Fitnessstudio war gestern

Selbstoptimierung ist das Kredo der heutigen Zeit. Körper und Geist fit machen, durch Sport und ein gesunden Lebensstil das Selbstwertgefühl steigern, widerstandsfähiger werden. In den letzten 15 Jahren haben Fitnesstudios einen großen Zulauf genossen, ganze Ketten von Fitnessstudios sind neu entstanden und haben sich überall breit gemacht. Doch nun gibt es Konkurrenz, innovativ und einfach.

von Malte

Die erste Welle des Fitnesswahns der Gesellschaft befindet sich schon wieder im abklang, die Kritik an dem stupiden Gewichte stemmen wird lauter, viele Studios strukturieren um und versuchen mit den neuen Erkenntnissen der Sportwissenschaft mit zugehen und auf Geräte und Übungen zu setzen, die sich primär mit dem trainieren mit Eigengewicht beschäftigen. Warum gehen so viele Menschen überhaupt in ein Fitness Studio und trainieren nicht einfach zu Hause? Wenn man nur mit dem eigenen Körpergewicht trainieren will, braucht man keine Geräte und Hantelbänke. Glaubt man Caroline Köckeis1 vom Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport der Universität Wien und einigen privaten Erfahrungen, so findet man die Gründe primär bei der Motivationsdefinition. Sich zu motivieren zu Hause Sport zu machen, ist wesentlich schwieriger als ins Fitness Studio zugehen. Hier zahlt man Geld und das Umfeld treibt Sport, somit entsteht eine psychologische Abhängigkeit.

Seitdem die App-Welt sich stark bemüht die Nutzer nicht nur zu Unterhalten, sondern auch den Alltag zu erleichtern, sind besonders in der Web-App-Branche viele neue Zielbereiche erschlossen worden. Unteranderem der Bereich Sport. Es gibt mittlerweile viele App’s, die die zurückgelegte Strecke beim Joggen zählen, versuchen Kalorienverbrennung zu berechnen oder einfach Workout-Übungen auf dem Display darstellen. Die EINE Sportapp hat es aber bis jetzt noch nicht gegeben.

Freeletics

Es könnte sein, dass sich das nun ändert. Freeletics ist nicht nur eine App, sondern auch die Bezeichnung einer eigenen Sportmethodik. Entwickelt wurde sie von Sportwissenschaftlern der Universität Köln und einigen jungen Sportfreaks aus München. Im Kern geht es bei Freeletics um die Kombination von Kraftübung mit dem eigenen Körpergewicht, die weitgehend ohne Equipment ausgeführt werden können und verschiedenen Lauf- und Sprinteinheiten. Es geht darum, viel Sport in wenig Zeit zu betreiben. Es ist bestimmt nicht einfach und angenehm aber anscheinend ziemlich effektiv. Der Clou an der Freeletics-App ist der Community Gedanke, der sich offensichtlich auch in der Praxis bewährt. Freeletics Mitgründer Pierre Ostrowski spricht von ungefähr 1 Million App-Nutzern. Schaut man unter dem Schlagwort “Freeletic“ in die sozialen Netzwerke, so findet man, zum Beispiel auf Facebook, bei fast jeder größeren Stadt eine eigene Gruppe, viele mit mehreren 100 Mitgliedern.

Aphrodite, Zeus und Co

Die Freeletics-App arbeitet mit verschiedenen Einheiten, jede, nach einer griechischen Gottheit benannt, beinhaltet mehrere Übungsdurchläufe in Intervallen. Zu jeder Einheit gehören in der Regel drei verschiedene Übungen wie Burpees (Liegestütz mit Strecksprung), Kniebeugen oder Situps, es geht um eine möglichst schnelle Absolvierung der Übung, um einen maximalen Muskelreiz zu erzeugen. Die App läuft parallel auf dem Smartphone, die aktuelle Übung wird Angezeigt, die Uhr läuft mit und nach Beendigung der Übung wird via Fingerstreich die nächste eingeleitet. Wirkliche Pausen sind während einer Einheit nicht vorgesehen. Zu jeder Übung gibt es die Möglichkeit sich ein Vorführvideo im Menüanzugucken, um eine richtige und saubere Ausführung zu gewährleisten.

“Don’t wish for it, work for it”

Das Neue, das Innovative von Freeletic sind die Features der App. Denise Peikert2 von der FAZ hat mal in einem Artikel geschrieben, Freeletics sei kein Sport, sondern eine Sekte. Es gibt eine Menge von Sportapps die Übungen erklären und in verschiedenen Schwierigkeitsstufen zum Heim-oder Parktraining animieren. Freeletics hat aber ein paar Besonderheiten, die durch, ich möchte es fast psychologische Kriegsführung nennen, anspornen und es anscheinend schaffen, dass viele Nutzer am Ball bleiben. Die Grundfunktionen der App sind kostenfrei zu bekommen. Die kostenfreie Version beinhaltet einige Trainingseinheiten sowie das Punktesystem. Die Pro-App ist in einer Abo-Version zu erwerben und kostet dann bis zu 79,99 Euro im Jahr. Sie erstellt für jeden zahlenden, registrierten Nutzer einen individuellen Trainingsplan von meist 15 Wochen, der dann vom virtuellen Coach begleitet wird. Die Anpassung erfolgt über die Auswertung von der Zeit, die für die Absolvierung der ersten Testeinheiten benötigt wird, sowie der Körperdaten (Größe, Gewicht,…). Es wird mit einem Punktesystem gearbeitet. Jeder Nutzer bekommt für das Ausführen der Übungen Punkte, diese werden addiert und im Profil angezeigt. Nebenher werden einem von der App immer wieder kleine „Motivationen“ in Form von Sprüchen und Bildern gesendet. Die Einheiten sind auch nach Schwierigkeitsgrad gestaffelt, so geht es darum Punkte zu sammeln und die nächste Einheit zu absolvieren. Es ist nicht so sehr die Motivation im Ranking weit oben zu stehen, sondern wohl eher der Kampf gegen sich selbst.

Es ist nicht alles Gold was…

Sport treiben und sich steigern ist hier auf jeden Fall die Prämisse, allerdings bietet eine App eine Sache natürlich nicht, es gibt kein Coach, der daneben steht und die richtige Ausführung überwacht. Durch zu starken Willen und Übermut kann man sich auch einiges kaputt machen. Obwohl man die Einheiten, abgesehen von den Lauf- und Sprintübungen, auch im eigenen Wohnzimmer machen kann, bietet sich doch an, einen Park oder ähnliches aufzusuchen. Da es auch zum Trend zu werden scheint in Gruppen zu trainieren ist Platz gefragt. Hier ist dann aber zu bemängeln, dass der virtuelle Coach nur bei einer stabilen W-Lan Verbinndung abrufbar ist. Das bleibt noch zu verbessern.

  1. Vgl.: http://othes.univie.ac.at/9033/1/2010-03-16_0303807.pdf, Zugriff 20.1.2015.  
  2. Quelle:http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/freeletics-selbsttest-fitnessprogramm-fuer-hartgesottene-12837883.html