Crowdsourcing – „Die Weisheit der Massen“

Zusammen sind wir stärker. Zusammen erreichen wir die Lösung.

799px-Hosemann_Menschenmenge_um1830Eine Crowd  – Quelle : Wikimedia commons

von Ch. Nauendorf

Von Crowdsourcing spricht man auch dann, wenn Unternehmen zur Herstellung oder Nutzung eines Produktes bis dahin intern erledigte Aufgaben in Form eines offenen Aufrufes über das Internet auslagern. Die Zielgruppe soll sich so direkt einbringen und Vorschläge machen, wie ein Produkt schmeckt, duftet oder heißen soll. Unternehmen nutzen das Crowdsourcing, um Arbeitsleistungen von Konsumenten als Wertschöpfungsressource zu integrieren und Ihren eigenen Erfolg so kostengünstig zu vergrößern. Dazu zählen Bereiche wie das Produktdesign, Werbung/Marketing, Produkt-Rating oder das Lösen spezifischer technischer Probleme. Dieser Beitrag betrachtet das Phänomen Crowdsourcing und dessen Auswirkungen für die Organisation von Arbeit, sowie mögliche Gefahren der neuen „Schwarmintelligenz“. Denn bei immer mehr Produkten können Kunden eigene Ideen und Wünsche einbringen – aber ist die Masse wirklich klüger?1

Was ist Crowdsourcing?

Die im Jahr 2006 entwickelte Wortschöpfung „Crowdsourcing“ setzt sich zusammen aus „Outsourcing“ und „Crowd“ (engl.: Menschenmasse). Beim Crowdsourcing sind viele Menschen aufgerufen, ein bestimmtes Problem zu lösen oder eine Frage zu beantworten. Häufig wird diese moderne Form der Arbeitsteilung von Unternehmen als unterstützende Marketing-Maßnahme genutzt. Crowdsourcing wird mittlerweile in allen möglichen Bereichen gebraucht – man schafft neue Produkte oder nur ein neues Produktdesign. Das Reizvolle am Crowdsourcing ist, dass jeder mitmachen kann und zum Designer, Forscher oder Erfinder wird.

Massenhafte Weisheit? Die Masse galt in dem vergangenen Jahrhundert noch als dumme Herde, die blind und dumm ist, so ist sie nun im Crowdsourcing das Sinnbild für Intelligenz und zielgerichtetes Handeln. Viele bisher erstellte Produkte der Crowd scheinen der Schwarmintelligenz Recht zu geben. Crowdsourcing , das nach dem Wikipedia-Prinzip funktioniert, ist keineswegs neu, jedoch  konnte die „Weisheit der Vielen“ erst in Zeiten des Web 2.0 zu voller Blüte gelangen, das unabhängig vom geografischen Standort eine globale Vernetzung von Akteuren ermöglicht. Das Ergebnis sind ganz neue Formen Arbeitens, da sich im Netz in kürzester Zeit Menschenmassen aktivieren lassen, die gemeinsam Wissen erstellen können. Obwohl diese Entwicklungen vielerorts noch am Anfang stehen, könnten sie die Arbeits- und Lebenswelten der Zukunft entscheidend verändern.

Diese Art der Problemlösung birgt natürlich viele Vorteile für ein Unternehmen.  Die Schwarmintelligenz verspricht vor allem in den Bereichen Produktentwicklung, Kreativprozesse und im Marketing Vorteile. Crowdsourcing hält einerseits beachtliche Einsparpotentiale bereit – Dennoch geht es nicht allein ums Geldsparen. Viel reizvoller ist das kreative Potential des Schwarms. Besonders im Bereich der Produktentwicklung lässt sich Crowdsourcing nicht zuletzt als effektives Marketinginstrument einsetzen. Es besteht außerdem ein großer Vorteil gegenüber der herkömmlichen Werbung, denn während Innovativität dort nur suggeriert wird, ist Crowdsourcing in der Lage, den Fortschritt tatsächlich zu beweisen. Crowdsourcing kann in diesem Sinne auch als effizientes Kundenbindungsinstrument verstanden und genutzt werden. Der letzte wesentliche Vorteil von Crowdsourcing ist es, Wünsche zu erkennen und neue Marktimpulse zu bekommen. Auch wenn Crowdsourcing kein Instrument ist, mit dem man repräsentative Aussagen erhält, so eignet es sich um Wünsche und Assoziationen der Zielgruppe zu erkennen.

Wie funktioniert Crowdsourcing?

Kreativität, Partizipation, Flexibilität – all dies scheinen die neuen Formen des Schwarmarbeitens zu sichern, weshalb sie gut ins Profil einer digitalisierten Gesellschaft passen. Damit eine Masse an Menschen ihre Ideen zusammenbringen kann, muss sie natürlich gut vernetzt sein. Deshalb sind Internet, Soziale Netzwerke und Mobiltelefone treibende Kräfte bei dieser Form der Mitgestaltung. Oft erhalten die Crowdsourcer keinen Lohn für ihre Arbeit. Warum arbeiten sie dann? Man hat herausgefunden, dass der Spaß am Lernen, die Möglichkeit, Wissen mit anderen zu teilen, und die kreative Herausforderung die Crowdsourcer motiviert. Auch die Neugier auf neue Technik ist ein wichtiger Beweggrund. Manchmal sind die Teilnehmer auch einfach unzufrieden mit Produkten und daran interessiert, dass sie besser werden.2

Der Ablauf eines Crowdsourcing-Projekts kann in fünf Phasen gegliedert werden. 3 Jedes Projekt beginnt mit der Vorbereitungsphase, hier muss der Auftraggeber sich im Klaren darüber sein, was er sich aus dem Projekt erhofft und welche Teilnehmer oder Innovatoren angesprochen werden sollen. Als nächstes muss geklärt werden, ob dazu eine der bestehenden Plattformen genutzt werden soll oder ob es einer eigenen bedarf. Die nächste Stufe, die Initiierung des Wettbewerbs, besteht darin, die richtige Frage an die richtigen Leute zu stellen. In diesem Schritt werden die Weichen für den Erfolg oder Misserfolg des Projekts gestellt. Während der Durchführung, also wenn der Wettbewerb bereits auf der Plattform ausgeschrieben ist, schränkt sich der Handlungsspielraum der Unternehmen drastisch ein. Unternehmen haben in dieser Phase nur noch die Möglichkeit, moderierend einzugreifen und die Ergebnisse so in eine andere Richtung zu lenken. Die abschließende Verwertungsphase ist zudem Schnittstelle zur klassischen Beratungsarbeit eines Unternehmens.

Wo lässt sich Crowdsourcing einsetzen?

Die Möglichkeiten für Crowdsourcing sind fast unbegrenzt: Für das Onlinelexikon Wikipedia tragen Hunderte von Menschen ihr Fachwissen zusammen. Firmen schreiben Wettbewerbe für ein Logo aus. Forscher hoffen auf den frischen Blick von Laien, um Lösungen von komplizierten Problemen zu finden. Teilweise wird eine kluge Idee mit Preisgeldern von mehreren Tausend Euro belohnt. Unternehmen nutzen das Alltagswissen ihrer Kunden, um zu verbessern, zu verfeinern oder um zu verschönern. Bei Projekten wie Seti@home jagen Crowdsourcer sogar schon nach Außerirdischen.

Zum Crowdsourcing zählt ebenso das Microworking4, hier werden gegen äußerst geringe Bezahlung Kleinstaufgaben wie zum Beispiel Tagging, Verschlagwortung und Texterstellung abgewickelt. Häufig werden diese Teilaufgaben am Ende wieder zu komplexeren Gesamtleistungen zusammengesetzt. Die bekann- teste Microworking-Plattform ist „Amazon Mechanical Turk“, die inzwischen durch Anbieter wie clickworker.com oder crowdflower.com ergänzt wird. Auch das Collective Knowledge gilt als Teil des Crowdsourcing. Unter diesen Begriff fasst man all jene Formen des Crowdsourcing, die der Sammlung, Organisation und Filterung von Wissen dienen. Das bekannteste Beispiel ist Wikipedia bzw. allgemein das Wiki-Prinzip, aber auch Beobachtungs- und Prognose-Plattformen. Open Innovation and Ideas: Kreativität ist auch im Bereich der Open Innovation gefragt, wo es um die Auslagerung von Innovationsprozessen geht. Im Brainstorming-Verfahren werden gemeinsam mit der Crowd Problemlösungen und Produktideen erarbeitet. Aber nicht immer ist der Schwarm klüger als der Einzelne. Im schlimmsten Fall kann das Gruppenverhalten zu unkritischem Nachahmen führen und dazu, dass man Ideen zustimmt, weil alle anderen es halt auch tun.

Crowdsourcing  und seine Gefahren

Wie bei jeder neuen Technologie, so ist auch Crowdsourcing mit vielen Vorteilen, jedoch auch mit Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Das Anzapfen der Schwarmintelligenz offenbart seine Schattenseiten, wenn erst einmal um die Rechte gestritten wird. Grundsätzlich sind beim Crowdsourcing viele an einer Erfindung beteiligt – aber es gibt früher oder später Probleme, wenn es zwischen den Beteiligten darum geht wer für was verantwortlich ist und wer was gibt und wer nimmt. Ferner gilt in Deutschland bzw. das Europa das Prioritätsprinzip. Wer also das Patent anmeldet, dem gehört es zunächst einmal.  Jedoch sind das nicht die einzigen Probleme die das Corwdsourcing mit sich bringt. Hier sind zum ersten die Gesamtkosten zu nennen. Denn die Kosten, die ein Unternehmen hat, um ein Projekt abzuschließen, liegen weit über denen, die das Crowdsourcing selbst verursacht.  Ein weiteres Risiko bergen die geringen Löhne. Die Teilnehmer erhalten in der Regel eine geringe oder keine Kompensation für ihre Tätigkeit. Ein weiterer beliebter Kritikpunkt ist, dass die Leistungen von Künstlern, Erfindern oder Wissenschaftlern keine angemessene Wertschätzung mehr finden. Wer ein Werk schafft ist Urheber dieses Werks und hält daran alle Rechte („geistige Eigentum“). Derjenige, der nun also ein neues Design zur Abstimmung hochgeladen hat, ist und bleibt Urheber – das Unternehmen, dass dieses Design für sich nutzen möchte, muss sich vom Urheber die sogenannten Nutzungsrechte einräumen lassen, um sich nicht ggf. einem späteren Schadensersatz- oder gar Unterlassungsanspruch ausgesetzt zu sehen.5 Solche Nutzungsrechte können mittels, denen der Crowodsourcer zustimmt, wirksam übertragen werden. Doch die Übertragung der Nutzungsrechte ist nicht das Einzige, was bedacht werden muss.  Allein schon wer die moderne Technik nicht beherrscht oder keinen Internetzugang besitzt, bleibt zurück und ist kein Teil des Schwarms. Dadurch entsteht eine digitale Kluft. Es wird ersichtlich, dass auch das Crowdsourcing ohne einen Gedanken an die Folgen nicht problemlos auskommen sollte.

Menschen in der Crowd

Die Entwicklung von Crowdsourcing verweist auf die markante Ausweitung der Mitwirkung von Konsumentinnen und Konsumenten an der Leistungserbringung. Crowdsourcing ist  aber gleichzeitig auch Beispiel für eine neue Form der Kundenintegration. Outsourcing auf den Konsumenten gewinnt jedoch auch eine ganz neue Qualität. Denn Konsumenten  erbringen zunehmend produktive Leistungen, die für Andere einen Gebrauchswert haben und die als echter Wertschöpfungsbeitrag in die betriebliche Ökonomie eingehen. Durch unternehmensexterne Personen die Leistungen für Unternehmen erstellen ensteht eine gesellschaftliche Entwicklung in Richtung zum „arbeitenden Konsumenten“. An die Stelle des Kunden tritt in Zukunft möglicherweise eine neue hybride Figur.6Eine wichtige technologische Grundlage bildet dabei „Social Software“, also alle Anwendungen, die Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit im Internet unterstützen. Kennzeichnend für diese Anwendungen sind die Möglichkeit der nutzerbasierten Erstellung von Inhalten, umfangreiche Interaktions- und Vernetzungsmöglichkeiten. Vorrangiges Ziel ist es, die Endnutzer gemeinschaftlich an der inhaltlichen Gestaltung eines Internetangebots zu beteiligen. Das individuelle Wissen soll zu geteiltem Wissen werden.7

Fazit

Seit Ende der 1990er Jahren spielt das Internet eine wichtige Rolle bei der weiteren Ausbreitung ei- ner Mitwirkung von Kunden an der Leistungserbringung von Unternehmen. Nimmt man die Geschichte zum Maßstab, so erreichen die Beziehungen zwischen Unternehmen und Kundschaft aktuell eine neue Qualität. Die Kunden werden von Unternehmen gezielt in die Erbringung von Leistungen eingebunden; oft um Kosten zu sparen. Kunden sind auf diese Weise nicht mehr länger nur passive Käufer und Konsumenten von Leistungen. Crowdsourcing ist ein Phänomen, das durch die ständige und zunehmend mobile Verfügbarkeit des Internets auch in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Heute wird dem Internet immer mehr Aufmerksamkeit und Zeit gewidmet, da erscheint es nur folgerichtig, dass auch immer mehr Ideen und Problemlösungen aus dem Internet kommen. Gleichzeitig haben immer mehr Menschen Zugang zum Internet, die Anzahl derer, die ihre Arbeitsleistung im Internet anbietet, ist massiv gestiegen. Tatsächlich empfiehlt es sich für Unternehmen, sich mit dem Phänomen genauer auseinander zu setzen. Crowdsourcing ist ein junges Phänomen, und wöchentlich entstehen neue Plattformen, die auf das Wissen und die Kreativität der Vielen setzen. Man kann davon ausgehen, dass sich die Theorie der Crowd in den nächsten Jahren laufend neu erfinden und weiterentwickeln wird. Es wird vermutlich eine Spezialisierung der Plattformen stattfinden. Zudem werden sich wohl auch neue Berufe, wie der des „Crowdsourcer“ etablieren- zuerst als Nebenerwerb, später hauptberuflich. Crowdsourcing-Anwendungen befinden sich zurzeit in der Erprobungsphase. Dabei lassen sich unterschiedliche Formen des Crowdsourcing identifizieren. Inwieweit und in welcher Form sich diese in Zukunft ‚etablieren’ werden, lässt sich kaum systematisch vorhersagen.  8

Im Großen und Ganzen belohnt die Crowd nicht nur Rentabilität die eines Unternehmens,  sondern fördert auch den kreativen Prozess und gute Ideen des ausgelagerten Projekts.

  1. http://floss1.infono/- mics.nl/finalreport/FLOSSfinal-4.pdf  
  2. http://www.ini20.de/2014/01/die-geschichte-des-crowdsourcing-und-die-sache-mit-der-definition/  
  3. http://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/fileadmin/bibliothek/unterberg_crowdsourcing/unterberg_crowdsourcing.pdf  
  4. http://www.marketing-boerse.de/Fachartikel/details/1228-Crowdsourcing-im-Dienst-des-Online-Marketings/37244  
  5. http://www.wired.com/ wired/archive/14.06/crowds.html  
  6. http://www.arbeitenundleben.de/downloads/VossRieder_Einleitung_Leseprobe.pdf  
  7. Videonachweis: http://www.youtube.com/watch?v=-38uPkyH9vI, Zugriff : 27.06.2014.  
  8. http://crowdsourcing.typepad.com  

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