Sight Seeing – Ein Blick in die Zukunft der Augmented Reality

Googeln Sie vor einem Date Ihr Gegenüber? Sich Informationen über seine Verabredung einzuholen, findet die Mehrheit der Deutschen ganz normal. Jeder Dritte sucht vor dem Treffen im Internet nach Informationen über den potenziellen Partner.1 Experten raten jedoch davon ab. Man würde so wichtige Schritte des Kennenlernens überspringen. Gegen ein bisschen Recherche sei jedoch nichts einzuwenden, man möchte ja schließlich nicht die Katze im Sack kaufen. Aber was wäre, wenn Sie jemand während eines Dates kontinuierlich mit Apps analysiert, Vorlieben und Abneigungen auf Ihren Profilen checkt und Sie letztendlich, durch auf Sie zugeschnittene Dating-Tipps, abschleppen würde. Die israelischen Studenten Eran May-raz and Daniel Lazo haben ein solches Szenario in ihrem Film Sight2 durchgespielt.

von Stefanie Baumeister

 Project Glass und Augmented Reality

Der Minicomputer von Google „Project Glass“ Foto by Antonio Zugaldia unter CC-BY-3.0 via Wikimedia Commons

Was man mit Augmented Reality (AR) machen könnte, geht hier weit über Ikea-Schrank-Design hinaus.  Selbst das „Project Glass“ von Google, wirkt daneben wie ein Schmusekätzchen. Der Minicomputer in Form einer Brille, kann digitale Informationen direkt mit einem realen Bild kombinieren. So kann man beispielsweise Infografiken neben Zeitungsartikeln einblenden oder virtuelle Möbelstücke in seine Wohnung stellen, um zu sehen wie sie wirken. Die Technologie im Film Sight funktioniert ähnlich, jedoch über Kontaktlinsen. Augmented Reality benötigt immer eine technische Schnittstelle, um sie sichtbar zu machen. Das kann zum Beispiel ein Smartphone, eine Brille oder ein PC sein. Die Kontaktlinsenvariante ist bisher für den Normalverbraucher noch nicht zu erwerben.3

„Sight“-Apps

Das Video zeigt den Tagesablauf eines Mannes, der mit Hilfe von Kontaktlinsen alle möglichen AR-Anwendungen abrufen kann. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Eine Kühlschrank-App, die Zusatzinformationen wie Kalorien zu den Lebensmitteln liefert.
  • Eine Master-Chefkoch-Anwendung, welche Gurkenschneiden und Eier braten zum Kinderspiel macht. (Tatsächlich erinnert sie an ein Spiel, denn für die richtige Zubereitung gibt es Pluspunkte)
  • Ein virtueller Kleiderschrank, in dem sich der Protagonist ein Outfit zusammenstellt
  • Und eine Dating-App, die zum Schluss seltsame Züge annimmt

Vorteile von Augmented Reality

Nachdem man das Video angesehen hat, muss man tatsächlich erst einmal schlucken, obwohl einige Features auf den ersten Blick doch sehr nützlich aussehen. Neben Google haben auch andere Unternehmen schon die Vorteile von Augmented Reality kennen und nutzen gelernt. Eine Auswahl hat die Agentur ARgeneer, die unter anderem AR-Apps realisiert, auf ihrer Homepage zusammengestellt. Zum einen ist die Verbindung von digitalen Inhalten mit realen Eindrücken natürlich ein „emotionales Erlebnis für den User“ und generiert somit hohe Aufmerksamkeit. Der Nutzer kann aktiv teilnehmen und vieles selbstbestimmen, wodurch er sich miteinbezogen fühlt. (hohes Involvment). Dazu kommt der Vorteil, dass das Medium nicht gewechselt werden muss (Medienbruch) und die User somit unkompliziert und benutzerfreundlich agieren können.4

Der gläserne Mensch?

Laut digiprodukte.ch ist das Ziel von Augmented Reality, „dass die reale Umwelt immer weiter mit der virtuellen verschwimmt“. 5 Die Firma The Astonishing Tribe teste vor kurzer Zeit eine AR-Anwendung, mit der man Menschen identifizieren kann. Dabei wurden gefilmte Personen mit den Profilfotos von Facebook abgeglichen, womit nach kurzer Zeit der Name des Abgefilmten ermittelt war. Das klingt schon beunruhigend, wenn man sich vorstellt, dass bald jeder mit wenigen Klicks persönliche Daten wie Adressen und Arbeitsstellen von völlig Fremden herausfinden kann. In 2009 schrieb der Spiegel noch, „Dass künftig jeder mit ausgestrecktem Arm umherläuft und Passanten sein Handy ins Gesicht hält, ist dennoch unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil das ziemlich anstrengend wäre.“ Und, dass eines Tages Brillen mit integrierten AR-Funktionen Handy-Bildschirme ersetzen sollen. Womit wir bei „eines Tages“ angekommen wären. Vier Jahre später ist das „Project Glass“ nun auf dem Markt und ermöglicht ähnliche Dinge, die man sich in 2009 schon vorgestellt hat. Auch an der Kontaktlinsen-Variante, wie aus dem Film „Sight“, wird schon getüftelt. Elektrotechniker der University of Washington haben schon Prototypen entwickelt und getestet.6

Reality vs. Realität

Dass Augmented Reality die Realität nicht nur erweitert, sondern auch verändern kann, erklärt Wolfgang Broll, Forscher beim Frauenhofer Institut gegenüber dem Spiegel. Es gibt zum Beispiel schon Programme, die Häuser-Fassaden optisch „auf alt“ machen können. Praktisch wäre das beim Daten natürlich schon,  wenn man sich selbst „auf jung“ machen, oder sich eine schöne Sommerbräune zulegen könnte. Man kann sich also getrost gruseln, nachdem man Sight gesehen hat, denn sowohl die Kühlschrank- und Chefkoch-App, als auch der virtuelle Kleiderschrank sind schon problemlos realisierbar. Lediglich die Dating-App braucht wohl noch ein bisschen Zeit, wobei man das vom Minicomputer in der Brille vor vier Jahren wohl auch gesagt hat.

  1. Quelle: http://www.bitkom.org/de/presse/70851_70728.aspx  
  2. Quelle: http://vimeo.com/46304267, Zugriff, 1.7.2013.  
  3. Quelle: http://www.theaugmentedreality.de/  
  4. Quelle: http://www.argeneer.com/  
  5. Quelle: http://www.digiprodukte.ch/social-media/pro-und-contra-wie-sinnvoll-ist-augmented-reality-fuer-unternehmen-teil-3/  
  6. Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/augmented-reality-wegweiser-durch-die-neue-wirklichkeit-a-659486-2.html  

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