Ratlos – Facebook kopiert sich die Zukunft zusammen

Von den Nutzerzahlen Facebooks kann die Konkurrenz nach wie vor nur träumen, doch der Vorsprung wird immer kleiner. Der Kampf um die Zukunft wird jedoch nicht mehr auf dem Schreibtisch, sondern den Smartphones dieser Erde ausgetragen.

von André Pitz

Vor elf Jahren sitzt der amerikanische Unternehmer Sean Parker in einem noblen Restaurant ein paar unscheinbaren Gestalten gegenüber – ihre Namen: Mark Zuckerberg und Eduardo Saverin, Hirn und Finanzjongleur vom damals nur wenige Tage alten Facebook. Es geht um Geld. „A million Dollars isn’t cool. You know what’s cool? A billion Dollars!“ soll Parker den Gründern des heute größten sozialen Netzwerks der Welt nahegelegt haben, wenn man der Szene aus dem Film „The Social Network“ Glauben schenken darf.1

Elf Jahre später muss sich Mark Zuckerberg keine Sorgen mehr um die finanzielle Coolness von Facebook machen. Alleine im vierten Quartal 2014 setzte der Konzern aus dem kalifornischen Menlo Park 3,6 Milliarden Dollar um. Am Jahresende blieben noch 2,94 Milliarden Dollar Gewinn übrig.2

Ein Eckpfeiler dieses Erfolgs ist zweifelsohne die extrem große Nutzerzahl. Alleine innerhalb des letzten Jahres haben gut 170 Millionen neue Mitglieder Facebooks monatlich aktive Gesamtbevölkerung auf 1,39 Milliarden Nutzer anwachsen lassen. Dem aktuellen Börsenbericht des Unternehmens zufolge greifen ähnlich viele Nutzer mobil, also über Smartphone und Tablet, auf das Netzwerk zu.3

Facebooks Kampf gegen die Überalterung

Doch was der Konzern seinen Investoren als Erfolg verkauft, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Facebooks größtes Problem. Wachstum findet zwar statt, größtenteils jedoch nur in Altersgruppen jenseits der 30. Was Facebooks damaliger Chief Financial Officer David Ebersman schon im Oktober 2013 gegenüber Analysten und der Presse eingestehen musste4, belegt eine Studie der Unternehmensberatung iStrategy Labs: Das soziale Netzwerk kann die Jugend nicht mehr von sich überzeugen und in der Gruppe der Nutzer bis 24 Jahre kein Wachstum mehr generieren.5

Ein Blick auf den Siegeszug der Instant-Messenger 6 wie Snapchat oder Whatsapp verrät, wohin es die Jugend zieht und in welchem Feld Facebook noch einiges nachzubessern hat: Mobile. Alleine in Deutschland muss sich Facebook laut Branchenverband Bitkom dem Kurznachrichtendienst Whatsapp in fast allen jüngeren Altersgruppen bis 18 geschlagen geben. 7

Infografik: WhatsApp populärer als Facebook | Statista

WhatsApp populärer als Facebook von Statista unter CC BY-ND

Der Messenger sägt mit rund 700 Millionen aktiven Nutzern8 am Thron von Facebook – Grund genug für die Kalifornier den Dienst im Februar 2014 für spektakuläre 19 Milliarden Dollar zu übernehmen9 und damit von der Liste der Konkurrenz zu streichen. Parallel dazu streicht Facebook die Nachrichtenfunktion seiner Smartphone-App und gliedert sie in eine eigene App aus, um sich im Messenger-Segment noch breiter zu positionieren.

You know what’s cool? A billion apps!

Möglich machen das Facebooks enorme finanzielle Ressourcen, mit denen auch schon der extrem populäre Foto-Sharing-Dienst Instagram gekauft wurde10, als Bilder in sozialen Netzwerken zunehmend an Bedeutung gewannen. Auch hier veröffentliche Facebook parallel eine eigene App namens Facebook Camera, mit der Bilder ohne Umwege direkt auf Facebook geladen werden konnten.

Gescheitert sind die Kalifornier angeblich an Snapchat. Der über 100 Millionen Nutzer starke Messaging-Dienst für Inhalte, die sich nach kurzer Zeit von selbst löschen, hat US-Medien zufolge ein drei Milliarden Dollar schweres Angebot ausgeschlagen.11 Facebooks Reaktion: Poke – ein Snapchat-Klon, der wegen ausbleibendem Erfolg bereits wieder eingestellt wurde.12 Slingshot, ebenfalls aus dem Hause Facebook, verfolgt eine ähnliche Strategie. Auch hier ist der Erfolg in der breiten Masse ausgeblieben.

Neben diesen Beispielen ist Facebooks Weg von zahlreichen, oft weniger erfolgreichen Apps gepflastert. Die in der App Groups ausgegliederte Gruppenfunktion, der Flipboard-Klon Paper und die Benutzeroberfläche für Android-Smartphones Home sind nur ein Teil der langen Liste an Facebook-Apps, die keinen richtigen Anklang finden wollen.

Zuckerberg ist mittlerweile offenbar nicht mehr darauf aus, das nächste große Ding zu bauen, sondern es dank mangelnder Innovationskraft in den eigenen Hallen einfach zu kaufen oder halbherzig zu kopieren, um relevant zu bleiben. Das ist nötig, um das auf Werbung basierende Geschäftsmodell am Laufen zu halten – und ohne Nutzer existiert nun mal niemand, der die Werbung sieht.