an die Öffentlichkeit gebracht werden und Medienunternehmen können und müssen sich dem innovativen Denken und den originellen Ideen vieler, womöglich unbekannter Reporter, öffnen.

Ein Beispiel für eines der zahlreichen Projekte der Storyhunter ist das der Journalisten Elie Gardner und Oscar Durand, die in Lima, Peru Penal Castro Castro im Distrikt Lurigancho aufsuchten. Das Hochsicherheitsgefängnis wird als eine der gefährlichsten Strafvollzugsanstalten in ganz Lateinamerika gehandelt und beherbergt über 6.000 Häftlinge. Der Durchschnitt der Insassen hat eine Strafe zwischen zehn und zwanzig Jahren abzusitzen.                                                                                                           Die beiden Reporter berichten in ihrem Videoprojekt von einer der positiven Entwicklungen der Anstalt. Alejandro Nuñez del Arco, einer der Insassen, rief während seiner Haft ein Full Body Fitnessprogramm ins Leben. Acht Insassen fingen zu Beginn an mit ihm den Sport zu betreiben, mittlerweile versuchen del Arco und 1.179 weitere Insassen den Guiness Weltrekord für die meisten Full Body praktizierenden Personen aufzustellen.5

Das Konzept ist nicht nur eine geeignete Hilfestellung für Berufseinsteiger sondern hebt auch die Objektivität der journalistischen Arbeiten, da der Faktor der privaten Seilschaften und Beziehungen zunächst relativiert wird.

  1. Videonachweis: https://www.youtube.com/watch?v=sIziCZap_Ok, Zugriff 12.7.15.  
  2. Vgl.: http://www.spiegel.de/karriere/berufsstart/journalist-werden-wie-sieht-es-mit-job-in-den-medien-aus-a-1004915.html, Zugriff 10.07.2015.  
  3. Vgl.: http://meedia.de/2015/05/06/journalismus-plattform-storyhunter-das-airbnb-fuer-medienmacher/, Zugriff am 05.07.2015.  
  4. Vgl.: http://www.journalist.de/aktuelles/meldungen/storyhunter-geschichte-zu-buchen.html, Zugriff am 05.07.2015.  
  5. Vgl.: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/lima-haeftlinge-in-peru-brechen-weltrekord-im-knast-synchrontanz-a-906111.html, Zugriff am 12.07.2015.