Das globale Dorf und dessen gläserne Bürger

Die Menschheit hat in ihrer jüngeren technischen Geschichte eine Menge Ideen hervorgebracht um das Leben angenehmer und bequemer zu machen. Vor Allem Ideen aus den 1960er Jahren wurden auf die eine oder andere Weise Wirklichkeit. Zu diesen Ideen gehörte auch das Globale Dorf. Mit den sozialen Netzwerken, allen voran Facebook, scheint auch diese Idee nun Wirklichkeit zu werden.

von Sebastian Dzick

Das globale Dorf

Im Jahr 1962 beschrieb Marshall McLuhan den Begriff des globalen Dorfs zum ersten Mal und formulierte ihn in seinem Werk «The Global Village» aus. Dieses Werk beschreibt eine Epoche zu der die Menschheit durch elektronische Errungenschaften zu einem Dorf zusammenwächst, wobei eine Epoche beschrieben wird welche die Gutenberg Galaxie (Die Epoche der Schriftwerke) ablöst. Jeder kann jederzeit mit Jedem, global, kommunizieren. Im allgemeinen ist dieser Begriff heute als Synonym für das Internet gebräuchlich. Doch durch die stetige Entwicklung wurde diese Epoche scheinbar auch zu einem Ort. Millionen Nutzer haben sich weltweit bei sozialen Netzwerken angemeldet. Einer der wichtigsten Vertreter ist Facebook. Mit über 900 Mio. Usern ist es eines der größten Netzwerke und der Großteil der Nutzer kommt aus der demokratisierten, westlichen Zivilisation.

Die Demokratisierung

Es ist also nicht erstaunlich, dass die Nutzer von Facebook bei den umstrittenen Datenschutzbestimmungen, welche sich alle paar Monate ändern, ein Wörtchen mitreden möchten. So fand im Juni 2012 eine, durch «Europe versus Facebook» initiierte, Abstimmung über die Datenschutz-Richtlinien des Netzwerkes statt. Nachdem 47 824 User via Kommentar, auf der deutsch- und englischsprachigen Facebook-Seite diese forderten beugte sich der Online-Riese. Die an der Abstimmung Beteiligten, fast 300 000 User,  stimmten mit 86 % gegen die neuen Richtlinien.

Gut versteckt wurde diese Urabstimmung durchgeführt, und aufgrund der nicht vorhandenen Kommunikation aufseiten der Betreiber lag die Wahlbeteiligung bei gerade mal 0,38 %. Facebook jedoch hätte die Abstimmung nur akzeptiert, wenn 30 aller User abgestimmt hätten. Dennoch ist dieses Vorgehen ungewöhnliche für ein privates Unternehmen, zumal es bei der Abstimmung um das Gut des Konzerns ging – die Daten der Nutzer, welche zugleich deren Zahlungsmittel sind.

Der Reiz der Mitgliedschaft

Doch obwohl viele über die Datenschutz-Bestimmungen von Facebook bescheid wissen und die Empörung kaum einzudämmen ist bleiben die User dem Netzwerk treu. Man kann sich den Dingen anscheinend nicht entziehen, ähnlich wie der Gesetzgebung des Staates. Facebook hat eine große Rolle in den Leben der Menschen eingenommen und es scheint ein sozialer Drang hinter der Mitgliedschaft in diesem Netzwerk zu bestehen. Ein Drang der eine Anmutung macht, als könne das komplette Sozialleben eines Menschen zum Stillstand kommen, sollte die Mitgliedschaft nicht gegeben sein.

Leonard Reinecke, Juniorprofessor für Publizistik mit dem Schwerpunkt Online-Kommunikation an der Johannes Gutenberg Universität Mainz, hat herausgefunden, dass hinter der Interaktion in sozialen Netzwerken eine Art Belohnungsprinzip steht: „Je mehr ich von mir preisgebe, desto mehr profitiere ich“, denn „Man will Freunde und Bekannte auf dem Laufenden halten, seine Einstellungen und Meinungen kundtun“, äußerte er sich in dem JGU Magazin der Universität. Laut dem studierten Psychologen entsteht auf den Plattformen ein trügerischer Eindruck von Intimität, denn man sei hauptsächlich mit Leuten befreundet die man auch kenne: „Die User posten zwar für ein intendiertes Publikum, aber alle Facebook-Freunde können die Einträge lesen – der Arbeitskollege oder der flüchtige Bekannte, dem ich normalerweise nicht alle meine Befindlichkeiten kundtue, mit eingeschlossen. Die privaten Informationen sind dann einem sehr großen und schwer zu überblickenden Personenkreis zugänglich und können unter Umständen zu unerwarteten Nebenwirkungen führen.“ Dennoch sieht Reinecke die Vorteile der sozialen Netzwerke eher im Vordergrund: “Soziale Medien ermöglichen Formen der Interaktion, die vorher schlichtweg nicht möglich waren.“ Reinecke weist allerdings auch darauf hin, dass man die Nutzung mit dessen persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen hinterfragen muss.

Der gläserne Bürger

Vielleicht ist die Schaffung des gläsernen Facebook-Nutzers aber auch zu dulden, da wir uns längst im alltäglichen Leben auf dem Weg zu einem solchen befinden. In den Geschäften wird man mittels Chips in den Etiketten verfolgt und die zahlreichen Kundenkarten zeichnen unser Einkaufsverhalten auf, somit wird nicht nur via Facebook und Cookies unser Verhalten von Marktforschern zu bestimmen versucht.
Auch der Staat versucht alles um ein besseres Bild seiner Bürger zu bekommen. Die Vorratsdatenspeicherung ist dafür ein gutes Beispiel. Jeder Schritt der Mobilfunknutzer wird durch die Telekom aufgezeichnet und gespeichert. In einem Artikel der Zeit vom August 2009 wurde das Ausmaß dieses Vorgehens aufgezeigt. Anhand einer interaktiven Karte lässt sich jeder Schritt den der Grünenpolitiker Malte Spitz über ein halbes Jahr lang gemacht hatte verfolgen. Er musste übrigens gegen die Telekom klagen um seine eigenen Daten einsehen zu dürfen. Zu letzt stand der Verkauf von Einwohnerdaten durch die Bürgerbüros- und Ämter in der Diskussion.

Facebook und Konsorten der privaten Wirtschaft sind also kein Einzelfall, wenn es um die Minimierung der Privatsphäre der Nutzer und Bürger geht. Vielleicht ist Facebook lediglich ein Vorgeschmack auf die Entwicklung unserer Gesellschaft und der ihr zu Grunde liegenden Systeme, worüber sich viele insgeheim schmerzlich bewusst sind und weswegen es ein leichtes ist die Augen vor den Vorgängen zu verschließen.
Der Gründer des Xing-Netzwerkes, Lars Heinrichs, ging in einem Interview mit dem Focus sogar noch weiter. Für ihn ist die Debatte Paradox. Auf die Frage ob wir strengere Gesetze für den Datenschutz brauchen sagte Heinrichs: „Für US-amerikanische Konzerne ist im Internet alles erlaubt, was der Nutzer nicht ausdrücklich ausschließt. Bei uns ist es umgekehrt. Wir Deutsche sind beim Thema Daten paranoid. Die Crux ist: je mehr Datensicherheit, desto weniger Innovation.“

Wobei fraglich ist ob der Wunsch nach Innovationen, dem perfekt einzuschätzenden Kunden und Bürger nicht nur wirtschaftliche Interessen zu Grunde liegen. Schließlich hat uns der Wirbel um den ACTA-Pakt die gegenteilige Stimmungslage signalisiert. Eventuell steuert das Internet nun auf seine Demokratisierung zu, immerhin war es auch schon Anlass für selbige.

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