„First let me take a selfie…“

von Malte Joel

Bildquelle: Twitter-Account von Lukas Podolski

Selbstdarstellung ist wohl eines der Phänomene, dass uns in der heutigen Zeit permanent begleitet. Nicht weil es etwas Aufregendes oder etwas Neues wäre, ist die Selbstdarstellung allgegenwärtig, sondern weil es im Zeitalter der sozialen Netzwerke und Smartphones besonders einfach und bequem geworden ist.

Im Grunde genommen ist die Selbstdarstellung an sich ein alter Hut, Narzissmus begleitet den Menschen seit jeher. Auch die Verbildlichung ist nichts, was einen in Erstaunen versetzen sollte. So haben schon immer irgendwelche Herrscher Portraits von sich anfertigen lassen oder, denkt man an die alten holländischen Meister, Künstler Jahre damit verbracht sich selbst auf Leinwand zu verewigen.

Was ist ein Selfie in seiner Begrifflichkeit überhaupt?

Der Begriff Selfie stammt aus den frühen 2000er Jahren und ist, spätestens seit dem er vom Oxford English Dictionary 1 zum „Wort des Jahres 2013“ erklärt wurde, fast jedem geläufig. Wenn man heute von einem Selfie spricht, so beschreibt man ein Bild, welches via Digitalkamera oder Smartphone von sich selbst aufgenommen wird. Hierbei wird das jeweilige Endgerät in der eigenen Hand und so weit wie möglich vom eigenen Körper weg gehalten, bevor der Auslöser betätigt wird. Eine andere Möglichkeit ist das fotografieren in einen Spiegel. Ein wichtiger Bestandteil des modernen Selfies ist das Hochladen in einem sozialen Netzwerk wie Twitter oder Facebook. In der Regel gilt es die Veröffentlichung direkt nach der Aufnahme zu vollziehen.

Selbst-Ich 2.0

Wie fast alles in den sozialen Netzwerken wird auch das Selfie Phänomen zum Ausdruck eines persönlichen Wunschabbildes benutzt. Die geschossenen Bilder zeigen die Protagonisten meist sehr vorteilhaft und so inszeniert wie die Bildmacherin oder der Bildmacher sich eben gerne sehen mag. Man kann von einer Art Schizophrenie sprechen. Die Frage ist nur wie groß die Kluft zwischen wirklichem und digitalem Ich werden darf, bevor ein ernsthafter Identitätsverlust dazwischen entsteht?

Glaubt man einer Umfrage vom britischen Telegraph2, so liegt der größte Anteil der Selfie-Macher in der Altersgruppe der 18-24 Jährigen, also bei den jungen Erwachsenen. Sascha Lobo spricht neologistisch von „Selfieness“3 und einem Diktat der digitalen Gesellschaft, dem man sich nicht entziehen kann. Lobo mahnt auch hierbei die Gefahr der Freigabe persönlicher Daten und der immer größer werdenden Problematik der Überwachungsgesellschaft an. Die gerade benannte Gruppe der jungen Erwachsenen sei durchaus damit vertraut, persönliche Daten mit bedacht zu behandeln und der Meinung, die digitale Selbstdarstellung unter Kontrolle zu haben, doch könnten viele die Komplexität, mit der die systematische Datenerfassung mit vielen kleinen Mosaikteilchen ein Gesamtbild erstellt, nicht erfassen.

In einer Studie, die 2012 im „Journal of Applied Psychology“ veröffentlicht wurde, wird ein Test thematisiert, in dem mit Hilfe von Probanden versucht wurde, die Aussagekraft von Social-Media-Profilen zu ermitteln. Es zeigte sich, dass die Facebook-Profile eine höhere Aussagekraft für eine erwartete Arbeitsleistung in verschiedenen Jobs hatte als persönliche Einstellungsgespräche.

Abstraktum

Selfies dienen längst nicht mehr nur zum Abbilden von Urlaubseindrücken mit Sehenswürdigkeiten im Hintergrund, sondern dokumentieren oftmals den gesamten Tagesablauf. Im Zusammenhang mit kurzen Bildbeschreibungen in den sozialen Netzwerken, entsteht ein komplexes Abbild der Protagonisten. Der Selfie-Trend hat auch ganz neue Formen angenommen, so gibt es zum Beispiel den „Drelfie“, ein Abbild welches im betrunkenen Zustand geschossen wird. Oder den After-Sex-Selfie, wo die Protagonisten noch im Bett liegen und eben genau dies dem sozialen Netzwerk preisgeben.

Selbstdarstellung als Marketinginstrument

Natürlich ist der Selfie-Trend auch an den Stars und Sternchen dieser Welt nicht vorbeigegangen. Viele Prominente benutzen Selfies, speziell auf der Plattform Twitter, zur geschickten Selbstinszenierung. Die Tatsache in Echtzeit Bilder mit kleinen Kommentaren hochzuladen ermöglicht den Prominenten ihre Fans an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Es entsteht eine vermeintliche Nähe und soziale Verbundenheit. Im Umkehrschluss bringt diese Verbundenheit Prominenten mit einer großen Fan- und Follower-Gemeinschaft eine enorme Reichweite. Diese Reichweite wird vermehrt als Marketinginstrument genutzt und zum Beispiel zum werben für Produkte oder Ereignisse verwendet. Wenn eine Musikerin oder ein Musiker das neue Album mit einem Selfie mit der neuen CD in der Hand bewirbt, bekommt die Werbung eine persönliche Note. Die Fans und somit die Käufer werden auf einer ganz anderen Ebene angesprochen als bei einer professionell produzierten Fernsehwerbung. Das entscheidende Schlüsselwort der Selfies als Marketinginstrument heißt „Authentizität“.

Quelle: YouTube, Zugriff: 20.07.2014, 18:46h

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